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Tony F.

RUNES & MEN 2014 in Leipzig


RUNES & MEN 2014 in Leipzig
Kategorie: Spezial
Wörter: 2297
Erstellt: 25.10.2014
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Von einer Etablierung kann man beim Runes & Men Festival sicherlich ohne Vorbehalt langsam sprechen. Zum zweiten Mal nun in der Leipziger Theaterfabrik in passendem Ambiente stattfindend – die erste Veranstaltung fand noch in Dresden statt – konnte man wieder einem Festival beiwohnen, das glücklicherweise einem musikalischen roten Faden folgt, der nicht von Ausfransung bedroht zu sein scheint. Also wurde wieder das geboten, was die – grob gesagt – Apocalyptic- oder Neofolk-Szene inklusive angrenzende Bereiche zu bieten hat – jedenfalls so wie sie sich das Ganze im Jahr 2014 darstellt. Dabei hatte man den Eindruck, dass man sich durch die Präsentation von Bands wie KIRLIAN CAMERA, ROME, SPIRITUAL FRONT, OF THE WAND & THE MOON oder FIRE + ICE fast noch einmal selbst übertreffen wollte. Das Publikum war vom Programm jedenfalls derart angetan, dass die (nicht kleine) Theaterfabrik am Freitagabend schon fast an den Status der unangenehmen Überfüllung heranlangte. Am Samstag war der Andrang dann insgesamt etwas geringer.

