I. Vorgeplänkel und Bandgeschichte II. Rezension III. Textbeispiel Von folgender Rezension bitte noch weniger „Objektivität“ erwarten als sonst beim Lesen von Rezensionen, denn vorliegende JOYLESS, die im Dezember 2006 über NO COLOURS wiederveröffentlicht wurde, gehört seit ihrem ersten Erscheinen 2000 schon fast zu meinen Allzeit-Evergreens. Es kann also lediglich darum gehen, die Entstehungsgeschichte des Albums etwas aufzurollen, zu begründen, was an ihm so herausragend ist und dann folget mir oder lasst es bleiben. JOYLESS war eigentlich konzipiert als ein Nachfolgeprojekt der norwegischen Black Metal Band FORGOTTEN WOODS, jedenfalls musizierten hier im ersten Gründungsjahr 1998 alle Mitglieder dieser Band mit, die folgerichtig aufgelöst schien. Mittlerweile gibt es FORGOTTEN WOODS ja wieder (ein neues Album namens „Race Of Cain“ steht in den Startlöchern und wird über das italienische Label AETERNITAS TENEBRARUM FOUNDATION veröffentlicht, nachdem es mit dem langjährigen Partner NO COLOURS Ungereimtheiten gab.), somit scheint das Verhältnis zwischen beiden Bands so zu sein, daß OLAV BERLAND hier wie dort Schlagzeug und Gitarre spielt, gleiches gilt für den zweiten Gitarristen NYLON, während sich THOMAS TORKELSEN, Stimme, und Bassist RUNE VEDAA wieder allein auf FORGOTTEN WOODS konzentrieren. Insgesamt ist es wohl so, daß JOYLESS mehr der kreative Spielplatz von BERLAND und FORGOTTEN WOODS mehr der von RUNE VEDAA ist. Möglicherweise sind JOYLESS mittlerweile jedoch eh wieder verblichen bzw. der als wichtiger angesehenen FORGOTTEN WOODS-Wiederauferstehung gewichen. Das erste Album der Formation, „Unlimited Hate“, erschien 1996, auf ihm, in einer Art Phase des Übergangs, waren auch noch Songs zu finden, die eigentlich für FORGOTTEN WOODS komponiert wurden. Es ist daher nicht überraschend, daß hier noch ein vordergründig abgefuckter, punkiger Black Metal zelebriert wurde, der für sie so typisch war. Ich schreibe „vordergründig“, weil das Besondere an FORGOTTEN WOODS eine spezielle Form der Genialität ist, eine, die sich erst entfaltet, wenn man lange Zeit in ihre borstige Musik eingetaucht ist. Nun, das hier ist keine FORGOTTEN WOODS-Rezension, deshalb nur der Hinweis darauf, daß bereits in ihrem Metal deutliche VELVET UNDERGROUND-„Vibes“ versteckt sind, die dem Hörer irgendwann, fast schon in Form eines Schlüsselerlebnisses zugänglich werden. Vor dieser Initiation wird man ihrer Form des Black Metal lediglich eine hohe „Norweger Qualität“ zusprechen, nach dieser, wird man FORGOTTEN WOODS allen anderen BM-Stars des Landes zum Trotz, für den raffiniertesten und „Crossover-fähigsten“ Metal des Landes halten, ja, man wird sogar daran zweifeln, ob sie vom Hörgefühl überhaupt noch Metal sind. JOYLESS bauen genau auf dieser FORGOTTEN WOODS-Genialität auf und entwickeln sie in eine Pop-Richtung weiter. Dennoch, auf „Unlimited Hate“ war ihr Stil, verkürzt ausgedrückt, noch eine Mischung aus BURZUM, HELLHAMMER und VELVET UNDERGROUND, mit dabei eine lässige Coverversion von MOTÖRHEADs "(Don’t need) Religion“. Von "Unlimited Hate" gibt’s zwei Versionen, die erste erschien über ihr Stammlabel NO COLOURS, eine zweite LP-Version über PROBLEM CHILD RECORDS mit dem Bild eines Klos, das in unberührter Natur herumsteht, auf dem Cover. Auch das beschreibt