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Markus K.

CRANES: Cranes


CRANES: Cranes
Genre: Sonstige
Verlag: Dadaphonic
Medium: CD / LP
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Frisch erschienen ist das neue Album der CRANES aus Portsmouth, mittlerweile (Je nach Zählweise – abhängig davon, ob man „Self-Non-Self“ und „La Tragedie d' Oreste et Electre“ als Vollzeit-Bandalben mitrechnet.) das siebente (bzw. neunte) Album in über 20 Jahren. Ein paar einführende Worte zu dieser Band dürften von Nutzen sein, denn die Zeiten, in denen ihnen größere Aufmerksamkeit (zumindest vonseiten der Wave- oder Shoegaze-Szene) zuteil wurde, sind nun schon sehr lange vorbei.
Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre waren die CRANES hauptsächlich bei Freunden von THE CURE (und ähnlichen Bands) in aller Munde, weil sie als Vorband von THE CURE mehrere komplette Tourneen bestritten hatten, und von ROBERT SMITH immer wieder ausgiebig und enthusiastisch gepriesen wurden. Dabei hatten die CRANES musikalisch seit jeher eher wenig mit THE CURE (und besonders wenig mit THE CURE, wie sie sich Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre darstellten) gemein. Waren frühe Veröffentlichungen (die Kassette „Fuse“, „Self-Non-Self“, teilweise auch „Wings of Joy“) noch von harschen, brutalen Rhythmen und Disharmonien geprägt (was teilweise eher an die frühen SWANS oder auch THE BIRTHDAY PARTY erinnerte, denn an THE CURE), so wurden die Alben mit den Jahren zunehmend songorientiert und melodischer. Auf den drei besten Alben der Band, „Wings of Joy“, „Forever“ und „Loved“, wurden diese beiden Seiten der Band perfekt verbunden, wobei die sanfteren Lieder mit ihren verwaschenen Gitarrenschichten teilweise auch recht deutliche Parallelen zum damals auf der Insel recht populären „Shoegaze“ aufwiesen. Gemeinsames Markenzeichen dieser drei Platten war die traurige und wehmütige Grundstimmung, die ausnahmslos alle Lieder wie ein roter Faden durchzog und zusammenhielt, und die den CRANES zwar eine treue Stammhörerschaft in den alternativen Musikszenen (vor allem bei Wavern und "Shoegazern") sicherte, ihnen aber auch den großen kommerziellen Durchbruch verwehrte. Mit „Population Four“ kam dann – folgerichtig, möchte man zynischerweise sagen– 1997 der Sündenfall, denn das Album bot größtenteils lediglich zahnlosen Easy-Listening-Mainstream-Rock, stieß die alten Fans vor den Kopf, und war dennoch ein kommerzieller Flop. Darauf schien es, als löse sich die Band auf, in Wirklichkeit aber verließen nur zwei langjährige Mitglieder die Band, während die Bandgründer und Halbgeschwister ALISON und JIM SHAW das Projekt zumindest offiziell nicht beerdigten. Nach einigen Jahren Funkstille brachten die CRANES dann 2001 in neuer Besetzung das überraschend gute „Future Songs“-Album heraus, das wesentlich minimalistischer und akustischer instrumentiert war als die Vorgänger und sich stilistisch irgendwo zwischen Folk, Ambient, und dem guten alten Shoegaze einordnen lässt (Hier gibt es gewisse Parallelen zu "Pygmalion" von SLOWDIVE.). Die Nachfolger von "Future Songs" sind das 2004 erschienene „Particles and Waves“ und nun eben "Cranes".
Man kann die CRANES nicht beschreiben, ohne die Stimme von Alison Shaw zu erwähnen. Ihr schüchterner Kleinmädchengesang war und ist seit jeher das Markenzeichen der Band, und wie so oft bei „delikaten“ Frauenstimmen scheiden sich auch hier die Geister: Die Reaktionen reichen von abgöttischer Verehrung bis hin zu tiefer Abscheu. Auch 2008 klingt, dies sei vorweg angemerkt, Alison Shaw noch immer wie eine neurotische Fünfjährige, die man tagelang allein in einen dunklen Raum gesperrt hat ("like a baby trapped in a toybox" ist ein womöglich noch treffenderer Vergleich aus einer alten Rezension von "Wings of Joy"). Allein schon aus diesem Grund ist ein Probehören unbedingt erforderlich, denn nur wer sich für dieses Organ begeistern kann, wird einen Zugang zu den CRANES finden.
