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Richard K.
This is Nonpop - WGT-Rückblick 2014
23. Auflage der Schwarzen Leistungsschau
Kategorie: Spezial
Wörter: 1200
Erstellt:
05.07.2014
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Sonntag
PARKBÜHNE
OSTFRONT Erstaunlich: Auch fast 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung des RAMMSTEIN-Debüts „Herzeleid“ gibt es auch abseits entlegenster Dörfer im Hunsrück oder der sächsischen Schweiz Fans des Neue Deutsche Härte-Sounds. Warum auch nicht, wenn man nicht bloß in reines Epigonentum verfällt. Und genau da liegt das Problem für OSTFRONT, die den metallischen Tag auf der Parkbühne in Papas NVA-Kluft und albernen „Industrial“-Atemschutz eröffneten. Zur musikalischen Standardkost wurde der schmächtige Tastenmann geärgert und auch sonst hat man alles schon einmal sehr viel besser gesehen. Zum Abschluss standen die Musiker zur alten DDR-Hymne stramm. Wenn das der Ulbricht wüsste. Dass der Auftritt viele Fans und noch mehr Applaus erntete, ist sowohl ein Armutszeugnis für die Fans als auch ein realistisches Abbild des Zustands der schwarzen Szene im Jahr 2014. (RK)
KOLDBRANN Sonnenbrand statt KOLDBRANN war die Devise auf der Parkbühne. Gefühlte 40 Grad und gleißender Sonnenschein sind nicht die beste Startbedingung für eine standesgemäße Black Metal-Show. Die Männer von KOLDBRANN um Sänger MANNEVOND ließen sich von derlei Bedenken nicht irritieren und gaben von der ersten bis zur letzten Minute Vollgas. Respekt, denn nur etwa 20-30 Die Hard-Fans honorierten den musikalischen Tanz um Luzifers Thron, der Rest lauschte zwar interessiert, aber weitgehend bewegungslos von einen der wenigen schattenspendenden Plätze am Rande der Bühne. Musikalisch ließen KOLDBRANN mit ihrem räudigen, an GORGOROTH und URGEHAL angelehnten Black Metal-Sound mit Sonnenschutzfaktor 666 nichts anbrennen. Punkig kam die Coverversion von „Russian Vodka“ der nicht unumstrittenen russischen Metal-Band KORROSIJA METALLA daher. Ein chaotisches, aber gutes Konzert. (RK)
ROTTING CHRIST „Wir sind zwar aus Griechenland, aber hier ist es uns zu heiß“, kommentierte wiederum ROTTING CHRIST-Sänger und Gitarrist NECROMAYHEM die Hitze in der mittlerweile zu einem wahren Schmelztiegel verwandelten PARKBÜHNE. Das Quartett aus Athen gab dennoch alles, bangte sich höchst motiviert durch ihren Gig und im Gegensatz zu KOLDBRANN kamen auch genügend Adepten der schwarzen Kunst aus ihren Höhlen gekrochen, um die hellenischen Black-/Dark-Metal-Institution gebührend abzufeiern. Neben neuen Stücken wie „Noctis Era“ begeisterten in erster Linie alte Kracher wie „The First Line Of Battle“ oder „King Of A Stellar War“. Mehr irritierender Natur war der Gastauftritt von zwei Perkussionisten der Performance-Gruppe DIRTY GRANNY TALES bei „In Yumen – Xibalba“: Die beiden Herren erschienen festlich und antichristlich geschminkt in zwei schwarze Ganzkörperkondome gekleidet, begleiteten die Band aber nur sporadisch und zudem kaum hörbar an den Drums. Das konnte den Gesamteindruck indes nicht trüben. Ein gutes Konzert, das besonders von der mitreißenden, manchmal schreiend komischen aber immer animierenden Mimik und Gestik von NECROMAYHEM lebte, die verblüffende Ähnlichkeit zu der Bühnenshow von ANVILs Lips aufwies. (RK)
SATYRICON Das Kontrastprogramm zu ROTTING CHRIST boten im Anschluss SATYRICON – zumindest in atmosphärischer Hinsicht. Denn die Norweger gelten nicht umsonst als unterkühlte und zugleich ziemlich coole Vertreter ihrer Zunft. Sänger SATYR ergänzte dann auch die 'Typologie der Metal-Fronter auf dem WGT': Nach PRIMORDIALs „Metal Brother“ ALAN AVERILL (Kennzeichen: dauernder Publikums-Kontakt, männliches, sich selbst sehr ernst nehmendes Gepose), dem damit nicht zu verwechselnden „Metal Buddy“ NECROMAYHEM von ROTTING CHRIST (Kennzeichen: dauernder Publikums-Kontakt, sich selbst nicht ernst nehmendes, spaßiges Gepose) und KOLDBRANNS „Metal Punk“ MANNEVOND (Scheiß-Egal-Attitüde) erlebte Leipzig mit SATYR einen sehr kontrolliert auftretenden Fronter. Jede Bewegung wirkt einstudiert, seine Bewegungen sind genauso schlangenhaft wie das Cover-Reptil der „Vulcano“-Scheibe und genauso reduziert wie die Musik selbst: Schließlich leben „Now, Diabolical“, „Repined Bastard Nation“ oder „K.I.N.G.“ von ihrer simplen Effektivität. Bis auf „Mother North“ hatte das Sextett keine alten Lieder im Gepäck, aber warum auch: Objektiv und ohne falsche Sentimentalität betrachtet, bewegen sich SATYRICON mit ihrem „WHITE STRIPES trifft Black Metal“-Sound auch heute noch voll auf der Höhe der Zeit. (RK)
