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Roy L.
Ô Paradis :: Las Nubes Que Mueren
Radiosoledad
Kategorie: Rezension
Erstellt: 08.10.2006
Wörter: 887
Artikelbewertung:
Nachtschatten. Mondbeglänzte Dächer, Barcelona, der Wein im Glas und eine anderthalbe Stunde Lieder vom Himmel. Das ist "Las Nubes Que Mueren", die Wolken, die vergehen, in eisigklaren Nächten, an verregneten Nachmittagen. Demian, der Mann hinter Ô PARADIS, setzt seinen verschlungenen, unergründlichen Pfad fort, hält für einen Moment lang inne und schaut zurück. Die beiden CDs, die so entstanden sind, repräsentieren nicht den aktuellen Standpunkt dieses einzigartigen Musikprojektes, sie sind mehr ein flüchtiger Nachhall der Vergangenheit, den man vernommen haben muss, um festen Schrittes weiterzugehen. Es sind übriggebliebene Titel, alte Demos, alternative Versionen, die sich wie Sternenstaub zwischen den einzelnen Alben angesammelt haben und dieser Zusammenstellung, so lose wie sie ist, zu einem göttlichen Akkord verhelfen. 32 Titel, unter ihnen manch kurioser Geistesblitz, die Ô PARADIS von allen bisher bekannten und unbekannten Seiten zeigen und eine ausgedehnte, aufrichtig rührende Reise durch einen Kosmos starten, der einem so fremd und vertraut vorkommen muss, wie ein Leben in schmerzlicher Poesie. Besonders im zweiten Teil dieser Sammlung, der größtenteils archaische, wenn auch gründlich remasterte Artefakte zeigt, womöglich sogar noch aus der Zeit, als das Projekt DAKSHINESWAR hieß, erlebt und durchschreitet man noch einmal Stück um Stück die Entwicklung und Historie von Demians Arbeit. Man spürt altbekannte Klänge und Textzeilen auf und fühlt sie ganz neue Formen annehmen, wie dieses verträumt somnambule Sample aus "El Sueño", das plötzlich in "Las Vias del Viento II" Verwendung findet. Auf der ersten CD lassen sich überwiegend herausgefallene Titel aus vergangenen Zusammenarbeiten ausmachen. Wenn NOVÝ SVETs Jürgen Weber zu "Tus Pasos En El Paraíso" und "Por Primera Vez" singt und an den Saiten zupft, läuft es einem wieder so magisch-fröstelnd über den Rücken, wie damals zu Zeiten von "Destello De Estrellas En La Frente" und "Entre Siempre Y Jamás Suben Las Mareas, Duermen Las Ciudades" - zwei Kollaborationswerke, die in sich harmonischer und kongenialer nicht hätten sein können. Auch Sebastien Leducs (TOTENLIEDER) weinbrandtaumelnde Violine sticht aus einigen Stücken hervor, melancholisch kreisend in "Tierra Gastada II" und "Disfrazado De Indiferencia II", und gemahnt dann freilich an die tieftraurige gemeinsame 10-Zoll "Sin". Ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht damit beginnen, unnötig jedes Lied für sich zu zerpflücken und zu zerreden. Einige einzelne Bemerkungen zu echten Perlen lassen sich dennoch schwer unterdrücken. Das romantische "The Bubbles Of The Fishes" zum Beispiel, eine süße Liebeserklärung an Katalonien, vorgetragen in amerikanischem Englisch von Cheryl Eugenia, die auch schon auf der "Desterrado"-B-Seite "El Gato Del Marinero" aufgetaucht ist. Das schlichte, kurze "Sin Resistencia", nur Bass, Shaker und Demians unheimlich trockener, ergreifender Gesang. Die alternative Aufnahme von "Voces Antiguas", die gänsehauterregend diesen unterirdischen, schräg-düsteren Trip Hop der frühen Ô PARADIS einfängt und auf COIL - Ebene sublimiert, dass man zum Ende hin erstaunten Herzens auf die Knie fallen und weinen möchte. Überraschend direkt, roh und lo-fi folkig, "Dejando Atrás". Überhaupt auf beiden CDs verteilt, ungewöhnlich viele Gitarren, unzählige Film- und Radiosamples, die wohlvertrauten antiquarischen Synthieorgeln, leidenschaftliche Zwischenrufe, alkoholische Abschweifungen, knisternde Geräuschkulissen, insektenartige Atmosphären, Seufzer und verrücktes Lachen, alles, was diese Musik zu etwas