Nun aber zum neuen Album, an das die Erwartungen der eingefleischten Fans recht niedrig waren – zu verhalten und seicht hatte sich, bis auf wenige Ausnahmen, der Vorgänger „Particles and Waves“, präsentiert. Der Rückzug der CRANES in akustische, minimalistische Gefilde, und der damit verbundene (fast gänzliche) Abschied von schwermütigen, bedrückenden Klängen und Melodien hatte, obschon gänzlich unkommerziell und in gewisser Hinsicht sympathisch, den entscheidenden Nachteil, dass Alison Shaws Stimme mit den teilweise sogar jazzigen Kompositionen nicht mehr recht zusammenstimmen mochte, und so war der Gesamteindruck von „Particles and Waves“ schlussendlich nicht nur zu harmlos, sondern auch seltsam unentschlossen und unstimmig. Die Skepsis, dass „Cranes“ diesen Trend fortsetzen oder sogar noch verstärken würde, war angesichts der Vorabinfos zur Länge der Lieder (kaum ein Titel länger als dreieinhalb Minuten) und einzelnen Hörproben groß.
Diese geringe Erwartungshaltung übertrifft „Cranes“ deutlich, ohne dabei vollständig zu überzeugen. Der Opener „Diorama“ reduziert sich auf eineinhalb Minuten nerviges Ambientgedudel wie es die Welt nicht braucht. Darauf folgt mit „Worlds“ das erste richtige Stück. Zu schwebenden Keyboardteppichen bietet Alison Shaw ihr zögerndes, verschüchtertes Gehauche dar – einfach herrlich, wenn man es denn mag (und diese Tautologie ist hier beabsichtigt). Nach einer Weile wird es etwas flotter, und Akustikgitarren sowie (sehr unaufdringliches) Schlagwerk tragen die nette Melodie fort. Ein erster recht guter Song, der den „entspannten“ Stil von „Particles und Wave“ zwar größtenteils aufgreift, aber von der Qualität her einfach besser ist als 80% der auf dem Vorgänger enthaltenen Lieder. „Worlds“ klingt aus zu sphärischen Synthies, und weiter geht es mit „Feathers“, das leider den Standard von "Worlds" nicht aufrechterhalten kann; zu belanglos sind Melodie und Rhythmus, und Alisons Gesang wirkt dazu etwas nervig. So fühlt man sich spätestens jetzt wieder an all das erinnert, was an "Particles and Waves" so übel aufstieß.
Nach "Feathers" aber geht es stetig aufwärts, denn die nächsten vier Lieder bieten in puncto Intensität und Melancholie mehr als nahezu alles, was man von den CRANES in den vergangenen Jahren gehört hat. „Wires“ bricht nach zwei Minuten mit der entspannten Grundhaltung und zu leicht verstörten Gitarren tut Alison dann auch zum Schluss des Liedes das, was alle ihre Fans von ihr verlangen: nämlich (wenn auch nur für ein paar Sekunden) nach Herzenslust jammern. Schade nur, dass der Titel nach nicht einmal vier Minuten gerade dann recht abrupt abbricht, wenn man das Gefühl hat, es ginge jetzt gerade erst los – hier hätte eine Weiterführung des Schlussthemas die Spannung für noch mindestens ein, zwei Minuten aufrecht erhalten können. Dennoch, ein interessantes Stück, vor allem dank des Stimmungswechsels im Mittelteil. Und es geht gut weiter, denn das französisch intonierte „Panorama“ weiß vollends zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der ambientartigen Keyboards sorgen leicht bedrohlich wirkende Gitarrenakkorde dafür, dass es keinen Rückfall in die alten „Entspannungsmuster“ gibt; und dass Alisons Gehauche auf französisch besonders entrückt und verstörend klingt, weiß man seit ihrer Vertonung von Sartres „Die Fliegen“. „Wonderful Things“ ist dann der bisherige Höhepunkt des Albums. Hier geht es einmal (fast) ganz ohne Synthesizer zu – stattdessen wird von zwei Gitarrenstimmen eine melancholische Folk(?)-Ballade gesponnen, zu der Alison die gerade in der Mitte des Lebens bedeutsamen Fragen stellt: Was ist noch zu erwarten? Sind die entscheidenden Fehler schon gemacht worden? Zum Schluss darf sie dann wieder aus vollem Herzen jammern und klagen – wunderschön.
