Und wieder eine Wiederveröffentlichung aus dem Hause PROPHECY. Nachdem sich HEKATE nach Jahren im Untergrund mit der CD „Sonnentanz“ und den dazugehörigen furiosen Konzerten um das Jahr 2000 an die Spitze der deutschen Neofolk-Szene spielten, legten sie zur Tour mit den musikalischen und persönlichen Freunden von ORDO ROSARIUS EQUILIBRIO noch einmal nach und brachten vorliegende „Tempeltänze“ heraus, die man, aufgrund der Länge von rund 35 Minuten jedoch eher als EP denn als Album bewerten muss. Nach einem kurzen sphärischen Intro geht es direkt zum ersten Höhepunkt der CD: „Tempeltanz I“ ist eine mitreißende Mischung aus Neofolk und Mittelalter und besticht durch den gemeinsamen Gesang von AXEL MENZ und SUSANNE GROSCHE; das an FIDUS angelegte Stück behandelt dessen Tempelkunst und folgt auch ansonsten dem Fidusschen Schema der Synthese von Ideal und Kitsch – was in Wort und Musik gleichermaßen gelingt. Für mich zählt „Tempeltanz“ zu den besten HEKATE-Stücken, da hier die Stärken der Band voll ausgespielt werden können: Die textliche Anlehnung an die Kunst der Lebensreform und des Bundes, der deutsch gehaltene männlich-weibliche Wechsel- und Chorgesang, ergreifende Melodien und hymnische Trommeln. Das folgende „Melancholy“ ist eine von SUSANNE gesungene Ballade, die, dem Titel entsprechend, traurig und verzweifelt wirkt; eine Stimmung, die durch das tiefe Cello noch verstärkt wird. Musikalisch sehr dicht und stimmig, mit sehr schönen Melodiebögen. Bei „Henry M. - A Wild Dream“ erklingt gleich zu Beginn ein Geigenspiel, das man unschwer als das von MATT HOWDEN erkennt. Bei der musikalischen Reise in das Paris von HENRY MILLER erklingt auch stilecht ein Akkordeon. Ungleich zu den Liveauftritten sind die Trommeln hier dezent im Hintergrund, was gerade Stücken wie „Melancholy“ oder eben „Henry M.“ zugute kommt. „Il tempo di lupi“, leider mit einem kleinen Rechtschreibfehler auf der CD versehen, kommt als experimentelles und perkussives Stück daher; die wahren Möglichkeiten des Stücks offenbaren sich jedoch bei den Liveauftritten – derartige Trommeln auf CD zu bannen, ist nahezu unmöglich. „Ich hab die Nacht geträumet“ von ZARNACK wird wunderbar fragil vertont; auch hier zeigt sich wieder, dass HEKATE ihre größten Momente dann haben, wenn sie die deutsche Sprache nutzen. Hier kann man Bedauern, dass die Kombination von ESTHER KAZDAs Harfenspiel und SUSANNEs Gesang nicht häufiger genutzt wurde. „Mithras Garden“ beginnt mit einer verträumten Flöte und Vogelzwitschern, das dann von einem Dudelsack und einer Snare abgelöst wird. Mittelalter und Military-Drumming treffen aufeinander, was offenbar gut funktioniert, auch – um die Kritik zu wiederholen – wenn ich der Meinung bin, dass es noch besser funktioniert hätte, wenn AXEL die gesprochenen Passagen auf Deutsch vorgetragen hätte. Der offizielle Teil endet dann mit dem instrumentalen „Tempeltanz II“, bei dem sich elektronische Flächen, Beats und echte perkussive Elemente begegnen. Wie es sich für eine Wiederveröffentlichung gehört, ist auch hier ein Bonusstück vorhanden, welches aber leider nicht auf der Trackliste verzeichnet ist. Das ist umso bedauerlicher, da es sich um eine Vertonung des bündischen Liedes „Im Morgennebel schwimmen Tal und Wälder“ handelt, das vom Cellisten JOHANNES BERND vorgetragen wird und das dadurch eine ganz eigene Stimmung hat. Dieses Stück macht den Kauf der „Tempeltänze“ dann auch für jene interessant, die schon das Original besitzen. Insgesamt eine sehr gute CD, die man zweifelsohne als qualitativ ebenbürtigen Nachschlag zur „Sonnentanz“-CD betrachten muss. Als die CD 2001 erschien, stießen sich manche Neofolk-Puristen an der teils mittelalterlichen Instrumentierung der Band und warfen ihr demzufolge wahlweise Orientierungslosigkeit oder Anbiederei an verschiedene Szenen vor. Einen derart engstirnigen Verweis kann man aber nicht ernsthaft gelten lassen, zumal HEKATE niemals Vertreter des typischen Neofolks – ein Mann und seine Gitarre – waren. Gerade durch die vielschichtige Instrumentierung eröffneten sich auf „Sonnentanz“ und „Tempeltänze“ Klangbilder, die weit über Genregrenzen hinausgingen. Und im Gegensatz zu vielen Bands, die derartiges für sich reklamieren, sind HEKATE, die tatsächlich im bündischen Wurzeln, mit diesem Erbe immer sorgsam und erfreulich unplakativ umgegangen. Schön ebenso das Cover, das eine Schwarzweißaufnahme einer Schiffssetzung in Dänemark zeigt.
Thomas L. für nonpop.de
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