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Tony F.

ANDRÉA NEBEL im Interview

Von HAGALAZ RUNEDANCE bis AGHAST MANOR...


ANDRÉA NEBEL im Interview
Kategorie: Spezial
Wörter: 2417
Erstellt: 18.09.2012
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ANDRÉA NEBEL vorzustellen kommt wohl dem berühmten Tragen der Eulen nach Athen gleich. Autorin und Musikerin – als HAGALAZ RUNEDANCE, NEBELHEXE oder AGHAST MANOR – in einem wird sie wohl jedem in den entsprechenden Subkulturen ein Begriff sein. Anlässlich der Veröffentlichung von AGHAST MANORs „Gaslights“ wurde es deshalb Zeit, einige Fragen an ANDRÉA NEBEL zu richten:

Recht überraschend hast Du auf dem diesjährigen WGT zwei Stücke beim 20-Jahre-HEKATE-Konzert gespielt. Wie ist Deine Verbindung zu HEKATE oder zu Ihrer Musik und was war der Grund, dass Du nicht auch ein komplettes Set auf dem Festival gespielt hast?

HEKATE haben mich in Bezug auf Ihr Jubiläum kontaktiert und ich dachte mir, dass es lustig werden könnte, ihr Überraschungsgast zu sein … und tatsächlich hatte ich an diesem Tag eine Menge Spaß. Es war sehr schön, sie alle einmal wieder zu sehen, sie sind so liebenswerte Leute. Wir tourten vor ein paar Jahren einige Male zusammen und hatten eine höchst amüsante Zeit zusammen. Wir zogen mit ORDO EQUILIBRIO, DER BLUTHARSCH und IN SLAUGHTER NATIVES herum und haben dabei einige dumme Sachen angestellt, hehe. Der Grund, warum ich keine AGHAST MANOR Show gespielt habe, ist, dass das WGT AGHAST MANOR nicht eingeladen hat, eine komplette Show zu spielen und außerdem habe ich im Moment keine eigene Live-Band …

Wie auch HEKATE so bist Du schon eine lange Zeit in der Musik-Szene aktiv. Vor langer Zeit hast Du ein Projekt namens AGHAST gehabt. Vor kurzem hast Du das Album „Gaslights“ von AGHAST MANOR herausgebracht. Die Musik klingt sehr unterschiedlich. Wo ist für Dich also die Verbindung zwischen AGHAST und AGHAST MANOR – und wie würdest Du die Entwicklung beschreiben?

Nun, die einzige Verbindung, die ich erkennen kann, liegt im Namen und im Musik-Genre generell. AGHAST MANOR ist meine eigene Fortführung davon. Ich hatte die Idee, wieder Ambient-Musik zu machen, weil ich meinen Partnern in der Horror- und Science Fiction-Filmszene einige alte AGHAST-Stücke vorgestellt habe, die sie sehr mochten. Also begann ich damit, einige neue Ambientstücke für sie zu erarbeiten und wurde dadurch zu einer völlig neuen Projektidee inspiriert. Aber ich habe mich als Musiker und als Person natürlich weiterentwickelt, so dass das ganze Konzept für AGHAST MANOR anders ist. Zuerst ist die Musik kein richtiger Dark Ambient, sondern ist eher düstere Elektronik oder neo-klassisch. Ich mag es zudem, einige „düstere Kabarett“ Einflüsse hinzuzufügen. Zudem basiert das Konzept von AGHAST MANOR mehr auf dunklen und makaberen Atmosphären, gemahnt an Irrenanstalten und Geistergeschichten. Das alte AGHAST-Album basierte auf der anderen Seite auf satanischen Konzepten. Abschließend denke ich, dass AGHAST MANOR für mich eine Rückkehr zu ambienten, synthetischen Soundtracks darstellt; aber im Grunde ist das Ganze ziemlich unterschiedlich, was die Musik und das Konzept betrifft.

Ist diese Veröffentlichung mit dem Ende Deiner Band NEBELHEXE gleichzusetzen oder ist AGHAST MANOR eher ein weiteres Projekt?