ihre damalige Musik sehr treffend. Nachdem also mit „Unlimited Hate“ die FORGOTTEN WOODS-Zeit erstmalig abgeschlossen war, zeigten JOYLESS erst richtig, was sie drauf haben, und entwickelten sich vollkommen weg vom Metal und zwar auf eine Weise, die endgültig ist. Bei Neofolkbands wie GRAUMAHD oder :OF THE WAND AND THE MOON: hört man manchmal noch ihren Metal-Hintergrund, beim Hören späterer JOYLESS wird ein unbedarfter Hörer niemals spüren, daß hier eine Ex-Metalband aktiv ist. Ihre Entwicklung ist in dieser Hinsicht am ehesten mit THE THIRD AND THE MORTAL zu vergleichen, auch bei dieser norwegischen Combo hat eine Entwicklung stattgefunden, die vom Metal auch „seelisch“ vollkommen entfernt ist. Ihr jüngstes Album „Memoirs“ (2002) ist sogar ein wenig mit dem JOYLESS-Pop auf „Wisdom & Arrogance“ vergleichbar. Doch was bei ihnen Trip-Hop ist, ist bei JOYLESS punkiger Country-Rock. Dennoch waren JOYLESS vor allem tief in der Black Metal Szene verwurzelt, so veröffentlichte man zunächst eine Splitsingle mit der deutschen BM-Band APOKRYPHUS und auch im Black Metal verwurzelten Labels hielt man die Treue, allen voran NO COLOURS. „Wisdom & Arrogance“ erschien allerdings in der Erstauflage bei SELBSTMORD SERVICES, dem Label des „untoten“ KVARFORTH, der „Sänger“ der Suizid-Rocker SHINING, eigentlich ja die SPINAL TAP des Black Metal. Rezension SELBSTMORD SERVICES nannten den JOYLESS-Sound damals „Misanthropic Pop“, auch wenn diese Wortschöpfung möglicherweise das Ergebnis einer etwas limitierten „Black Metal Phantasie“ ist, trifft es die Sache eigentlich ganz gut. Wichtigste Neuerung: Meist singt eine Frau namens IDA HELLEBO, die ein Organ besitzt, das ohne Witz sehr stark an DOLORES O’RIORDAN (THE CRANBERRIES) erinnert, aber auch manchmal an ihre irische Landsfrau SINEAD O’CONNOR. Bevor jetzt alle geistig abschalten, Nein!, auch ich bin nun gar kein Fan dieses femininen Iren-Pops, JOYLESS sind auch nicht damit vergleichbar, lediglich die Stimme scheint etwas geborgt und auch eine gewisse „irische Atmosphäre“ in Form eines schon recht poppigen Country-Folk-Rocks ist nicht zu leugnen. Davon abgesehen ist das Album von seiner instrumentellen Basis her pure VELVET UNDERGROUND-Verehrung und manchmal auch eine ebenso ehrliche Verneigung vor dem NEIL YOUNG der frühen Siebziger Jahre („After The Gold Rush“, 1970, „Harvest“, 1972), allerdings ohne Klavier und weit weniger "ambitioniert", dafür kantiger. Atmosphärisch ist „Wisdom & Arrogance“ so ungeheuer relaxed und gleichzeitig süßlich frühlingshaft-melancholisch, wie ich es überhaupt fast noch nie gehört habe. Im Grunde klingt das Album so, als hätten sie alle ihre Instrumente im Liegen in der Hängematte eingespielt, lediglich OLAV BERLAND scheint beim Schlagzeugspiel gestanden zu haben, denn nur so lässt sich wohl dieses charakteristische trockene MOE TUCKER (VU) Schlagzeugspiel entwickeln. Bei all dem muss noch das spontane und ja auch dilletantische Flair der Aufnahmen beachtet werden, welches bisweilen eine Größe erreicht, die an die Kultband aller Outsider THE SHAGGS erinnert, jene Mädchen-Combo, die bar jedes Talents von ihren Eltern 1968 ins Musikstudio geschickt wurden. Dieser Charme zeigt sich auch in der Lyrik (siehe unten), die wahrscheinlich in fünf Minuten zu Papier gebracht wurde und so