Bekanntlich war "Neofolk" niemals, vor allem was die Künstler selbst betrifft, nur Männersache. Großartig natürlich immer ROSE McDOWALL, deren glockenhelle Stimme immer dann am besten ausstrahlte, wenn es einen guten "unbewegten Beweger" gab, einen männlichen Gegenpart wie z.B. BOYD RICE bei SPELL. Worauf ich hier hinaus will, ist aber eher etwas anderes, nämlich diese sehr selbstbewusst und gleichzeitig sehr volkstümlich wirkenden reinen Frauen-Neofolkprojekte. Namen, die in diesem Zusammenhang fallen müssen sind sicher HAGALAZ RUNEDANCE und vor allem, die dem zeitlich weit voraussgehende, unvergleichliche FREYA ASWYNN, die in der alten "Family", die für Projektionen aller Art ähnlich dienlich war wie eine antike Götterwelt, geradezu das Urbild einer burschikosen Heiden/Hexen-Superfrau darstellte. Leider ist es nun aber so, dass FREYA ASWYNN sich vollkommen zurückgezogen hat und ANDREA MEYER, die Frau hinter HAGALAZ RUNEDANCE, nun schon seit einiger Zeit mit ihrem neuen Projekt nonpop.de/lichttaufe/index.php?type=preview&area=1&p=articles&id=371&high=nebelhexe">NEBELHEXE in reichlich trüben Gewässern fischt und sich, rein musikalisch, zunehmend selbst demontiert. Die Stelle der "natürlichen", musizierenden, starken Heidenfrau, die sich eben nicht durch ein laszives Stimmchen selbst unter ein christlichen "Eva-Verdacht" stellt, ist seitdem in der Welt des Neofolk etwas verwaist, doch halt! gab es nicht auf dem letzten FIRE + ICE-Album "Birdking" (2000) eine mutige Frauenstimme in dieser Tradition, die "The Lady Of The Vanir" intonierte? Genau, es handelte sich um eine ALICE KARLSDOTTIR (Da sie "Vinländerin" ist, also nicht aus Island stammt, dürfte es sich hier nicht um den bürgerlichen Namen handeln.), die nun, sechs Jahre später, protegiert von FIRE+ICE und dem "seriösen" Neuheidenumfeld der "Rune Gild" um EDRED THORSSON (aka STEPHEN FLOWERS) mit VERDANDI, einem eigenen Neofolkprojekt, an die Öffentlichkeit tritt. Rein mythologisch-germanisch ist VERDANDI dabei eine der Nornen, zuständig für die "Gegenwart", so erklärt sich wahrscheinlich auch das wahrnehmbare, musikalische Bestreben, möglichst zupackend und kraftvoll zu klingen. VERDANDI ist aber auch kein reines Frauenprojekt, zweites festes Mitglied ist ein PAUL FREDRIC, der Gitarre spielt und für die elektronischen Effekte zuständig ist. Dieser PAUL FREDRIC spielt außerdem in der mich nicht sonderlich begeisternden, "heidnischen Hyper-Hyper Gothic-Future-Pop"-Band ASMODEUS X. (Was es nicht alles gibt!) Logischerweise ist seine Mitarbeit bei VERDANDI völlig anderer Natur, radikaler kann ein Stilwechsel eigentlich gar nicht mehr sein. Wer sich nun an "The Lady Of The Vanir" erinnern kann, weiß damit auch schon ganz genau, was man bei VERDANDI zu erwarten hat. Es ist nämlich tatsächlich musikalisch ziemlich FIRE+ICE-typisch, nur eben mit Frauengesang. Ganz unweigerlich vermisse ich dadurch die andere Frau, die einst mit FIRE+ICE zusammenarbeitete, FREYA ASWYNN, ihr Gekrächze und ihr holländisch geprägtes Englisch (u.a. auch bei FIRE+ICE, z.B. "Seeker") sind einfach unvergesslich. Ich hoffe, sie hat das "Singen" nicht völlig aufgegeben. Ist dieser Mangel aber ersteinmal überwunden, kann man VERDANDI durchaus genießen. Karlsdottirs Gesang ist glockenhell, klar und sehr "gesund" und nach frischer Landluft klingend, vielleicht irgendwo zwischen ANDREA MEYER (HAGALAZ RUNEDANCE) und SHIRLEY COLLINS. Dazu dann musikalisch all das, was man von der "Birdking" kennt, wobei interessanterweise drei Lieder oder Texte des Albums bereits 1979, 1982 und 1988 entstanden sind, ALICE KARLSDOTTIR ist also schon, auch dem Photo nach zu urteilen, etwas älter. Die (sehr gute und klare) Produktion ist nahezu mit "Birdking" identisch, "North Country" kann man so als eine Art Geschwisteralbum verstehen, welches (logisch) auch inhaltlich-lyrisch mehr feminin orientiert ist als das besagte FIRE+ICE-Album. Auf den ersten paar Liedern gelingt es mühelos, das Niveau von "Birdking" zwar nicht zu steigern, aber durchaus zu halten. Vor allem das erste Lied "The Daughters Of Ran" korrespondiert mit seinem behutsamen Klaviereinsatz, den ambienten Versatzstücken und der mitreißenden Melodie hervorragend mit "Dragons In The Sunset" und dürfte sich in der "Heidendisco" ähnlich etablieren. Auch auf den folgenden Songs gelingt es, den Hörer in diese eigentümlich "traditionell-spirituell" klingende, aber auch lebensfrohe, motivierende Atmosphäre einzulullen, man möchte nahezu direkt das Feld bestellen, Holz hacken, eine kleine Götterfigur schnitzen oder noch besser gesunde, rotbäckige Heidenkinder zeugen. Sehr schön auch die von ANNABEL LEE (BLOOD AXIS) gespielte Geige, leider nur zwei Mal im Einsatz. Ebenso zwei Mal taucht IAN READ als Gast auf, allerdings eher im Hintergrund, so dass seine charismatische Stimme nicht voll zur Geltung kommt. Einer dieser beiden Lieder, "Hymn To Tyr", versetzt einen dann sogar mit Orgelbegleitung in weihnachtliche Stimmung. Besonders hervorstechend noch "Wolf In The Sky", eine Coverversion eines ASMODEUS X-Songs. Ich kenne zwar das Original nicht, aber ich gehe jede Wette ein, dass sich die Versionen radikalst unterscheiden. Das Lied wird von einem altnordischen (?) Zauberspruch (?) eingeleitet, leider nicht halb so beängstigend wie IAN READ oder FREYA ASWYNN auf dem CURRENT 93 Klassiker "Swastikas For Noddy" (1988). Gesprochen wird dieser von einem JIM CHISHOLM, irgendeinem Experten und Buchautoren der "Rune Gild". VERDANDI sind immer dann gut, wenn sie eher getragene oder zum bedächtig Mitwippen einladende Kompositionen oder "Traditionals" vortragen. Leider befinden sich auf "North Country" auch zwei, drei Lieder vom Typ "Stimmungshit", die sicher in einem volkstümlichen Pub, auf einer Heiden-Feier in einer Scheune oder auf einem Kindergeburtstag auf dem Land funktionieren, aber nunmal nicht im CD-Spieler. Mich nerven sie jedenfalls, aber mich nervt auch "Oh Coal Black Smith" (CURRENT 93). Fazit: "North Country" ist sicher ein ideales Neofolkwerk für Liebhaber des FIRE+ICE-Albums "Birdking", dessen Qualität dann letztlich doch nicht ganz erreicht wird. HAGALAZ RUNEDANCE-, FREYA ASWYNN-"Fans", aber auch Hörer alter STEELEYE SPAN und neuer BLOOD AXIS sollte "North Country" ebenfalls interessieren. Neben dem erwähnten JIM CHISHOLM ist auch übrigens Sängerin ALICE KARLSDOTTIR selbst bereits als Buchautorin zu germanischen Fragen hervorgetreten. Mehr Informationen unter RUNA RAVEN PRESS, dem Buchverlag von EDRED THORSSON. Sollten junge, heidnisch-interessierte Wikinger-Metal-Fans hier mitlesen: Hey Kids, this is the real thing!
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » VERDANDI auf Myspace » Die Rune Gild » VERDANDI beim Woodharrow Institute
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Zusammenfassung
VERDANDI sind immer dann gut, wenn sie eher getragene Kompositionen oder "Traditionals" vortragen. Leider befinden sich auf "North Country" auch zwei, drei Lieder vom Typ "Stimmungshit", die sicher in einem volkstümlichen Pub funktionieren, aber nunmal nicht im CD-Spieler.
Inhalt
1. The Daughters Of Ran
2. Freyja Dark And Bright Violin - Annabel Lee 3. Weland Worked Long Vocals - Ian Read 4. Lullay Violin - Annabel Lee 5. Wolf In The Sky Voice [Spoken Word] - Jim Chisholm 6. The Oak And The Ash (traditional) 7. Loki The Fool 8. Barri 9. Hymn To Tyr Vocals - Ian Read 10. Bold Asa Thor Ca. 46 Minuten, normales Jewelcase, Booklet mit allen Texten. |