VARIOUS: With Friends Like These (TURSA)

Falsch machen kann man bei diesem Sampler schon mal überhaupt nichts. 40 Songs auf zwei CDs aus dem TURSA-Umfeld, und das für den Preis von rund 15 Euro – was soll da schiefgehen? "With Friends Like These ..." ist die 100ste Veröffentlichung von TONY WAKEFORDs Label, eine kleine Party für den Fan gewissermaßen, die überwiegend als gelungen gelten darf. Wie die 'Freunde' im Titel schon verraten, sind auf dem Doppelalbum nicht nur reine TURSA-Acts vertreten, sondern viele weitere Bands aus dem Umfeld des SOL INVICTUS-Gründers. Der Londoner Veranstalter und Promoter KAPARTE RECORDINGS etwa, der für viele Nebenprojekte von WAKEFORD Konzerte ausrichtet und in London die "Ship Of Fools"-Nächte (mit NAEVUS, ANDREW KING etc.) betreut, hat ebenfalls seine Kontakte spielen lassen und einige Künstler mit ins Boot geholt.
Viele der Stücke sind – so weit ich das überblicken kann – exklusiv, zum Beispiel die beiden, welche der Chef selbst beigesteuert hat. Andere wurden in veränderter Form, als Demo oder Remix zur Verfügung gestellt, manche stammen aus den zukünftigen, noch nicht veröffentlichten Alben der Künstler. Nur eine Handvoll Songs sind also schon älter, was bei dieser Menge an Beiträgen eine schöne Sache ist. Im mehrseitigen Booklet stehen die Basisdaten zu den jeweiligen Liedern.

Die Eröffnung übernimmt WAKEFORD, und das nicht ohne Grund: Sein "Night Forever" (unreleased, oder täusche ich mich da?) liefert die Grundstimmung für den gesamten Sampler: "From now on, it's night forever ...", singt er traurig und verloren. Wieder mal geht es um einen Mörder, der sein Unwesen treibt, die Welt ist düster und eher hoffnungslos. Der Track erinnert sehr an das "Into The Woods"-Album (NONPOP-Besprechung), zumal WAKEFORD auch hier von KRIS FORCE (AMBER ASYLUM) unterstützt wird, zunächst nur im Refrain, später komplett im Zweigesang. Ein ungutes Zirpen und Knirschen im Hintergrund rundet diesen würdigen Opener ab. Wehmütig, aber noch auf eine romantische Art und Weise geht es weiter mit Heavenly Voices, Geige und Akustikgitarre (AUTUMN GRIEVE), dagegen schon schwermütig und triefend vor Heimweh sind die Italiener von ALBIREION.
Vor dem ersten großen Knaller: einige eher belanglose Instrumentals (was übrigens für die meisten der rein instrumentalen Titel gilt) und ein bisschen Ethno-Folk. Dann CUTTY SARK, ein Projekt des kaum bekannten, britischen Keyboarders ARTHUR SHAW, der auf dem NAEVUS-Album "Relatively Close To The Sea" (NONPOP-Besprechung) schon für einen Track in die Tasten gegriffen hatte. Nun revanchiert sich LLOYD JAMES und übernimmt hier die Vocals. Wie immer rezitiert er seine Lyrics dermaßen eindringlich, dass es eine Wucht ist. Nachdenklich philosophiert er über Dunkelheit und Zerstörung, vorangetrieben von Kastagnetten und regelmäßig aus dem Takt geratenden Marschtrommeln. Ein düsteres Stück Industrial-Wave, eines der besten Lieder der Doppel-CD. Weitere Überraschungen: ANDREW KING und sein Traditional auf einem Noiseteppich, THE HARE & THE MOON mit schleppendem, keuchenden Wüstenrock und DIJ-Stimme, EVA EDEN mit avantgardistischem Todesgeflüster zu wavigen Synthies und romantischer Harfe und, zum Abschluss, die deutschen HEKATE mit einer modernen Stammeshymne in verschiedenen Sprachen zu  schamanischem Getrommel.

Die zweite CD startet mit einem weiteren, starken Projekt unter Beteiligung des umtriebigen LLOYD JAMES: MAN EAT MAN EAT MAN liefern ein druckvolles Stück – mit wiederum eindringlichen Lyrics – zwischen Wave und Rock. MATT HOWDEN steuert mit "Sacrifice Content" einen Remix aus dem jüngsten SIEBEN-Album bei, hier statt des druckvollen Originals als zarte Ballade, noch eindringlicher, reiner. ARCANA, um einen weiteren prominenten Vertreter zu nennen, nehmen leider mit einem eher schwächeren, durchscheinenden Song teil. Höhepunkte dieser 'Seite': HIDE & SEEK, deren Stück sehr puristisch instrumentiert ist, mit einem einzigen Synthiesound plus Flöte ausgestattet; zu spüren ist der Zauber vergangener Welten, und die twangende Gitarre am Ende verleiht auf eine kabarettistische Art und Weise zusätzlich Theatralik. Einige Songs dieses Abschnitts erinnern ohnehin an Kabarett und Revue, etwa die leicht hysterisch wirkende, weibliche Singer / Songwriter-Variante von VEGA. NAEVUS sind typisch und gut, die kreisenden Gedanken von LLOYD JAMES in die tiefe, eindringliche Stimme gepackt, irgendwo zwischen Shanty und Folkrock. Mit AMBER ASYLUM hat KRIS FORCE einen weiteren Auftritt, flehentlich, verhuscht und wunderbar einfach ist der Gitarren- und Geigensong. WHILE ANGELS WATCH sind gewohnt dramatisch, kurz vor dem Abgrund mit der markanten Stimme von DEV, Filmmusik für die Apokalypse. Und am Ende steht wieder WAKEFORD: Das exklusive Stück "Bedlam" von ORCHESTRA NOIR ist intensive Kammermusik, die Stimme vom Chef ganz klar und tonsicher, im Hintergrund opernhafter Frauengesang, zum Schwelgen in Melancholie.

Meine Titelauswahl ist natürlich subjektiv und berücksichtigt bei weitem nicht alle Künstler. Es sind in der Regel die Titel, die mir gleich beim ersten Mal auffielen. CD 2 hat zwar die stärkeren Einzeltitel, scheint mir insgesamt aber einen Tick schwächer, wirkt eher wie ein 'Sammelsurium'. Die erste Scheibe besticht durch ihre gleichbleibend starke, elegische Stimmung. Insgesamt viele überdurchschnittliche Lieder und nur wenige Ausfälle. Dieser Sampler, übrigens mit einem Artwork von dem ebenfalls vertretenen TOR LUNDVALL, ist ein ganz klarer Kauftipp. Happy Birthday, TURSA!

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