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Dominik T.

WERTHAM u. HATEKOD

Now it's time to pay the price of regression!


WERTHAM u. HATEKOD
Genre: Power Electronics
Verlag: L.White Rec.
Erstellt: 17.10.2007
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Das Genre "Power Electronics" kennt naturgemäß kaum bis gar keine Innovation oder Entwicklung, immer geht es darum, mittels harscher Noise-Elemente, Samples, aggressiven, verzerrten  Schreigesangs, Beats eine möglichst beklemmende Stimmung heraufzubeschwören. Entscheidend hierbei ist aber niemals das Hörbare allein, Power Electronics versteht sich vielmehr auch als Träger "provozierender" Botschaften. Der Hörer soll mit Sachverhalten konfrontiert werden, die, zumindest der Idee nach, abstoßen oder wenigstens unbehaglich stimmen. Traditionell trennen sich dann hier die Wege der Rezeption. Die einen befinden die intendierte Schockwirkung nur dann als legitim, wenn sie der "höheren Absicht" dient, über einen Missstand aufzuklären, also "kritisch" ist, andere sind da zynischer, beziehen stärker die eigene Lust an dieser Konfrontationsform mit ein, für sie ist das Konfrontative dann eher ein Auskosten und Ausloten aggressiven Gebarens. "Power Electronics" kann so zu  einer bloßen Zurschaustellung einer zynischen Haltung werden oder sogar schon selbst Träger eines Gedankengebäudes sein, das den "Provokateuren" im Selbstbild als besonders "tough" gilt.  Zu kritisieren ist da eigentlich gar nichts dran, es muss einem eben nur klar sein, dass sich so diese "Konfrontationsmusik" etwas ad absurdum führt, weil sie ja dann eingestandenermaßen nur für den überschaubaren Kreis produziert wird, der an dieser "Angstlust" Freude im Sinne puren Entertainments hat, da bleibt dann nicht viel an echter "Konfrontation" übrig, aber war es je anders?
Das Berliner Label L.WHITE widmet sich jedenfalls schon seit Jahren unverzagt diesen Power Electronics-Projekten (verdienstvoll vor allem ihre "Consumer Electronics"-Veranstaltungsreihe), und nun haben sie, neben einer Reihe weiterer Veröffentlichungen, ein bisher unbekanntes, französisches Projekt aus dem Genre namens HATEKOD in den überschaubaren, weltweiten Kreis der Konsumenten eingeführt und mit WERTHAM aus Italien auch neues Material eines bereits etablierten Genre-Projekts auf den Markt geworfen, beides in Form handlicher, kleiner Mini-CDs.

HATEKOD "Death To Democracy" (Mini-CD, L.White-Rec., 2007)

HATEKODs marktschreierisch, plakativ und einprägsam betiteltes "Death To Democracy"-Werk geht dann auch gleich genretypisch in die Vollen, massive Zahnarztbohrergeräusche mischen sich mit dunkel brodelnden Death Ambient-Klangflächen und einer ungewöhnlich kontrollierten Stimme, die mehr vortragend ist, als dass sie schreit, so zumindest im ersten, "Germ Of Decadence" betitelten Stück. In den folgenden drei Nummern kommt dann die genretypische, verzerrte Stimme zum Einsatz. Der Wiedererkennungswert dieser Franzosen ist nicht allzu berauschend, es lässt sich aber sagen, dass man alles in allem eher "teutonisch" vorgeht, also wenig von einer frankophonen Tradition zu hören ist, sollte man, destilliert aus solchen Projekten wie  LA  NOMENKLATUR  (damals) bis  PROPERGOL  (heute)  so eine überhaupt annehmen wollen. Die 20 Minuten Spielzeit bleiben insgesamt im tieftönenden Bereich, hohe Sequenzen Fehlanzeige, ebenso rhythmusbetonende Beats, alles bleibt im Bereich jener massiven,  aber noch heranrollenden, erdrückenden Klangflächen angesiedelt. Eine trostlose Angelegenheit ohne "auflockernde" Samples, jedoch atmosphärisch gelungen und vom Aggressionslevel her durchaus beeindruckend. Als Referenz könnte so etwas wie GIFT dienen, das Soloprojekt des OPERATION CLEANSWEEP-Shouters ("Shoa", 7" Vinyl, STEINKLANG INDUSTRIES), oder vielleicht auch das (vermutlich aufgelöste) CMI-Projekt IRON JUSTICE. Wer beides nicht kennt oder schon wieder vergessen hat, wird auch HATEKOD nicht unbedingt brauchen, soll heißen: "Death To Democracy" ist ein gelungener Einstand eines neuen Projekts, aber nur denen zu empfehlen, die grundsätzlich wissen wollen, was es in diesem, wenig Entwicklung kennenden Extrem-Bereich so Neues gibt.  Was die "Botschaft" betrifft: Naja, sie lohnt des Nachdenkens nicht: "Kill Z.O.G." heißt die dritte Nummer, letztendliche "Agenda" ließe sich aber allgemein mit "misanthropisch sein" besser beschreiben, gerade in Frankreich gibt es hier ja auch, was diese Art von "Auftritt" betrifft, Parallelen im Black Metal -Bereich, man denke da  an  AD HOMINEM.  Es wäre auch ganz und gar nicht überraschend, wenn HATEKOD in diesem Umfeld seine Wurzeln hätte.

