AGENT SIDE GRINDER: Petit Enfant 7"

running in a reeling mood, cunning in a multitude...

Genre: Industrial
Verlag: Enfant Terrible
Erscheinungsdatum:
Juli 2007
Medium: Vinyl 7''
Preis: ~8,00 €
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Kategorie: Rezension
Erstellt: 16.09.2007
Wörter: 555
Artikelbewertung:
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ENFANT TERRIBLE ist ein Label, dem man einfach blind vertrauen kann. Nachdem sich die Niederländer bei ihren ersten - qualitativ immer sehr hochwertigen - Veröffentlichungen vor  allem der Restaurierung alter NDW („New Dutch Wave“... wir sind uns ja so nah) Perlen gewidmet haben, wird sich nun um den talentierten Nachwuchs gekümmert. Die mit einer fiesen kleinen ICK-Elektropunk Portion begonnene „Petit Enfant“-Reihe geht in die zweite Runde und diesmal könnte die Veröffentlichung durchaus historisch werden.
Zu sagen, AGENT SIDE GRINDER hätten Potential, die heutige Retro-Minimalelektro Szene ein für allemal durcheinanderzuwirbeln, wäre schamlose Untertreibung. Die drei Schweden PETER FRISTED,  JOHAN LANGE und KRISTOFFER GRIP schauen aus wie harmlose Indie-Popper, in Wirklichkeit sind sie echte Nachkommen der Postpunk- und Industrial-Kultur. Peter gründete schon Anfang der Neunziger das sehr interessante Lo-Fi Elektropunk Projekt BERLINER 6 BAHN, das über seine zehn Jahre Schaffenszeit hinweg immer eine sehr schmuddelige Untergrund-Angelegenheit gewesen sein dürfte. Inzwischen betreibt er das alternative Label LOBOTOM RECORDS. Der Sänger und Textschreiber Kristoffer ist weitaus jünger und mehr so ein Dichter-Dandy und wahrscheinlich großer SUICIDE-Fan. Und Johan... gut, Johan ist wirklich ein Indie-Popper und veröffentlicht unter dem Namen LANGE seichten Akustik-Pop und den üblichen Singer-Songwriter-Kram.
Seit gut drei Jahren arbeiten sie zusammen an ihrem Projekt, das sich jeden digitalen Firlefanz verbietet. Alles wird mit analogen Gerätschaften eingespielt und reel-to-reel aufgenommen. Das Ergebnis ist selbstverständlich ein überaus altehrwürdiger Klang, den man normalerweise so Ende der 70er, Anfang der 80er verorten würde. AGENT SIDE GRINDER haben Rhythmus, sie sind schmutzig und kalt und so avantgardistisch wie echte Anarchopoeten. Die A-Seite „Me Me And Me“ boxt sich schön egozentrisch durch die Fußgängerzone und macht Lust auf Endlos-Loops. Das ganze ist roh und minimalistisch, natürlich, aber die Beats haben dicke Muskeln, der Basslauf ist historisch und Kristoffers Stimme hört sich zuweilen wie ALAN VEGA auf Darkwave an. Dann fressen sich aus dem Hintergrund noch ein paar Acidriffs durch den Rhythmus und geben dem Stück eine richtig dreckige GREY AREA Note. Ein wahnsinniges Gemisch. Meine allerhöchste Hochachtung!
Die B-Seite „Riccochetting Memories“ versucht es etwas geradliniger und physischer und erinnert dabei sogar an ganz frühe FRONT 242. Aber gerade durch den Gesang und die vielen kleinen, bösen Effekte ist es dann immer noch sehr sleazy und wellig, auch weil die berüchtigten „work -  body - move“-Parolen elegant vermieden werden.
Insgesamt ein Stück Plastik, das ohne Widerrede auf Tanzflächen zur Anwendung zu bringen ist. AGENT SIDE GRINDER machen Spaß, weil ihnen das Retro-Sein so leicht von der Hand geht und nichts forciert oder gekünstelt wirkt. Ihr Stil ist im Grunde mehr Industrial der alten Schule als Minimalelektro, auch die halb surrealistischen, halb konkreten Texte bewegen sich eher im Dunstkreis von CABARET VOLTAIRE und CULTURAL AMNESIA. Die Drei waren zuletzt übrigens im Studio, um ihre erste LP aufzunehmen, die wahrscheinlich noch in diesem Jahr über ENFANT TERRIBLE erscheinen wird. Ich habe ehrlich gesagt wilde Fanatasien von einem solchen Studio, vollgestopft mit Synthesizern und Magnetbändern, zwischen denen eine Atmosphäre herrscht, die einen ins Jahr 1979 zu ROBERT RENTAL & THOMAS LEER transportiert. Wem sich am 23. September die Möglichkeit bietet, die Schweden beim ZXZW Festival in Tilburg zu sehen, der sollte nicht nein sagen. Ich zumindest setze für die nächste Zeit all meine Elektro- und Postpunk Hoffnungen in das Trio aus Stockholm.