Echtem, Wirklichem werden lässt. Weiter mit "Medio Angel", ein kleiner entspannt mediterraner Hit, mit Rosa Solés (CIRCE) himmlischer, glockenheller Stimme, die sich ganz sanft an Demians Worte schmiegt. Dann dieses zauberhaft verschrobene Revuesample, das so leichthin über die psychedelisch-apokalyptische Stimmung von "Por Primera Vez" tanzt. "Las Coses Invisibles", noch eine völlig vom Original abweichende Demoaufnahme. Diesmal gleißend wie tausend nächtlich lodernde Fackeln. Eine unerwartete, entfachte Akustikgitarre und eine wild umherspringende Zigeunergeige würzen den herben Wein dieser buntschillernden Hymne. Ein Gipfelpunkt nomadischer Verklärtheit, ertrinkend in den feurigen Gerbsäuren der Vorstadt, nur einmal, einmal Licht und Asche sein und vom Wind Tränen in den Augen haben. Noch evokativer: "El Corazón Abrigado", ein tiefbetrunkener, seemännischer, nostalgisch-staubiger Walzer. Der Bass schunkelt, die Häfen säuseln bittere Liebeslieder, die Wellen flüstern salzig Lebewohl und Demian singt wie verzaubert "scha-la-la scha-la-la". In solchen Momenten kann man einfach nicht weiterrezensieren, da werden einem alle Worte unnütz und fadenscheinig. Es gibt kaum eine Musik, die einen mit so inbrünstiger Sehnsucht aus dem Fenster starren lässt. Die einen unsinnig tanzen lässt, die verliebt macht und benommen, die das Zerreißen heraufbeschwört, das schmerzvolle Lachen und Lächeln auf der Erde zu sein, zu leben. O eisiger Nachthimmel, dein Mond singt heute aus den Geschichtsbüchern der Liebenden, die Gedichte der heiligsten Sündenfälle einer wundervollen Irrgartenschöpfung. O, welch elysischer Chanson, der verschwommene Stufen baut, in ein überirdisches Reich. Eine Welt der einsamen, vagabundenartigen Nachtlager und Wanderzirkusse unter den Sternen, eine Welt in der Züge übers Wasser fahren und in den surrealen Träumen eines Jorge Luis Borges verloren gehen. Ô PARADIS ist wie ein Karussell zwischen den Gezeiten, eine funkelnde Gasse voller Tempel und Bordelle, die sich immer mehr und mehr verzweigt und doch nur einen einzigen, wahren Weg kennt. Ein "magisches Theater", ein Neonfunkenflug und Lagerfeuer. Es hat so etwas märchenhaft-groteskes wie in dem Film "Sawdust Tales" oder auch Bergman, Jodorowsky und Buñuel liegen nahe. Ô PARADIS ist der "Ausgang zum Himmel", den man nie erreicht, der illusorisch bleibt, weil jeder zu schwer beladen ist, weil jeder sein Kreuz trägt. "Happiness, where is it?". Wenn die Wolken über unsere Köpfe eilen, sich auflösen und wieder sammeln und weiterzeihen, spürt man es für Sekunden: ein flüchtiges Bild, eine glänzende Scherbe vom Paradies und Demian, der sich unermüdlich seiner Suche ergibt.
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Verweise zum Artikel:
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Zusammenfassung
Für Hörer mit "questions in the eyes, but the heart in love" bieten diese beiden CDs eine schatztruhenähnliche Sammlung aller denkbaren Facetten der einzigartigen Ô PARADIS, auch wenn es sich dabei "nur" um Demos und Outtakes handelt und es eher ein Hauch der Vergangenheit ist, der uns magisch...
Inhalt
CD 1
Tierra Gastada II
Las Vias Del Vento
The Bubbles Of The Fishes
Las Nubes Que Mueren
Tus Pasos En El Paraíso
Golgotha Personal
Happiness
Las Vias Del Viento II
Por Primera Vez
Cuando Muero
Disfrazados De Indiferencia
Sin Resistencia
El Corazón Abrigado
Bailando En El Aire
La Fuente
Disfrazado De Indiferencia II
47min
CD2
El Segundo Náufrago
Medio Angel
El Hombre Menguante
El Espectador
Trenes Perdidos
Los Trenes Del Llano
Las Cosas Invisibles
Dejando Atrás
Lo Peor De Tí
El Peso De La Alegría
Badem-Badem
Escarbando
Luz En La Selva
Caminos I
Voces Antiguas
La Isla Del Tesoro
45min
PUNCH 016 | Doppeldigipak
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