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Endsal

SHIFT: Altamont Rising

"They don't suffer enough ..."


SHIFT: Altamont Rising
Genre: Power Electronics
Verlag: Cold...
Vertrieb: Cold Spring
Erscheinungsdatum:
28.03.2014 (LP) / 07.04.2014 (CD)
Medium: CD / LP
Preis: ~12,00 €
Kaufen bei: Cold Spring...


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Im Vergleich zu seinen älteren Werken bestechen die aktuelleren Emissionen des aus Schweden stammenden und seit einigen Jahren überwiegend von England aus operierenden PE-/Noise-Outfits SHIFT durch eine spürbar zunehmende Radikalisierung, ja, man möchte sagen: Brutalisierung des Sounds. Schälte sich ein typischer Track von SHIFT bislang in aller Regel langsam und gemächlich aus einem vielschichtig angelegten Noiseteppich heraus, um von dorther kommend mehr und mehr Konturschärfe zu gewinnen und sich schließlich qua – tendenziell jedoch eher im Hintergrund verbleibenden – Vocals als Power Electronics auszuweisen, so pflegt man spätestens seit der 2013er-Split-10'' "Full Weight Of The Opposition" mit HAL HUTCHINSON einen extrem aggressiven, dezidiert (kon-)frontal ausgerichteten Sound, der mit klar im Vordergrund stehenden und selbst für das PE-Genre außergewöhnlich intensiven, zornigen Vocals kombiniert wird. Dieser Kurs wird auf "Altamont Rising" beibehalten, ja mit Verve voran- und ins Extrem getrieben – wer SHIFT also früher noch als etwas unentschlossen innerhalb des weiten Noise-Feldes hin- und hernavigierendes, mal mehr, mal weniger PE-affines Projekt empfunden haben mag, wird mit diesem, an Stringenz und Konsequenz schwerlich zu überbietenden musikalischen Statement eines besseren belehrt: "Altamont Rising" steht im Zeichen maximaler Kompromisslosigkeit, ist Power Electronics at its finest und setzt – ja: Hier sind Superlative angebracht! – nicht weniger als Maßstäbe für das Genre insgesamt.

Laut LP-Insert möchte SHIFT, seines Zeichens übrigens auch Betreiber des UNREST-Labels, welchem wir die Vinyl-Version des vorliegenden Opus zu verdanken haben, das Album als "calibration of the cosmic equilibrium" verstanden wissen, was in Verbindung mit dem Titel freilich bereits ahnen macht, wohin die Reise geht. Auf den Seiten von COLD SPRING, wo die CD-Version erschienen ist, erfährt der interessierte Hörer zudem von drei Inspirationsquellen, die maßgeblich für "Altamont Rising" waren: Zu allererst – der Titel legt es nahe – das "Altamont Speedway Free Festival" von 1969, das – neben der causa Charles Manson – mit seinen insgesamt drei Todesopfern bekanntlich als Anfang vom Ende der Hippie-Bewegung gilt, sowie die Filme "Apocalypse Now" und "Walhalla Rising". Das ist zweifelsohne eine brisante Mischung, und so behandelt "Altamont Rising" grosso modo betrachtet Glanz und Elend menschlicher Hybris, die mit ihren Versuchen, im Namen glanzvoller Ideologien und Konzepte die Bedingungen bzw. die Bedingtheit der in die Natur eingebetteten, menschlichen Existenz zu ignorieren, ebenso heftige wie gewaltsame Rückschläge provoziert, welche die Dinge wieder ins angemessene (kosmische) Gleichgewicht zurückversetzen. Zu dieser Rekalibrierung will das vorliegende Album seinen bescheidenen, nichtsdestoweniger überaus effektiven Beitrag leisten. – An dieser Stelle fühlt sich der Rezensent an ein Bonmot seines Vaters erinnert, der angesichts der Mannigfaltigkeit weltlicher Dekadenzerscheinungen gerne zu sagen pflegte: "Den Leuten geht es viel zu gut. Die brauchen einen Krieg, um wieder auf den Teppich zu kommen." Und in eben jene Kerbe schlägt auch das vorliegende Album, was sein inoffizieller Untertitel (der übrigens auch auf dem, die Veröffentlichung flankierenden T-Shirt prangt), "They don't suffer enough", noch einmal nachhaltig unterstreicht.

Die Tragödie von Altamont läutete den Beginn des langen Abschieds von jener "Friede-Freude-Eierkuchen"-Ideologie ein, die das US-amerikanische Hippietum bis zu eben jenem 6. Dezember 1969 bar jedes kritischen Bewusstseins, dafür jedoch voll diktatorischen Sendungsbewusstseins propagierte. Nach der brutalen Zäsur, die auf manchen Zeitzeugen beinahe traumatisch wirkte, war es an der Zeit, schmerzlich einzusehen, dass "Love, Peace & Harmony" eben nur eine Hälfte der Existenz ausmachen – und die hartnäckige Leugnung des Gegenpols nichts, aber auch gar nichts an dessen, nicht minder virulenter Existenz ändert. Eine zeitgenössische Analogie zu solch trügerischer Heilsbotschaft sieht SHIFT in jener Gleichheits-Doktrin unserer Tage, die seitens staatlicher Institutionen mit missionarischem Eifer und totalitärer Wucht in der Gesellschaft etabliert werden soll: Es wird die prinzipielle Gleichheit aller möglichen weltanschaulichen Konzepte, Dogmen, Überzeugungen und Werte propagiert, die zwar durch empirische Prüfung Lügen gestraft, ungeachtet ihres destruktiven Effektes aber dennoch zur ultima ratio erklärt wird. Auch hier, so darf man die Botschaft wohl verstehen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis jener, hier symbolisch durch Altamont repräsentierte Scheitelpunkt erreicht ist, an dem der Prozess in die entgegengesetzte, destruktive Richtung umschlägt. Zitat SHIFT: "So that is what Altamont Rising is about: how the constant invention and reinvention of the idea of creating paradise on earth become oppressive and end in failure."