die spontane Atmosphäre des Albums viel mehr unterstreicht als schöngeistige Erörterungen. Das Album war und ist ein Geniestreich von der ersten bis zur letzten Minute, was vollkommen absurderweise wohl fast nur in der Black Metal-Welt bekannt ist und dort logischerweise mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde – Perlen vor die Säue? - zumindest ein „LORD WIND-Hörer“ (unerträglicherweise das gleiche Label) wird JOYLESS nie begreifen. Jedenfalls hätte ein anderes Label als damals SELBSTMORD SERVICES und diesmal NO COLOURS viel mehr für die Musik und ihre Bekanntheit tun können, aber irgendwie zeigt das auch die leicht arrogant wirkende „Scheiß egal“-Haltung der Band, die auch immer in ihrer Musik spürbar ist, nicht umsonst heißt das Album treffend „Wisdom & Arrogance“. Vergleiche sind genug strapaziert, doch einen habe ich noch, vor allem um auch diese Band ins Gedächtnis zurückzurufen, nämlich THE CHANGELINGS und zwar dann, wenn sie rockiger sind, immerhin eine Gruppe, die auch mal von WORLD SERPENT vertrieben wurde und deren Mitglieder passenderweise MOE TUCKER auf ihrem Soloalbum „Grl-Grup“ aushalfen. Der NO COLOURS-Wiederveröffentlichung ist neben einem neuen Cover zusätzlich der Song der APOKRYPHUS-Split Vinyl-Single beigefügt. Leider verzichtete das Label darauf auch „Swansmile“, das Lied der schwer zu findenden JOYLESS-EP „Blue In The Face“ beizufügen, sehr ärgerlich, denn das ist wohl fast der beste Song dieser Ausnahmeband. Fazit: Das Album ist der definitive Geheimtip für alle, die etwas mit FORGOTTEN WOODS auf Pop, etwas mit NEIL YOUNG, VELVET UNDERGROUND, JOY DIVISION, ALEX FERGUSSON, THE SHAGGS, THE CHANGELINGS, Irland und auch mit THE THIRD AND THE MORTAL anfangen können. Black Metal-erprobte Hörer werden poppige-JOYLESS nur schätzen, wenn sie auch WOODS OF INFINITY, die sich bereits eine Split-Single mit ihnen teilten, eventuell SHINING, PRIMORDIAL (wegen der "irischen" Atmosphäre) und LIFELOVER verehren. Textbeispiel: Isn't It Nice? i am lost and i feel so alone but it really doesn't matter there ain't a thing i can do judgement day let me know when you are here i want to see the world go down drag me deeper down i don't care down here there is nothing nothing but myself point a gun at my head do you think i care? but point it at yourself and pull the trigger now could you give me a reason to celebrate?
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » JOYLESS » JOYLESS Myspace » Hörprobe auf NO COLOURS Themenbezogene Newsmeldungen: » JOYLESS - Wild Signs Of The Endtimes CD » JOYLESS arbeiten an einem neuen Album
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Zusammenfassung
Misanthropic Pop, JOYLESS war/ist ein Projekt von FORGOTTEN WOODS-Musikern, die hier den Black Metal weit hinter sich lassen und einen stark VU-beeinflußten bitteren Melancholie-Pop/Folkrock spielen.
Inhalt
1. Divine 04:30
2. Close to God 04:51 3. Stand 02:59 4. Isn't It Nice? 04:08 5. The Nails 02:52 6. Transpire 02:37 7. Why Should I Cry? 05:14 8. Trust Endorse 02:59 9. Room of Velvet Splendour 08:46 10. Fullfilment and Entity's Embrace (Bonus) Normales Jewel Case, 6-seitiges Booklet mit ein paar Photos und zwei Texten. Gegenüber der ursprünglichen Veröffentlichung von SELBSTMORD SERVICES (2000) neues Cover und ein Song mehr |