MORITZBASTEI
TREPANERINGSRITUALEN Was kann nach SATYRICON noch kommen? Die anschließende Odyssee zeigte, wie es auf Festivals und zumal auf einem in der ganzen Stadt verteilten Musiktreffen wie dem WGT schon einmal zugeht: Aus den ursprünglichen Plänen THE SOFT MOON im VOLKSPALAST beizuwohnen, sich ein zweites Mal PRIMORDIAL (dieses Mal im heidnischen Dorf) reinzuziehen oder gar den letzten Tönen von BORGHESIA in der THEATERFABRIK zu lauschen, wurde jedenfalls aus logistischen Problemen nichts. Stattdessen treiben einen Zufall und Bekanntschaften zu TREPANERINGSRITUALEN in die nahe gelegene MORITZBASTEI. Auch Alternative D zeigte sich aber als gute Wahl: THOMAS EKELUND gab in seinem krachend-schleifenden Set dem schwedischen Death Industrial seine Ehre zurück. Mit verzerrtem Gesang, lauten Soundloops und fragwürdigen Hintergrundprojektionen erinnerte der Mann aus Göteborg an eine Zeit, als man seine BRIGHTER DEATH NOW- und IN SLAUGHTER NATIVES-Shirts noch mit Stolz trug. Den Rest besorgte seine dem Black Metal entlehnte Maskerade und ein von der Bühne ausgehender, bestialischer Gestank, den sich der Autor dieser Zeilen ob der psychoaktiven Wirkung des Elektrohexers aber vielleicht auch nur eingebildet hat. (RK)
THEATERFABRIK
BORGHESIA BORGHESIA starteten 1982 als Künstlerkollektiv im ehemaligen Jugoslawien, um sich mittels Videokunst und Musik auszudrücken. Bezugspunkte zu LAIBACH, die im Zusammenhang mit ihnen oft erwähnt werden, waren dabei immer gegeben, da Teile der Band aus Slowenien stammen und weil tatsächlich auch die erste LAIBACH-Performance von den Mitgliedern von BORGHESIA organisiert wurde. Inhaltlich nahm man allerdings einen anderen Weg, da man politische Themen offen und direkt ansprach. Musikalisch bewegte man sich zunächst in avantgardistischer Richtung verquickt mit minimaler Elektronik. Später öffnete man sich mehr in Richtung der damaligen EBM-Szene ohne dabei eine gewisse Eigenwilligkeit zu verlieren und auch ohne die heimatlichen, musikalischen Einflüsse zu negieren, sodass der Sound immer einzigartig blieb. Das verbliebene Duo ALDO IVANCIC und DARIO SERAVAL trennte sich schließlich Anfang der 90er Jahre, sodass die beiden noch erschienenen, mäßigen Alben stilistisch in eine seichtere, experimentellere Richtung gingen. Mit „And Man Created God“ veröffentlichten BORGHESIA nun pünktlich zum WGT ihr Comebackalbum in der alten Besetzung ALDO IVANCIC und DARIO SERAVAL. Schon im Vorfeld wusste man aber, dass das neue Material nicht an die Spät-Achtziger-Phase der Band anknüpfen würde, sondern starke Folk-Rock/Pop-Einflüsse enthalten würde. Eine Blockung am EBM-Tag in der THEATERFABRIK erschien also durchaus als gewagt. Tatsächlich stand am Ende, nachdem VOMITO NEGRO ihre Analogsynthesizer vom vorherigen dichten und straighten Set abgebaut hatten, eine sechsköpfige Rockband samt hüpfender Backgroundsängerin aber ohne Synthesizer auf der Bühne, wobei nur DARIO SERAVAL am Mikrophon aktiv in das Geschehen eingriff – ALDO IVANCIC bediente während des Auftritts das Mischpult in der Halle. Neben vielen neuen, leider eher belanglosen Songs, gab es dann tatsächlich auch Klassiker – ich verwende hier nur die englischen Namen - wie „No Hope, No Fear“, „Naked Lunch“, „Naked Uniformed Dead“ oder „Young Prisoners“ zu hören – nur wirkten die wie von einer Rockband gecovert, was zumindest aufgrund der starken Songs noch ansatzweise funktionierte, da zudem auch die Originale schon mit Gitarren ausgestattet waren. Die kalte Elektronik der Originale, die den Hörer damals einen Blick hinter den eisernen Vorhang erhaschen ließen; die düsteren Beats, die Samples – alles nicht vorhanden. Auch stimmlich war man von alter Wucht entfernt, reichte es doch nur zu einem recht hohen, ausdrucksarmen Gesang statt der rauen, tiefen Stimmgewalt von früher. Leider war der Auftritt in der ohnehin überheißen Theaterfabrik dann letztlich auch nicht das, was das Publikum erwartete, sodass sich die Halle bis auf 50-80 Zuhörer leerte. Es war etwas zu befürchten, aber das Comeback von BORGHESIA muss man live aber auch auf Platte definitiv als überflüssig bewerten. (TF)

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