Es ist ein weiteres Projekt, ein anderer Ansatz. Es macht Spaß und es ist entspannend AGHAST MANOR Musik zu machen …Es bedeutet Freiheit. Ich mag die Atmosphäre und ich bringe meine Liebe für viktorianische Geistergeschichten ein – schleichende Atmosphären von Irrenanstalten der 30er und 40er Jahre, Okkultismus der 20er Jahre, düsteres Kabarett und SM-Konzepte… Es ist für mich wie eine Auszeit. Die Texte sind oft in einer sarkastischen Art makaber. Und ja, die Musik macht sich wirklich gut im Horror/Thriller-Film-Geschäft. Deshalb liebe ich sie einfach. NEBELHEXE war persönlicher und melancholischer mit persönlichen Songs über schlechte Erfahrungen, Drogenmissbrauch, Kindheitsängste, Freunde, die gestorben sind, und so weiter. Deshalb war es für mich ernster und gewichtiger. Ja, das Projekt NEBELHEXE ist nun tatsächlich beendet. Aber ich werde als ANDRÉA NEBEL weiterhin persönliche Musik machen. Das deshalb, weil ich für mich einen sauberen Start wollte und ich einfach nur ich selbst in all meinen kreativen Facetten sein möchte. Von nun an gibt es somit eher persönliche Musik als ANDRÉA NEBEL plus AGHAST MANOR als mein Neben-Projekt. Ich habe dazu ein neues, ausschließlich elektronisches Projekt gestartet, das I CONTROL heißt. Aber bei diesem möchte ich andere Musiker einbinden und Studio-Kollaborationen mit verschiedenen Musikern verwirklichen.

AGHAST MANOR ist ja eher elektronische Musik und deutlich düsterer als Deine letzten Arbeiten. Gibt es dafür persönliche Gründe oder ist das Deinen Interessen an Horror-Soundtracks oder dem Schreiben von Horror-Geschichten geschuldet?

Ja, wie ich schon sagte, war die Intention, Stücke zu schreiben, die passend für Filme sind … Aber ich mochte es auch immer, dunkle Sounds und Atmosphären zu kreieren. Und natürlich ist das Interesse an Dingen wie Geistergeschichten, Dekadenz, dunklen Korridoren und psychologischen Abnormitäten in vielen meiner Geschichten, die ich schreibe, zu finden. Natürlich sind meine Erzählungen und Kurzgeschichten oft versteckte persönliche Geschichten. Fiktive Geschichten zu schreiben, ist im Grundsatz eine Therapie für den Autor.

Die meisten Horror-Soundtracks bestehen aus elektronischer Musik oder bedienen sich einer klassischen Orchestrierung. Warum, glaubst Du, sind andere Formen von Musik wie zum Beispiel Rockmusik für die Atmosphäre in solchen Filmen nicht so effektiv?

Ich weiß es nicht. Tatsächlich denke ich, dass sie effektiv sein könnte. Das hängt alles mit der Atmosphäre der Szene zusammen. Wenn Du eine gruselige Treppe in den Keller hinabsteigst, ist es natürlich effektiver das Publikum mit bedrohlichen elektronischen oder klassischen Sounds zu ängstigen. Aber wenn sich die Atmosphäre ändert und der Film-Charakter von etwas gruseligem angegriffen wird, dann denke ich, dass Rockmusik ebenso gut funktionieren kann. Wie auch immer, Rockmusik ist generell nicht sehr beängstigend, sie ist eher aggressiv. Formen von Ambient-Musik sind dagegen mehr in der Lage düstere Atmosphären zu kreieren, um Leute zu ängstigen. Das ist auch der Grund, warum meine Ambientklänge für Filme und Trailer ziemlich populär sind, aber meine „echten“ Songs als NEBELHEXE oder ANDRÉA NEBEL nicht so oft für so etwas benutzt werden.

Was siehst Du in Horror-Büchern oder Filmen? Nur den kurzzeitigen Schrecken? Eine Allegorie für Entwicklungen in der realen Welt? Die Erkenntnis, dass es um uns herum eine spirituelle Welt gibt, die sehr tiefe Wurzeln hat?

Das hängt sehr davon ab, von wem der Film oder das Buch ist. Ich selbst mag die banalen Horror-Filme, die das Publikum nur mit Horror, Sex und geschmackloser Gewalt schocken wollen, nicht. Es steht am Ende keine tiefere Bedeutung hinter der Geschichte und ich empfinde solche Sachen als abstoßend. Für mich ist das keine Kunst. Ich mag psychologische Thriller und übernatürliche, gespenstische Konzepte, die auf unseren Urängsten basieren; unsere Ängste vor bedrohlicher Dunkelheit, die wir alle als Kinder hatten, unsere Ängste vor wandelnden Toten, unsere Ängste vor menschlichem Irrsinn, menschliche Verschwörungen gegen uns und unsere Angst vor unbekannten Entitäten, die kommen um uns zu töten. Die Ängste, die wir alle haben, und die Frage: Ist so was möglich? Gibt es eine andere parallele Welt, die uns bedrohen könnte? Das sind die Dinge, die mich interessieren und faszinieren. In meinem Leben habe ich eine Menge seltsames Zeug erlebt – sowohl paranormale Phänomene als auch Menschen, die eine Geisteskrankheit versteckten und die plötzlich unheimlich und bedrohlich wurden. Das ist verrückt und lässt uns manchmal nachdenken, was real ist und was nicht. 

