Tempesta Noire, das sind Michael Kohl, Alexis von Poser und Bernd Vayu Roesner. Nach einigen Singles und einem Album erschien vor einiger Zeit die Werkschau "The Path". Dies war für mich Grund genug, mit Michael Kohl ein kurzes Interview zum Stand der Dinge zu führen. LT: Als ich versucht habe, mit Euch Kontakt aufzunehmen, wurde mir mitgeteilt, dass Euer Sänger auf einer längeren Forschungsreise weilt. Worum handelt es sich dabei und wo ist er gerade unterwegs? TN: Alexis ist Ethnologe von Beruf und hält sich seit Oktober 2004 zwecks Feldforschungen in Papua Neuguinea auf. Dies ist auch der Hauptgrund für die derzeitige, relative Ruhe um Tempesta Noire. Die Jahre nach der Veröffentlichung von "66°33' North" waren für uns beide sehr turbulent. Alexis hat sein Studium zum Abschluß gebracht, mit den Vorbereitungen zu seinem großen Projekt schon im Hinterkopf, und ich hatte mich gerade im Musikbusiness selbstständig gemacht. Nachdem wir zuvor über zehn Jahre für Tempesta Noire gearbeitet haben, war nun ein Zeitpunkt gekommen das "wahre Leben" zu ordnen. LT: Mit "The Path" ist ja nun eine Art Werkschau von Tempesta Noire auf dem argentinischen Twilight Label erschienen. Wie kam es dazu und wie ist der Kontakt zu Gabriel Carbone (der übrigens auch in der Band Kutna Hora involviert ist) zustande gekommen? TN: Er hat uns, wohl dem Zeitgeist entsprechend, eine nette Email geschickt, sich vorgestellt und gefragt, ob wir eine CD bei ihm veröffentlichen wollen. Manche Dinge sind erstaunlich einfach. Dass Gabriel ein derart fantastisches Labelprogramm hat, ist uns erst sehr viel später bewußt geworden. Speziell die von Dir erwähnten Kutna Hora, ebenso wie die spanische Band "Ancient Tales" haben mich tief und nachhaltig beeindruckt. Ich fühle mich jedenfalls aufrichtig geehrt, in diesem Kontext genannt zu werden. LT: Bei der Song-Auswahl ist mir aufgefallen, dass nie alle Stücke einer Single enthalten sind. War das Absicht, um die Single-Veröffentlichungen nicht abzuwerten oder ist das purer Zufall? TN: Das ist reiner Zufall. Bis Du mich darauf aufmerksam gemacht hast, war mir das jedenfalls nicht bewußt. Ein interresanter Aspekt, aber wie gesagt ohne Hintergedanken. LT: Wie kam die Auswahl überhaupt zu Stande? War das ein demokratisches Verfahren? TN: Die Auswahl der Stücke wurde von mir, in einem denkbar undemokratischen Verfahren festgelegt: Ich saß alleine im Studio mit dem Abgabetermin als einzige Vorgabe. "The Path" ist letzendlich zweierlei geworden: zum einen stellt es schlicht eine Sammlung von Stücken dar, welche ich selbst gerne auf einer CD, in zeitgemäßer Qualität und in einer bestimmten Reihenfolge hören wollte. Zum Anderen war "The Path" immer dazu gedacht Tempesta Noire denjenigen Hörern vorzustellen, welche bislang nur über uns gehört hatten aber unsere Musik nicht kannten. Da wir immer nur sehr limitierte Auflagen veröffentlicht hatten, ist es denkbar unwahrscheinlich, dass irgendjemand alle auf "The Path" veröffentlichten Stücke im Original besitzt, bzw. bislang schon gehört hat. Ich habe "The Path" so angelegt als wollte ich einer völlig unbefangen Person zeigen: "Das ist die Musik von Tempesta Noire!" LT: In meiner Rezension zu "The Path" habe ich geschrieben, dass Tempesta Noire bisher leider eine Art Schattendasein geführt haben. Das stützt sich darauf, dass es relativ wenig über Euch zu lesen gab, Rezensionen selten waren etc. Ich selbst bin vor Jahren auch eher durch Zufall auf die Veröffentlichung der "Eternally"-Single aufmerksam geworden. Seht ihr das ebenso? Lag es an der Labelwahl bzw. dem Vertrieb der Singles oder an der Art Eurer Musik, die sich vielleicht nicht immer eindeutig zuordnen läßt? TN: Zu unseren europäischen Labels kann ich wenig sagen was nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllen würde. Zur Frage ob unsere mangelnde Medienpräsenz an der Musik liegt, kann ich natürlich nicht objektiv antworten. Wir haben nie "zielgruppenorientiert" gearbeitet. