Qualität und Quantität gehen bei RAISON D’ÊTRE Hand in Hand, meint Michael We. in seiner Besprechung des neuen Werkes von PETER ANDERSSON. „When The Earth Dissolves Into Ashes“ (Besprechung) ist eine Sammlung von Tracks, die bei Liveauftritten der beiden vergangenen Jahre mitgeschnitten wurden und die so noch nicht als Studioversion existieren, obwohl sie dem Kenner doch nicht gänzlich unbekannt sein dürften, da das Material verschiedener Studioalben die Grundlage der Liveauftritte bildet, wenn auch völlig anders zusammengestellt und neu bearbeitet. Insgesamt wirkt RAISON D’ÊTRE auf dem Album beinahe esoterisch, wie ein großes kosmisches Windspiel, ein allumfassendes Atmen, leicht wehmütig und melancholisch, mit Elementen von Einsamkeit und Leere. Das komplette RAISON-Livealbum kann bei LAST.FM nachgehört werden: Der Römer FLAVIO RIVABELLA produziert zusammen mit seiner Trompete seit dem Jahr 2000 als DBPIT eine warme, organische Form von Dark Ambient und XXENA, eine ebenfalls in Rom ansässige bildende Künstlerin untermalt diese mit Videoinstallationen. Alles zusammen ergibt eine 3inch-CD mit fünf neuen Songs und eine DVD, beides verpackt in schöne Metallbox und veröffentlicht unter dem Titel „The Return Of Mr. Mallory“ (Besprechung) und limitiert auf 50 Stück. Die fünf jeweils genau vier Minuten langen Stücke wirken sehr filmisch. Drones aus Schreien und Stöhnen, Zischen und Pfeifen, Trompeten-Versatzstücke und scheppernder Sprechtext nehmen den Hörer gefangen. Die DVD visualisiert die fünf Stücke, liefert in den entsprechenden Videos dunkle, oft verstörende Bilder. Hier die Liveperformance des Minialbums, hochgeladen von den Künstlern selbst. Außerdem existieren viele weitere offizielle Videos auf YOUTUBE. Ein kleines Highlight ist laut unserem Autoren thomas r. die selbst-betitelte Debüt-LP von FRANK ALPINE (Besprechung), die im Herbst letzten Jahres bei WEIRD RECORDS erschienen ist. Das minimalistische, 80er-beeinflusste Album bietet authentisch-aggressiven und dennoch melodischen Synth Punk, der Gitarre auskommt, sich aber durch die Intensität der analogen Synthesizer von anderen Wave- oder Minimalbands absetzt. Die Songs bestechen durch eine repetitive, treibende Synth-Struktur und klaustrophobisch-depressive Lyrics. FRANK ALPINE verlangt „tell me something real“ und schafft es dabei selbst Musik zu machen, die dem Hörer ein Stück weit etwas Authentisches und Reales bieten kann. Minimalistisch geht es auch auf der neuen Veröffentlichung „Veldwerk“ von MACHINEFABRIEK (Besprechung) zu. RUTGER ZUYDERVELT arbeitet diesmal mit sehr zurückhaltender Elektronik und Field Recordings, die als klangliches (Reise-)Tagebuch betrachtet werden können: Die Geräusche und Stimmensamples für "Slovensko I & II" wurden in der Slowakei aufgenommen, die industriellen Maschinensounds in "The Breaking Water" stammen dagegen von der Erasmusbrücke in Rotterdam. "Veldwerk" ist kein klassisches Album, sondern eine Zusammenstellung von (Auftrags-)Arbeiten, die bereits auf anderen Veröffentlichungen vorliegen. Es werden weder Bombast noch Soundwälle aufgebaut, der Sound ist zurückhaltend, ja eher leise. Hier eines der vielen Kunstprojekte, an denen MACHINEFABRIEK beteiligt ist: ein experimenteller Kurzfilm ("Ellipsis" von ANDY JOULE), untermalt von Musik von RUTGER ZUYDERVELT: Im Juni erscheint mit „The Golden Years“ (Besprechung) das