Freitag

Mit RITUAL HAVOC, einer relativ neuen Neofolk-Band aus Dresden ging es am Freitagabend etwas verspätet los. Dem traditionellen Neofolk verschrieben und mit zwei Gitarristen sowie MIRO SNEJDR live prominent an den Trommeln ausgestattet, präsentierte die Band ein eher erwartbares Programm aus einfachen Akkorden und Rhythmen, wobei die musikalische Umsetzung ohne Beanstandung blieb und vor allem auch der Sänger ROB MONSTAR etwas genreuntypisch überzeugen konnte. Leider fehlten mir die wirklich guten Songideen; zudem hatte man das Gefühl, dass bei den Titeln der Stücke und bei den Texten doch irgendwann einmal das Neofolk-Phrasenschwein platzen müsste. Zum Schluss wurde schließlich noch SIMONE SALVATORI (SPIRITUAL FRONT) auf die Bühne gebeten, mit dem zusammen eine Cover-Version von „But What Ends When The Symbols Shatter?“ gespielt wurde. Danach gab es noch eine „launige“ Cover-Version des trashigen 80er CULTURE CLUB Hits „Karma Chameleon“ – was einem dann doch ein Stirnrunzeln ins Gesicht zaubern konnte. Vielleicht zeigt hier auch der Neofolk langsam sein Gesicht als Event- oder Spaßkultur – wer weiß…
JÄNNERWEIN sind eine Band, die sich in den letzten Jahren durchaus positiv entwickelt hat. Das zu Beginn der Karriere oft verwendete, aus meiner Sicht nicht gerade schmeichelhafte Etikett „Alpinfolk“ trifft gerade auf die Live-Auftritte somit auch nur sehr bedingt zu, liefert man doch eine sehr gute, kompakte und stimmige Leistung ab, die eher dem klassischen (deutschen) Neofolk zuzuordnen ist. Durch die Hinzunahme von MATTHIAS KRAUSE (VURGART) an der Gitarre hat man sich zudem weiter professionalisiert. Somit lieferten JÄNNERWEIN einen im besten Sinn unaufgeregten Auftritt ab, bei dem natürlich die, ja, „Klassiker“ der Band wie „Den Berg empor“ oder „Durch jede Stunde“ zur Aufführung kamen. Gerade die Gabe, berührende, melancholische Stücke zu schreiben, die sich beim Hörer einprägen, ist dabei das Pfund, mit dem man wuchert. Im Winter soll ein neues Album erscheinen – man darf gespannt sein.
Der Auftritt von WHILE ANGELS WATCH war eigentlich schon für das letzte Jahr angekündigt worden, musste dann aber wegen einer Erkrankung von DEV abgesagt werden. Insofern wurde der Auftritt in diesem Jahr nachgeholt. WHILE ANGELS WATCH sind bereits seit den 90er Jahren tätig, wurden dem breiteren Publikum aber erst Anfang der Nuller-Jahre durch ein Album und ein Mini-Album auf CYNFEIRDD bekannt. Da die Musik der Band nicht so geradlinig und eingängig war, wie bei manch anderem Act, hielt sich der Bekanntheitsgrad dennoch in Grenzen. Daran waren allerdings auch die fehlende Live-Präsenz und die anschließende, veröffentlichungslose Zeit schuld. Von daher dürfte die Band vielen heutigen Szeneanhängern eher weniger sagen. Leider war der Auftritt am Freitagabend auch noch einer der durchwachsenen Art. Die Band wirkte nicht wirklich eingespielt, sodass einige Passagen recht unrund klangen, was den etwas komplexeren Songaufbauten von WHILE ANGELS WATCH naturgemäß nur schwerlich entgegenkommt. Aber auch gesanglich schien der ansonsten recht stimmgewaltige DEV nicht richtig auf der Höhe zu sein. Insofern wirkte der Auftritt trotz der natürlich gespielten Klassiker wie „Medusa“ oder „Eye For Eye“ leider blass und zerfahren.