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund weswegen wir so schwer einzuordenen sind. Als Nachteil empfinde ich dies jedoch nicht, im Gegenteil. Ob eine Band oder ein Projekt Erfolg hat, hängt bekanntermaßen nur am Rande mit der Musik zusammen. Wir bewegen uns im Musikgeschäft. Und im Wort wie auch in der Realität liegt die Betonung auf Geschäft. Und das ist in meinen Augen durchaus legitim, solange am Ende alle Beteiligten, vom Musiker bis zum Konsumenten zufrieden sind. Diese Branche funktioniert nach denkbar einfachen, rustikalen, aber absolut dogmatischen Mechanismen. Paßt man sich an, hat man meßbaren Erfolg. Wenn nicht, dann nicht. Jeder kennt das Rezept für den One-Hit-Wonder-Summer-Hit. Und trotzdem funktioniert diese dumpfe Masche seit den frühen 80ern jedes Jahr aufs Neue. Und woran liegts? Dieses Abarbeiten stumpfer Schemata gilt in meinen Augen ganz besonders für die Wave und Gothic Szene. In ihrem Dogmatismus und ihrer Stagnation wird sie allerhöchstens von der Roots-Reggea-Szene und einigen Metall-Sparten unterboten. Es gibt nur ganz, ganz wenige stilprägende Musiker. Das sind die wahren Helden. Das dümmste was man machen kann, ist diese schlicht zu kopieren. Wenn ich mir alle paar Jahre mal die einschlägigen Gruftigazzetten anschaue weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll ob der zur "Kunstform" erhobenen Ignoranz und Ideenlosigkeit. Wären wir die 3589. Depeche Mode/Sisters/Christian Death- Epigonen würdest Du unser dümmlich geschminktes Konterfei an jedem besser sortierten Kiosk sehen können. Du hast gefragt warum wenig über uns zu lesen ist? Also ehrlich, ich habe keine Ahnung! LT: Ihr habt den "Neofolk" aber auch nicht selbst erfunden. Wie geht Ihr mit Kritik um, auch nur die zigsten Sol Invictus/C93/DIJ Epigonen zu sein? Das Gitarrenriff aus "Book of Life" habe zum Beispiel nicht erst einmal gehört. TN: Ertappt! Wir haben die Musik nicht neu erfunden. Wir haben nur versucht, nicht einseitig zu kopieren und so im Rahmen des Möglichen Neues anzudeuten. Ich empfinde das schon als ziemlich originell. Es gibt sicher keinen zwingenden Grund unsere Musik anzuhören, aber wer sich freiwillig oder scheinbar aufgezwungen ausserhalb der Norm bewegt ist gerne dazu eingeladen dies zu tun. Wir sind sicherlich nicht böse wenn jemand nach zwei Takten dankend ablehnt. Der Versuch war es sicher Wert. LT: Eure Musik war immer eine Mischung zwischen akustischen und elektronischen Elementen. Insgesamt meine ich über die Jahre eine Verschiebung der Anteile zu Gunsten eines eher akustischeren Klangbilds zu erkennen. Liege ich damit richtig und war das ein natürlicher oder mehr gewollter Prozess? TN: Das ist durchaus gewollt. Im übrigen auch von Anfang an. Früher hielt uns lediglich die uns zur Verfügung stehende Technik davon ab dies entsprechend umzusetzen. Bei unseren ersten Veröffentlichungen gab es Elemente welche eindeutig "handgemacht" oder eben eindeutig "elektronisch" waren. Durch den Zugang zu besserer Technik und durch eine angepasste Arbeitsweise wurden diese Grenzen aufgeweicht. Auf unseren neuen Veröffentlichungen z.B. sind fast alle Parts selbst erstellte Sampels. Unser Ziel war schon von Anfang an, die Exaktheit von Elektronik mit der Lebendigkeit von natürlichen Instrumenten zu verbinden. Ein schwieriges