„DecaDemons“ erinnert mich etwas an HAGALAZ RUNEDANCE. Gehst Du damit musikalisch etwas zurück?

Ich denke nicht, dass „DecaDemons“ derart klingt. Der Song ist sehr martialisch …vielleicht beziehst du dich auf „La Petit Mort“? Das ist der einzige Song, der ein dunkles, mittelalterliches Gefühl vermittelt. In diesem Fall wurde ich sehr von den alten DEAD CAN DANCE inspiriert. Ich mag die ersten DEAD CAN DANCE-Alben. Sie waren so düster und erinnerten mich an unheimliche Kirchen, Klöster und Burgen … Und das war die Atmosphäre, die ich erschaffen wollte. Deshalb nein, der Song hat mit dem HAGALZ RUNEDANCE-Sound nichts zu tun, nein … 

Auf der anderen Seite steht „Fear“, ein elektronisches Stück, das stilistisch Richtung Angst Pop oder Industrial geht. Magst Du diese Stile?

Ich möchte einen größeren Industrial-Einfluss bei AGHAST MANOR einbringen, ja. Industrial inspiriert mich schon ziemlich. Ich mag Musik von FRONT LINE ASSMEBLY, HOCICO und SKINNY PUPPY und mir würde es gefallen, mehr Sounds wie diese in Songs zu verwenden, wenn es passt.

Letztes Jahr hast Du „The Dark Side Of Dreaming – A Selection Of Poems, Short Stories And Lyrics“ als Album veröffentlicht. Darin ist ein Text namens „In My Dreams I’m Free“ enthalten. Ist es wie in einem Traum zu leben und frei zu sein, wenn man in einem kreativen Umfeld unterwegs ist? Und was sind die Gegenparts – sozusagen die Alpträume?

Ja, das Album basiert auf meinem Buch „The Dark Side Of Dreaming“, das ich 2009 veröffentlicht habe. Es beinhaltet viele Gedichte und Kurzgeschichten, die auf persönlichen Gefühlen und Erfahrungen basieren, aber ebenso dekadente oder Gothic-Poesie. „In My Dreams I’m Free“ beschreibt das Gefühl, das ich habe, jedes Mal wenn ich morgens aufwache. Ich habe in meinen Träumen gelebt, war überall, irgendwo – bin gereist und existierte einfach. Ich tue Dinge, beobachte Dinge … Ich bin frei in meinen Träumen. Und dann wache ich auf und bin an einem Ort gefangen. Ich brauche etwas zu essen und ich muss darüber nachdenken, wie ich an Geld komme und ich muss mit Leuten interagieren. Das ist eine sklavische Situation. Es waren tatsächlich meine Träume, die mich mehr und mehr dazu inspirierten, einfach zu sein. Einfach Ich zu sein, im realen Leben. Ich denke, dass uns Träume unser wahres Selbst zeigen. Sie geben uns die Antworten. Ja, die Alpträume sind auch ein Teil des Träumens. Sie sind ängstigend und verursachen schreckliche Gefühle; aber sie helfen uns besser zu überleben. Sie sagen uns, dass etwas mit unserem Leben nicht stimmt, dass einige Menschen nicht das sind, was man von ihnen erwartet hat, das Unternehmungen, die wir starten nicht gut verlaufen. Die Alpträume warnen uns. Und in meinem Fall inspirieren sie mich natürlich zu großartigen Geschichten, da viele meiner Geschichten und Songtexte auf erlebten Alpträumen basieren.

Der erste Satz im Buch lautet „I love the early morning and to see the sun rise…that’s why I stay up all night…“. Diesen Satz kann man auf vielfache Weise interpretieren: Zum Beispiel, dass man negative Umstände erträgt, aber Hoffnungen und Träume hat, nur um die Sonne noch einmal aufgehen zu sehen. Oder auch, dass das eine nicht ohne das andere existieren kann … 

Ja, man kann das auf vielfache, symbolische Weise interpretieren. Aus meiner Sicht war das eher ein kindisches und romantisches Statement, weil viele der Gedichte Gedanken und Emotionen sind, die ich als junger Mensch hatte, als ich jede Nacht feierte oder die ganze Nacht wach blieb, um mit jemandem zu reden. Dann haben wir einfach auf den Sonnenaufgang gewartet und wir sind irgendwo hingegangen, um zu frühstücken. Das war herrlich. Während alle anderen Leute zur Arbeit gingen, gingen wir nach Hause und ins Bett. In einer Art ist es eine Klage in Bezug auf die Tage, an denen wir solche Dinge noch tun konnten, weil ich seit ich „erwachsen“ und professionelle Künstlerin bin, grundsätzlich früh zu Bett gehen muss und früh aufstehen muss, um einen guten Arbeitstag hinzukriegen. Aber das Entscheidende an diesem Statement ist, dass es der frühe Morgen ist, der wichtig ist. Der Sonnenaufgang ist eine Chance für einen neuen, produktiven Tag und wir sollten diese Chance nutzen.