Nur mit relativ kurzer Spieldauer bedacht, stand IAN READ mit FIRE + ICE am Freitagabend danach mit einer kleinen, aber absolut souveränen Besetzung aus MATTHIAS KRAUSE an der Gitarre und MIRO SNEJDR an den Trommeln und am Akkordeon auf der Bühne, wobei FIRE + ICE eigentlich immer schon für einen minimalistischeren Sound standen, der aber aufgrund von IAN READs Präsenz auf der Bühne durchaus Vorteile hat. So gelang es dem Trio vom Auftaktstück „Dragons In The Sunset“ an, die Hörer in den Bann zu ziehen, wobei musikalisch ein Streifzug durch das gesamte Werk von FIRE + ICE unternommen wurde. Neben Stücken wie „Lord Lankin“, „Call Up The Four Winds“, „Greyhead“ und dem eher seltener gespielten „Suppose My Name“ kamen dabei natürlich auch Stücke des letzten Albums „Fractured Man“ zur Aufführung. „Nimm“, dessen Vortrag IAN READ offensichtlich selbst stark berührte und das auch aufgrund des Akkordeonspiels von MIRO SNEJDR absolut überzeugte, widmete er auf Deutsch ANDREAS RITTER von FORSETI. Als Abschluss wurde schließlich noch das ebenfalls neuere „Fractured Again“ gespielt.
Irgendwie hatte man ja das Gefühl, dass SPIRITUAL FRONT nach dem Erfolg des Albums „Armageddon Gigolo“ im Jahr 2006 aus der Spur gekommen sind. Das Nachfolgealbum ließ ewig auf sich warten und konnte anschließend viele auch nicht wirklich überzeugen. Nun, nach dem offensichtlichen Verlassen des alten Labels, versucht man wohl wieder an alte Zeiten anzuknüpfen. Live gab es in den Jahren tatsächlich zunächst keinen so deutlichen Bruch – hier herrschte eher eine Dauerpräsenz, die dann offenbar auch irgendwann einmal zu einer Pause zwang – zumindest mich als Konzertgänger. Auf dem Runes & Men Festival knüpfte man jedenfalls wieder an alte Zeiten an. Zwar kamen die Keyboards aus der Dose, aber ansonsten agierte die vierköpfige Band wie eh und je – und SIMONE SALVATORI vor allem – dicht am Abgrund zum „Overacting“ – aber das will das Publikum natürlich auch sehen. Die Setlist hätte so allerdings auch fast von 2010 sein können, weil natürlich Songs von „Armageddon Gigolo“ – neben dem ewigen Anfangssong „The Shining Circle“ natürlich „I  Walk The (Dead)Line“, „ Jesus Died In Las Vegas“ und „Bastard Angel“ – stark vertreten waren. Aber auch das etwas überarbeitete „Song For The Old Man“  oder „Hey Boy“ fanden Berücksichtigung. Neueres gab es natürlich auch in Form von „Vladimir Central“, sodass eigentlich jeder zufrieden sein konnte, was die unglaubliche Fülle im Saal auch bestätigte.
Aufgrund des etwas späteren Beginns des Festivals und einiger weiterer, kleinerer Verzögerungen im Verlauf gingen KIRLIAN CAMERA schließlich deutlich später als geplant auf die Bühne. Den einen oder anderen mag die Teilnahme der Band an so einem Festival aus heutiger Sicht  vielleicht verwundern; die Teilnahme ist allerdings durchaus historisch zu sehen, da KIRLIAN CAMERA in den 90er Jahren eine deutliche Affinität zum Dark-Wave/ Neofolk zeigten, was sich im Sound der Band auch niederschlug. Erst mit dem Einstieg von ELENA FOSSI wandelte sich der Sound zu teilweise unerträglichem Gothic-Mainstream-Electro, der auf dem letzten Album „Black Summer Choirs“ endlich mal wieder etwas zurückgeschraubt wurde. Hatte man nach dem Intro „Neither Honour Nor Glory“ – ursprünglich vom KC-Nebenprojekt STALINGRAD – und dem ersten Stück „Hymn“ zu Beginn noch das Gefühl, dass sich die Band mit der Songauswahl etwas an das Festival anlehnen würde, so ging es danach zumeist stampfend und straight weiter, wobei die Bühnenshow wie üblich auf die Präsenz von ELENA FOSSI zugeschnitten war. Der E-Gitarrist in Kooperation mit dem Bassisten machte dabei aus dem KIRLIAN CAMERA-Sound einen Elektro-Metal-Hybriden, der mich nur bedingt überzeugen konnte. Natürlich waren auch der Klassiker „Eclipse“, das in der Live-Version etwas unscharf wirkende „K-Pax“ und am Ende das hypnotische „Erinnerung“ im Programm; aber irgendwie sprang der Funke nicht so recht über, was sich auch an der sich mit der Zeit deutlich leerenden Theaterfabrik zeigte. Vielleicht war es irgendwann auch einfach zu spät, um noch enthusiastisch Zugaben zu fordern.