aber reizvolles Unterfangen. LT: Seit dem "66° 33' North" Album war es ja nun länger still um Euch. Seid Ihr im Nachhinein mit dem Album zufrieden? Mir persönlich war das Album teilweise zu wenig griffig und zu indifferent, was vielleicht auch daran lag, dass mit der "Wolves and Cathedrals" Single, die übrigens eine sehr interessante Sol Invictus Cover-Version von "A ship is burning" enthält, zuvor sicher Eure stärkste Veröffentlichung überhaupt herausgekommen ist. TN: Für mich sind alle unserer Veröffentlichungen Solitäre. Es macht somit für mich keinen Sinn, sie zu vergleichen. Jede Veröffentlichung stellt für den Zeitpunkt ihres Entstehens eine Momentaufnahme dar. Mit der Veröffentlichung eines Tonträgers ist für mich der Lebensabschnitt, der sich um diese Veröffentlichung gedreht hat, augenblicklich abgeschlossen und zum unveränderlichen Teil meiner Biographie geworden. Es gibt jedoch auch hier einige wenige Ausnahmen. Manche Stücke konnten zum Zeitpunkt ihres Entstehens in unseren Augen nur unzureichend umgesetzt werden. "The Path", wie übrigens auch die "Wolves and Cathedrales" Single setzen genau an diesem Punkt an. "Wolves and Cathedrales" wurde schon auf unserem zweiten Tape veröffentlicht, allerdings hat uns diese Veröffentlichung nie zufrieden gestellt. Wir schreiben unsere Stücke für niemanden sonst ausser uns selbst. Und somit ist jede Veröffentlichung eine abgeschlossene Tagebuchseite. Es wird dann einfach umgeblättert und eine neue Seite begonnen. Ohne Irgendjemandem nahe tretten zu wollen, aber dieser Umgang mit unseren Stücken macht uns weitgehend immun gegen jegliche Kritik. Es ist durchaus schade, das Dich das "66°33'North"-Album an manchen Stellen nicht anspricht, aber es ändert nichts. Da alle unsere Stücke sehr persönlich geprägt sind, wäre es schon ein unglaublicher Zufall, wenn ein Hörer vor seinem eigenen Hintergrund alle Stücke gleichermaßen nachvollziehen und mitempfinden könnte. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Umso schöner ist es wenn wir aus Rückmeldungen erfahren, dass jemand in einer bestimmten Situation und Gefühlslage eines unserer Stücke als Katalysator für sich entdeckt hat. Du scheinst mit "Wolves and Cathedrales" vorläufig "Dein" Tempesta Noire Stück gefunden zu haben. Eine gute Wahl, in meinen Augen. LT: "The Path" könnte ja auch ein Abschied sein. Zumal der einzige wirklich neue Song "Es war" heißt. Ist es einer oder können wir uns auf weitere Aktivitäten der Band freuen? TN: "Es war..." wurde schon 1997 zum Einen auf unserem dritten Tape "Magicians of the West", als auch 1998 auf dem "the dark ages" Sampler des Magazins "Black" veröffentlicht.Der auf dem "The Path" Album vorliegende Remix wurde als "Previously unreleased" gekennzeichnet, da er sich in der Umsetzung deutlich von den frühen Versionen unterscheidet. Mit diesem Remix ist es mir endlich gelungen das Stück so umzusetzen, wie es von Anfang an erdacht war. Ich habe "The Path" nie als Abschied empfunden. Wenn überhaupt dann nur als Abschluss eines Kapitels. Neue Stücke von Tempesta Noire wird es definitv geben, da die Musik für mich selbst zu wichtig ist, um einfach damit aufzuhören. Ob diese Stücke auch veröffentlicht werden, hängt letztendlich nur davon ab ob sich ein Label findet. Die Zusammenarbeit mit Twilight Records gestaltet sich aber derart professionell, entspannt und zielorientiert wie man es sich als Musiker nur erträumen kann. Deshalb bin ich erstmals seit langem sehr optimistisch was weitere Veröffentlichungen betrifft. LT: Ich danke für das Gespräch. TN: Gerne
Tony F. für nonpop.de
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