WERTHAM: "Body Jigsaw" (Mini-CD, L.White-Rec., 2007)

WERTHAM (benannt nach DR. FREDRIC WERTHAM, dem Comics-Kritiker) dürfte den Genre-Freunden bekannt sein, es ist natürlich das Projekt des Italieners MARCO DEPLANO, der ja auch mit dem WKN-Projekt FORESTA DI FERRO eine gewisse Bekanntheit genießt und sowieso schon seit Jahren unermüdlich im Dreieck zwischen AIN SOPH, OSTARA und GREY WOLVES hin und herspringt und "kulturell-terroristisch" informiert. WERTHAM gibt es seit 1994, dennoch ist die Discographie gerade für ein Projekt dieses Genres nicht allzu lang. 2007 scheint er jedoch WERTHAM wieder stärker in Stellung bringen zu wollen, zumal er nun auch verstärkt von z.B. TREVOR (CAMERATA MEDIOLANENSE, NORTHGATE) unterstützt wird.  "Body Jigsaw" ist dann auch schon die zweite Veröffentlichung in diesem Jahr, vorher erschien bereits bei MISANTHROPE STUDIO die empfehlenswerte Mini-CD "Anticitizen".
"Body Jigsaw" ist entweder als Ganzes oder nur in Form des letzten und interessantesten Stücks dieser 20-minütigen Mini-Veröffentlichung inspiriert von der angeblich blutigsten Novelle des japanischen Kriminalschriftstellers RAMPO EDOGAWA namens "The Blind Beast", die auch verfilmt wurde. Es empfiehlt sich daher für einen besseren Hörgenuss, sich mit dieser Story oder diesem Film erst einmal vertraut zu machen. Ist das geschehen, lässt sich der eigentlich auch eher konventionelle Power Electronics-Stil WERTHAMs hervorragend als Kopfkino rezipieren. WERTHAM orientieren sich seit jeher ebenfalls vor allem an deutschen Power Electronics-Projekten, d.h. auch hier verzerrte Stimme, oft übereinandergelagerte Surround-Effekte, Hall, turbinenartiger Noise, Hochsequenz-Fiepen, dunkles Brodeln. Alle typischen Merkmale sind vorhanden und mit eigener, psychotischer Note garniert. Trotz typischer Genremerkmale hier wie dort sind WERTHAM völlig anders als die zuvor besprochenen HATEKOD. WERTHAM klingen, speziell auf dieser Veröffentlichung, jederzeit nach psychotischem Ausbruch dionysischer Gewalt, während HATEKOD eher die Hörer mit dieser Zermalmungstaktik angreifen. Unterstützt wurden WERTHAM hier im ersten Stück von FLAVIO RIVABELLA (DER BEKANNTE POSTINDUSTRIELLE TROMPETER), ohne dass allerdings eine Trompete zu vernehmen ist, sowie darauffolgend vom alten, us-amerikanischen Noise-Veteran CHRIS GOUDREAU (SICKNESS).
Allein für das letzte Stück "The Blind Beast" lohnt sich die Anschaffung: atmosphärisches Wasserplätschern, japanische Stimm-Samples, Versatzstücke klagender Violinenmusik, nur das sich wiederholende, von DEPLANO  vorgetragene  "Every human is  a  prey", "human predator" , "you're just another prey" usw.  ist  vielleicht arg  klischeegetränkt, aber letztendlich hört man so Musik auch genau wegen dieser "Botschaften", oder? (siehe Einleitung).

Fazit: Alles so wie immer! Diese Form der Tonkunst hat ihre Berechtigung, auch wenn mindestens so viele lachen oder Achseln zucken, wie andere sich gruseln, die beiden Minialben lohnen, beide sind eher was für Genre-Fans, wobei WERTHAM sicherlich mehr Leute erreicht (weil man sich erkennbar mehr darum bemüht "exotischere" Wege zu beschreiten) und in ihren Bann zieht.

 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» WERTHAM
» WERTHAM Interview

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Zusammenfassung
HATEKOD: Massiver, dunkel grollender, zermalmender Power Electronics-Stil ohne Samples und kaum rhythmischen Elementen, atmosphärisch gelungen.

WERTHAM: Psychotischer Stil, viel atmosphärische Nuancen, Death-Industrial-Einflüsse.

Inhalt
HATEKOD "Death To Democracy"

1. Germ Of Decadence
2. Brainless Audience
3. Kill Z.O.G.
4. A World To Cleanse

ca. 20 Minuten, Mini-Plastikhülle und Einleger

WERTHAM "Body Jigsaw"

1. Perfect Skin (feat. DBPT)
2. She Is A Dancer... (feat. SICKNESS)
3. Body Jigsaw
4. The Blind Beast

ca. 20 Minuten, Mini Plastikhülle mit Einleger
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