Die Seite wird geladen... einen Moment bitte.
Roy L.

Militia :: Everything Is One

Spinoza meets Bakunin?


Militia :: Everything Is One
Genre: Neo - Klassik
Verlag: Tactical
Vertrieb: Tactical
Erscheinungsdatum:
13.09.2005
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: Steinklang...


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

"Everything is one" heißt das lang ersehnte neue Album der belgischen Öko-Anarchisten. Folglich habe ich mal wieder Spinoza's "Ethik" zur Hand genommen und auch wenn Frank Gorissen die Semantik des Begriffes "Universalismus" sicher in einem weitaus materielleren Sinne ausschöpfen mag als der niederländische Philosoph, so liegt doch ein Hauch jener pantheistischen "Substanz" in der Luft, die Spinoza mit sehr konsequenter Beweisführung und völlig rationalem Tonfall in seiner geometrischen Ordnung erklärte.
Für MILITIA knüpft diese allumfassende Aussage eigentlich nahtlos an ihre vorangegangene Proklamation "United we stand, divided we fall" an. Und trotzdem: ein wenig ist man von der doktrinären Anarchoagitation abgerückt, der ja auch immer ein gewisser Schäfchen-Kollektivismus anhaftete. Mit Schafen aber wollen MILITA nichts zu tun haben, "only sheep need a leader" wird einem schon zum Auftakt inbrünstig entgegengeschrieen. Etwas erschrocken war ich dabei über den orchestralen Klangumfang, der dem Tonwert, wie sich noch herausstellen sollte, nahezu durchgängig zu eigen ist und das musikalische Spektrum der Miliz um einige Stufen pompöser und sauberer erscheinen lässt. Nichtsdestotrotz sind es die kraftvollen Rhythmusorgien, die dem Hörer eindrucksschindend um die Ohren hauen, aus welchem Hause "Everything is one" stammt. Ein richtig mitreißendes Gernhörlied ist auch darunter - denn spätestens bei "They marked the path" wird es Zeit, die schwarze Flagge aus dem Schrank zu kramen und den Geistern von Bakunin und Kropotkin, den Gefallenen der CNT und allen anderen Märtyrern der anarchistischen Idee zu gedenken. Cécile Gonay's klassisches Violinenspiel überhöht die feierliche Stimmung dieses Stückes und zeichnet einen feinen Kontrast zum aggressiven Gesang und dem Donner der Metallperkussionen. Im Hintergrund schuften unermüdlich die neoklassischen Maschinen, die mitunter an bessere AUTOPSIA, aber vor allem an die "Pax Britannica" - Phase von TEST DEPT. erinnern. Die bewusst bereichernden Gastmusiker an Klarinette, Flügelhorn, Violine und für das fast schon folkig-maritime "The limitation of language" sogar Akkordeon hinterlassen zum ersten Mal subtile melodische Spuren im rhythmusbetonten Spiel der belgischen Industrialkapelle. All diese vermeintlichen Dualismen lösen sich für das ganze Album in einen harmonischen Wohlklang auf, denn es gelingt MILITIA auf musikalischem Wege dem Anspruch des absoluten Monismus gerecht zu werden.
Freilich wird es auf diesem Pfad auch möglich, größere Zusammenhänge zu transportieren. Nicht ohne Grund und Aussage scheinen sich westliche Kompositionsstrukturen mit den rituellen Rhythmen sogenannter "primitiver" Völker in einer anbrausenden Sinfonie zu vereinigen. Besonders "The new found dawn" exerziert diesen evokativen Charakter in außergewöhnlichen Maßen. Es beschwört eine Einheit, die tiefer geht als die irgendeiner Nation, irgendeiner Partei oder irgendeines Gesangsvereins, eine Einheit, die sich über höhere Ideale definiert als der Sprache, der Geschichte und Geographie. Zum titelgebenden Schlussakkord überrascht mich Gorissen mit dem Ausdruck des "new state of mind", der als Bewusstwerden der allgegenwärtigen Verbindungen der tatsächlichen anarchistischen Aktion vorausgeht. Ein Bewusstsein, das sich nicht außerhalb, sondern eins mit seinem natürlichen Rahmen fühlt. Also doch Spinoza? Nun, letztendlich habe ich den Eindruck, es kommt MILITIA auf ein sehr wichtiges Moment an, das keine noch so ausgeklügelte Philosophie wahrhaftig bedienen kann. Es geht hierbei um das Erkennen einer Notwendigkeit von einem rein emotionalen, menschlichen Standpunkt aus. Schließlich wird es immer eine individuelle, intuitive Erfahrung bleiben, sich als Bestandteil des Weltganzen mit sozialer und ökologischer Verantwortung wahrzunehmen und diese große All-Substanz innerlich wie äußerlich zu verspüren. "Everything is one" begleitet diesen Schritt als ein reifes, denkwürdiges Klangmanifest.


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Militia
» Tactical Recordings

Themenbezogene Artikel:
» Quintessenz: MILITIA
» MILITIA: New European Order

Themenbezogene Newsmeldungen:
» MILITIA: "'Power, Propaganda, Production!"

Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Fünf Jahre nach "The Black Flag Hoisted" präsentieren MILITIA kraftvoll sinfonische Ritualmusik, wie immer mit öko-anarchistischem Unterton. Ein meisterliches Werk in einem wenig ausgereizten Genre.

Inhalt
Only Sheep Need A Leader
New World View
The Fragment And The Whole
They Marked The Path
Vox Populi
The Nature Of It All
The Eco-Anarchic Solution
The Hidden Connection
The New Found Dawn
The Limitation Of Language
On Common Ground
The Relative Truth
Everything Is One

62min

tactics 07 | limitiert auf 1000 Kopien in 21 x 21 cm texturiertem Foldoutcover
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
militia
 
everything