dritte Album von TRAPIST, einer losen Band, die schon seit zehn Jahren existiert und mit ihrer langsamen, ausgedehnten Instrumentalmusik verschiedene Seiten der Stille auslotet: Mal sorgen Gitarrentwangs für Einsamkeit und Weite, mal wird es bedrohlich, flirrt, zirpt und lauert. Erstaunlich ist die spürbare Dynamik, obwohl rein quantitativ manchmal minutenlang wenig passiert. „Winterreise“ als Mischung aus BAD SECTOR und ANTLERS MULM, erzeugt mit maschinellen Mitteln und komplett ohne Vocals bietet UWE SCHMIDT alias ATOMTM auf seinem neuen Album (Besprechung). Die Kombination von romantischem Kunstlied und harter Technik beeindruckte schon auf dem ersten Album „Liedgut“ und hat an ihrer Faszination nichts verloren. Ursprünglich begleitete die Musik eine Serie von Winterbildern, die SCHMIDT unter anderem in Japan ausstellte. Bei der Gratwanderung zwischen Romantik und Wissenschaft siegte diesmal letztere: „Winterreise“ fällt deutlich abstrakter und theoretischer aus. In Ergänzung zum Artikel hat das Label inzwischen auch ein aktuelles Stück aus dem Album auf SOUNDCLOUD gestellt. LAKOBEIL führen uns auf ihrer zweiten Veröffentlichungen, der EP „Crash“ (Besprechung), wieder in die 80er. Fünf Stücke, darunter auch ein Cover von „Warm Leatherette“, bieten synthetische, poppige Elektronik mit ein paar Ecken und Kanten, analog klingende Effekten und eine Drummachine, die gute Arbeit verrichtet. Auch ohne einen einzigen Akkordeon-Ton, mit ungewöhnlich kurzer Gästeliste und vor allem ohne Beteiligung von JOANNE vermag das neue NAEVUS-Album „The Division Of Labour“ (Besprechung) zu begeistern. Ein hervorragendes Werk ist es geworden, ursprünglicher, mehr in Richtung der frühen Veröffentlichungen gehend. Das gesamte Album wird von einem nie ganz verstummenden Grummeln durchzogen, das im Opener „Man In A Ditch“ seinen Ausgang nimmt, wo es in eine mitreißende Melodie mündet. LLOYDs Gesang ist beinah geschmeidig, mal traurig, mal tief und melodiös. Den Bogen zu früheren Tagen spannen dann in „Song In Suspension“ dronige, dezente Orgeltöne, ein Schlagzeug-Besen und sanfte Drummachine-Progammierung. Am Ende wird es dann wieder experimenteller, so dass wohl erst das nächste Album zeigen wird, wie es mit NAEVUS endgültig weitergeht. Ganz sicher aber ist „The Division of Labour“ das emotional stärkste, packendste Album. Außerdem befassten wir uns im April mit dem neuen Album „Gott mit uns“ von KREUZWEG OST (Besprechung), dem auf einige CD-R-Veröffentlichungen folgenden Debüt „The Ghost Machine“ von HELDENTOD (Besprechung) und orchstralem Bombast auf „La Chute" von MARCH OF HEROES (Besprechung). Das BERSARIN QUARTETT macht auf „II“ (Besprechung) Lust auf Melodie. Weil KEIN ZWEITER kein zweites Album vorgelegt haben, beschäftigte sich andrewkorsch einfach mit dem ersten: „Muskeln und Kraft = Überlegenheit“ (Besprechung). Ins Land der Zahlen begeben sich auf der Compilation „My Adventures in Numb4erland“ (Besprechung) unter anderem TOCOTRONIC, ANTLERS MULM und DIAMANDA GALÁS. JOB KARMA verpassten SIEBEN auf dem Gemeinschaftswerk „Anthems Flesh" (Besprechung) eine elektronische Kur. Michael We. sprach mit MATT HOWDEN über Mozart und Bier (Interview), mit FEHLFARBEN über das neue Album (Interview) und mit ATOMTM über Kunstlieder und KRAFTWERK (Interview).
Antje M.M. für nonpop.de
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