Die LP-Version listet drei Titel auf der A- ("Rising") und vier auf der B-Seite ("Falling"), faktisch hat es der Hörer jedoch mit zwei durchgehenden Tracks von jeweils knapp zwanzigminütiger Dauer zu tun, wobei die Übergänge zwischen den einzelnen aufgeführten Titeln mal mehr, mal weniger deutlich wahrnehmbar sind. Der Sound ist, wie bereits angesprochen, harsch, brutal und bratzig und brettert mit dem Stakkato einer veritablen Stalinorgel schlichtweg alles erbarmungslos nieder, was lebt oder zappelt; die Vocals atmen, oder besser: schnaufen misanthropische Verachtung und nihilistischen Zorn mit einer imperativischen Erbarmungslosigkeit, wie sie dem Rezensenten schon lange nicht mehr auf einem Tonträger untergekommen ist. Hinsichtlich der Lyrics können derzeit leider nur Vermutungen anstellt werden, da die hermeneutische Dimension der Texte der performativen ihres Vortrages, wie im Genre üblich, untergeordnet wurde und das Fehlen einer Textbeilage laut SHIFT nicht nur intendierter Teil des künstlerischen Gesamtkonzeptes ist, sondern überdies auch noch eine pädagogische Funktion erfüllt, dem Hörer nämlich den nötigen Fleiß sowie die nötige Ausdauer und Konzentration abzuringen, sich die Texte in Eigenarbeit dennoch anzueignen. Ob dieser fromme Wunsch angesichts des hinreißend hassigen, durch den akustischen Fleischwolf gedrehten, demgemäß aber zumeist bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gezeters, das zur Darbietung kommt, Chancen auf Erfüllung hat, mag zumindest zaghaft bezweifelt werden, ändert jedoch kein Jota an der überschäumenden Begeisterung, die "Altamont Rising" bei jedem Kenner & Genießer der Materie hervorzurufen wissen dürfte. Als absolutes Highlight und unumstrittener "Hit" der Platte darf wohl die – wenn man's denn so bezeichnen will – "Coverversion" des Rolling Stones-Stücks "Gimme Shelter" (der berühmte Dokumentarfilm von 1970, der sich den Vorgängen während des Altamont Musikfestivals widmet, heißt bekanntlich ebenso) gelten; ein Titel, von dem freilich kaum mehr als der Refrain – wir erinnern uns: "War, children, is just a shot away, is just a shot away ..." – fürs entscheidende "Wieder-erkennen" sorgt, der in der vorliegenden, brachialen Umdeutung inklusive Unterlegung durch Originalaufnahmen des Festivalpublikums jedoch ausgesprochen unbehagliche Assoziationsketten generiert.

Langer Rede kurzer Sinn: "Altamont Rising" ist von einer Radikalität, Konsequenz und Intensität, wie man sie schon lange nicht mehr in Form eines Tonträgers serviert bekam. Hier war bzw. ist jemand am Werke, der die Faxen dicke und Kompromisse satt hat – das Ergebnis aber ist nicht weniger als absolut grandios und kann jetzt schon mit einiger Berechtigung als hoffnungsfroher Anwärter auf die PE-Veröffentlichung des Jahres 2014 gelten. – Sollten sich die für die Wiederherstellung des kosmischen Gleichgewichtes notwendigen Mittel prinzipiell dergestalt grandios anhören, so möchte man entschlossen die Arme emporrecken und voller Inbrunst rufen: "They don't suffer enough? - So make them, make US suffer MORE!"

 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» SHIFT-Homepage
» SHIFT @ discogs
» Altamont Rising @ Cold Spring
» UNREST Productions-Homepage
» UNREST Productions @ bandcamp
» UNREST Productions @ SoundCloud

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» ANTIGEN SHIFT: The Way Of The North


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Zusammenfassung
Der ohnehin harsche PE-Sound von SHIFT wird mit diesem rundum grandiosen Album auf die brutalstmöglich erbarmungs- und kompromisslose Spitze getrieben und setzt dergestalt Maßstäbe. Hier wird die Quintessenz des Genres ebenso radikal wie stilsicher zelebriert. - Empfehlung!

Inhalt
A - "Rising"
A1: Circling Raptor
A2: They Don't Suffer Enough
A3: The Raptors Talons Tore Their Flesh I

B - "Falling"
B1: Shelter
B2: Rising
B3: The Raptors Talons Tore Their Flesh II
B4: The Greatest Ecstasy
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