Samstag

Nach einer kurzen Nacht und der Möglichkeit sich Leipzig bei bestem Wetter am Samstag anzusehen, ging es früh am Abend mit JORDAN REYNE weiter. Die Neuseeländerin hat zwar schon einige Veröffentlichungen in die Welt entlassen; mir war sie allerdings kein Begriff, was wohl auch auf den einen oder anderen im Publikum zutreffen dürfte. Bei ihrem Solo-Auftritt nutzte die Sängerin neben einer Gitarre ein Rhythmusgerät und wie es zurzeit vermehrt Künstler wie MATT HOWDEN oder JULIA KENT einsetzen – eine Loopmachine. Damit baute sie, zumeist gegründet auf mehrstimmigem Gesang, erdige Folkstücke, die an dem musikalischen Können von JORDAN REYNE keinen Zweifel ließen. Das Publikum schien ebenfalls beeindruckt, sodass man von ihr hoffentlich an anderer Stelle noch einmal etwas zu sehen bekommt. 
ROMA AMOR sind ein Duo, das mir mit seiner musikalische Mischung aus Chanson und Folk zugegebenermaßen nicht liegt. Die auch live minimalistische Herangehensweise aus Gitarrenklängen, Akkordeon und Gesang ist zudem auf einem Festival zumeist etwas schwierig. Dennoch füllte das Duo den Raum klanglich gut aus und auch an der Umsetzung ließ sich kaum etwas beanstanden. Aus meiner Sicht sind die Songs aber einfach zu gleichförmig und mit zu wenig Tiefe ausgestattet, um über längere Zeit fesseln zu können. Das mag der eine oder andere natürlich gerne anders sehen.
OWLS, das Trio aus TONY WAKEFORD, ERALDO BERNOCCHI (u.a. SIGILLUM S) und LORENZO ESPOSITO FORNASARI ist live in unseren Breiten ja eher selten zu sehen. Insofern konnte man nach dem WGT 2011 wieder in Leipzig einem Auftritt der Band beiwohnen. Das Debütalbum „The Night Stays“ von 2011 hat mich seinerzeit positiv überrascht, erschuf es doch mit seiner Mischung aus Lounge, Electronica und (Neo-)Folk eine ganz eigene Atmosphäre und zeigte Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf, die aus meiner Sicht dringend gebraucht werden. Gerade auch was das Schaffen von TONY WAKEFORD in den letzten Jahren angeht, hat mich dieses auch endlich mal richtig gut klingende Album mehr überzeugt als die letzten Solo- oder SOL INVICTUS-Alben. Recht überraschend war es dann, dass TONY WAKEFORD diesmal live weder Gitarre noch Bass spielte und zudem seit langem wieder einen Auftritt im Stehen absolvierte. Für die Saiteninstrumente, die recht abwechslungs- und effektreich eingesetzt wurden, waren somit seine Mitstreiter zuständig. LORENZO ESPOSITO FORNASARI steuerte außerdem einige engagierte Backing-Vocals bei. Natürlich lag die Hauptlast des Sets auf dem Debütalbum, sodass mit dem stark nach elektrifizierten SOL INVICTUS klingenden „Hide & Seek“ begonnen wurde, dem noch Stücke wie „The Night Stays“, „We Took This Land“ oder „Strange Kind Of Beauty“ folgten. TONY WAKEFORD gestaltete seine Ansagen dabei natürlich gewohnt ironisch. Auch neues Material gab es zu hören, wobei aber gerade das zweite Stück live noch nicht wirklich saß. Radikale Änderungen im Sound sind, soweit man beurteilen konnte, aber wohl nicht zu erwarten.
DIE WEISSE ROSE ist ein Projekt, das für mich immer etwas zwiespältig blieb. Die Mischung aus zumeist zusammengesampelten Musikpassagen, Sprachsamples und Sounds bzw. eigenen recht simplen Melodiestrukturen in Verbindung mit der Rezitation von Texten durch THOMAS BOJDEN roch für mich immer etwas nach Epigonentum und mangelt mir etwas an Innovation und Durchschlagskraft. Die Dramatik, die das Projekt seit jeher umweht, wirkt zudem manchmal leicht überzogen. Verstärkt durch JOHN MURPHY, KIM LARSEN und GARY CAREY an den Trommeln brachte man dennoch ein recht stimmiges und vor allem atmosphärisches Konzert mit Stücken wie dem durchaus packenden "The Solitary Volcano", "At The Doorsteps Of Our Temple" oder "As The Last Of The Petals Are Shattered" auf die Bühne, bei dem zum Glück auf völlige Überinszenierungen (Fackeln, Abtritte und erneute Aufzüge etc.), wie sie früher einmal üblich waren, verzichtet wurde. 
Auch OF THE WAND & THE MOON hatten eine eher kurze Spieldauer zugeteilt bekommen, sodass im Großen und Ganzen nur Zeit für ein Best-of-Programm blieb. Die sechsköpfige Band präsentierte dabei natürlich und musikalisch souverän hauptsächlich Stücke des noch aktuellen Albums „The Lone Descent“. Daneben standen natürlich Klassiker wie „I Crave For You“ oder „My Black Faith“ auf dem Programm. Der Sound war von der Mischung her leider etwas zu voll, sodass einige Details – und leider auch die Lead- und Background-Vocals – zu sehr in der Soundwand untergingen. Obwohl die Spielzeit schon leicht überzogen war, kam die Band aber schließlich noch einmal zur Zugabe „We Are Dust“ auf die Bühne zurück.
Den Abschluss des diesjährigen Festivals bildeten schließlich ROME, die in klassischer Bandbesetzung Gesang/Gitarre, Bass/Gitarre, Keyboard, Schlagzeug auftraten, bevor es im nächsten Jahr auf große 10-Jahres-Jubiläumstour geht. Sämtliche Stücke waren dann auch auf diese Formation hin zugeschnitten und angepasst worden, d.h. es wurden wenige Samples und Klänge aus der Konserve genutzt. Stattdessen gab es teils wuchtige, manchmal an Indie-Rock erinnernde Versionen zu hören, wobei ich es grundsätzlich als positiv empfinde, wenn Bands ihre Stücke live immer wieder anders darstellen. Alte und neue Stücke fügten sich so vor allem zu einem kompakten Gesamtbild zusammen. Allerdings ging bei dem einen oder anderen gerade älteren Stück dadurch auch etwas die Atmosphäre verloren, weil man sich im Druck und beim Tempo hier und da doch etwas zurücknehmen hätte können. Außerdem hätte dies der Dynamik des Auftritts gutgetan. Nichtsdestotrotz lieferten ROME eine runde Show ab, die einen würdigen Abschluss des Festivals markierte.

Was bleibt? Wieder einmal haben es die Festivalorganisatoren geschafft, ein ansprechendes Gesamtprogramm auf die Bühne zu stellen, das gemessen am Publikumszuspruch ohne Frage gewürdigt wurde. Bei einer weiteren Auflage stellt sich natürlich irgendwann die Frage, in welchem Rhythmus man Bands immer wieder einladen kann, wobei bei der derzeitigen musikalischen Ausrichtung das mögliche Teilnehmerfeld naturgemäß eher dünn ist. Allerdings finden Veranstaltungen dieser Art ja auch nur recht sporadisch statt, sodass eine Übersättigung wohl nicht allzu schnell eintreten dürfte. Unerwähnt bleibt in einem Bericht wie diesem, der sich hauptsächlich auf das musikalische Wirken bezieht, letztlich natürlich die Eigendynamik eines Festivals – also das Treffen von Leuten bzw. die Gesamtatmosphäre. Wie im letzten Jahr kann man hier nur auf eine angenehme und entspannte Atmosphäre hinweisen – wichtig genug.                

 
Tony F. für nonpop.de


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