In der Einleitung zu „The Dark Side Of Dreaming“ schreibst Du, dass es für dich ein Problem darstellt, wenn Leute denken oder schreiben, sie wüssten, um was es in den Texten oder Gedichten wirklich geht – die eine große Interpretation und der Schlüssel zu Deiner Seele, um es einmal in Worte zu fassen. Meiner Meinung nach ist das Problem, dass es vermehrt Tendenzen gibt, nicht mehr zwischen dem lyrischen Ich und der realen Person/dem Autor unterscheiden zu wollen. Das Ganze wird noch dadurch – auch von den Künstlern – intensiviert, dass man diese Grenze via Social-Media mehr und mehr abreißt – oder auch nur so tut. Was denkst Du über den Unterschied zwischen dem Autor oder Musiker als Person und dem lyrischen Ich und über die Rezeption des Publikums?

Ja, ich empfinde es als ziemlich störend, wenn Leute falsche Schlüsse hinsichtlich meiner Texte oder Geschichten ziehen, die ausschließlich darauf basieren, was sie „denken“ über mich zu wissen. Ich habe in der Vergangenheit zum Beispiel Journalisten erlebt, die ignorant verkündet haben, meine Songs oder Gedichte handelten von „Hexen im Wald“ oder von „Nazismus“ oder von „Natur“ oder von „Umweltverschmutzung“ … Und das, wenn die fraglichen Texte relativ deutlich von Inzest, dem Selbstmord eines Freundes oder Kindesmissbrauch oder Einsamkeit handelten. Somit waren solche Interpretationen nicht nur ziemlich falsch, sie waren sogar eine Beleidigung der Ernsthaftigkeit der Themen, über die ich geschrieben habe. Journalisten sollten sich entweder tiefer mit dem Hintergrund eines Songs beschäftigen oder den Künstler fragen. Ich denke, die Leute sollten einen Song oder eine Geschichte einfach als eine persönliche Darstellung von Emotionen des Künstlers sehen – nicht mehr. Sie können über die Emotionen oder Atmosphären der schriftlichen Arbeiten diskutieren oder einfach die Worte zitieren – aber nicht kühn behaupten, dass es um dieses oder jenes Thema geht. Niemand weiß, was ich wirklich erlebt habe, also sollte auch niemand behaupten, dass man weiß, was in meinem Kopf vorgeht. Ich ziehe es vor, wenn die Leute meine geschriebenen Werke lesen und dann ihre eigenen Visionen oder Emotionen entwickeln, die eine Verbindung zu ihrem eigenen Leben haben. Kunst hat letztlich mit dem Teilen von Emotionen zu tun. Und ja, genau wie du es sagst, denke ich, dass es manchmal gefährlich ist, wenn die Leute die Privatperson mit ihrer kreativen Arbeit verbinden. Die kreativen Ideen eines Künstlers reflektieren nicht notwendigerweise die privaten Handlungen einer Person. Ich sitze nicht zu Hause und habe düstere Gefühle, ich plane keinen Mord und ich halte mir keine Männer, die an der Wand angekettet sind … Nun jedenfalls nicht die ganze Zeit, haha. Man sollte Kunst und Poesie als kreative Fiktion sehen … Basierend auf realen Gedanken – ja – aber immer noch verwandelt in pure Fiktion …

Was dürfen wir als nächstes erwarten? Konzerte? Alben?

Ich plane das nächste AGHAST MANOR Album „Penetrate“ und einige Live-Konzerte dazu. Ich arbeite außerdem am neuen ANDRÉA NEBEL-Album. Und in der Zwischenzeit versuche ich natürlich mehr Erzählungen und Skripte zu verfassen sowie visuelle Ideen umzusetzen … Ich habe zudem ein Buch mit dem Titel „Simply Exceptional – How to make it your Way!“ geschrieben, das auf dem AMAZON-Kindle erhältlich ist. Es handelt davon, wie man das wahre Selbst und dunkle Kreativität mit Meditation und anderen positiven Techniken verbinden kann, um ein reicheres, alltägliches Leben zu erlangen.


 
Tony F. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ANDRÉA NEBEL- Homepage

Themenbezogene Artikel:
» AGHAST MANOR: Gaslights


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