Als siebentes Lied folgt „Collecting Stones“, und hier reißt es den Freund der „alten“ CRANES vor Verzückung fast von seinem Sitz. Um noch einmal THE CURE ins Spiel zu bringen: Wer hätte gedacht, dass Smith und Co. nach Jahrzehnten seichtester Popmusik, und Verbrechen wie „Friday I’m in Love“, noch einmal ein Stück wie „Anniversary“ hinbekommen würden, das es in puncto Intensität und Schwermut mit Klassikern wie „M“ oder „Strange Day“ (nahezu) aufnehmen kann? Und so fühlt man sich auch beim Hören von „Collecting Stones“ gänzlich unverhofft an die ganz großen Momente der CRANES erinnert, an unerreicht traurige Perlen wie „Beautiful Friend“, „Golden“, „Adoration“ oder „Leave Her To Heaven II“. Zu einer monoton-bedrückenden Melodie klagt Alison wie zu besten Zeiten über ihre Orientierungslosigkeit und ihre Verluste. Definitiv das beste Lied, dass die CRANES seit dem großartigen „Sunrise“ (auf „Future Songs“) geschrieben haben.
Leider, leider ist es mit der Herrlichkeit dann aber auch schon vorbei, denn die verbleibenden vier Stücke bieten, um es kurz zu machen, nichts Besonderes mehr. Nach der Offenbarung von „Collecting Stones“ klingt „Invisible“ geradezu scheußlich banal, bei „Move Along“ nervt nicht nur die belanglose Grundstimmung, sondern auch Alison mit ihrem „oh oh yeah yeah“. „Sleepwalking“ ist ein netter, aber letztendlich überflüssiger Ambient-Geräuschteppich. Der letzte Song, „High And Low“, ist zu fröhlich, hat aber immerhin einen gewissen Wiedererkennungswert und Charakter, erinnert insgesamt ein wenig an die Easy-Listening-Stücke der COCTEAU TWINS.
Eine abschließende Bewertung des Albums muss in Rechnung stellen, dass rund fünf der elf Stücke auf „Cranes“ ziemlich belanglos und überflüssig wirken. Folgerichtig handelt es sich bei „Cranes“ also um eine bestenfalls leicht überdurchschnittliche Platte. Dass zumindest der fanatische CRANES-Hörer mit einem sehr positiven Gesamteindruck zurückbleibt, dürfte daran liegen, dass über die Hälfte der Stücke die geringe Erwartungshaltung teilweise sehr deutlich übertroffen haben, dazu mit „Collecting Stones“ ein absolutes Meisterwerk dabei ist, das den alten geliebten Klassikern in nichts nachsteht. Freunden der CRANES und von Alison Shaws Stimme sei die Platte daher empfohlen. All diejenigen, die die CRANES noch nicht kennen, sich aber für sehr ungewöhnliche und delikate Frauenstimmen, sowie für eine musikalischen Mischung aus Folk, Ambient, Krautrock und Shoegaze (oder so ungefähr...) begeistern könn(t)en, sollten ruhig einmal in "Cranes" reinhören; als Anspieltipps eignen sich „Panorama“, „Wonderful Things“ und „Collecting Stones“. Referenzwerke der CRANES bleiben bis auf weiteres (und mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ewig) die großen Drei („Wings Of Joy“, „Forever“, „Loved“); „Cranes“ reiht sich mit deutlichem Abstand hinter diesen sowie hinter „Future Songs“, aber vor „Particles and Waves“ und „Population Four“ ein.

 
Markus K. für nonpop.de


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» CRANES


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Zusammenfassung
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Inhalt
1. Diorama
2. Worlds
3. Feathers
4. Wires
5. Panorama
6. Wonderful Things
7. Collecting Stones
8. Invisible
9. Move Along
10. Sleepwalking
11. High And Low
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