Riddles Of ANNEN BERG

13) Du hast eine Version der britischen Hymne "God Save The Queen" eingesungen, nur mit einer Snare Drum. Bist Du ein Fan von QUEEN ELIZABETH, oder was ist da passiert?

Ich bin kein Fan der königlichen Familie. Aber ich mag sehr wohl den englischen Fußball. Jeden Sommer kommen einige englische Teams nach Portland und spielen hier gegen unseren Verein, die PORTLAND TIMBERS. Vor ein paar Jahren spielte PRESTON NORTH END gegen Portland, und ich habe mir einen mächtiges Orchester aus Blasinstrumenten vorgestellt, das "God Save The Queen" intoniert, für unseren Gast. Also habe ich so eine Version für zwei Stimmen geschrieben. Ich habe nie genug Blasmusiker zusammenbekommen, um diese Version im Stadion aufzuführen, was immer noch ein Traum von mir ist. Aber ich konnte das Lied immerhin selbst aufnehmen und die Harmonien singen. KEN OLLIS hat die Trommel übernommen, ein junger Schlagzeuger hier aus Portland, der in vielen Jazzbands spielt. Er ist heiß begehrt und ich bin gespannt, wie seine Karriere weiter geht. Komponist ist er übrigens auch. Ich bin insgesamt gesehen sehr anglophil, und ich fand die Idee interessant, die Hymne auf diese germanische, nordische und militärische Weise zu präsentieren. Würde mich interessieren, wie Engländer darauf reagieren.
Es erzeugt eine gewisse Spannung, diesen Song auf einem Album zu haben, das den Titel "The Lower Orders" trägt. Denn dieser Ausdruck wiederum wurde früher von Engländern für Schotten verwendet. Gerade habe ich ein interessantes Buch gelesen, "The Last Of The Celts" von MARC TANNER. Er verfolgt darin das langsame Verschwinden der keltisch sprechenden Kulturen in Irland, Schottland, Wales, der Bretagne, Neuschottland und den walisischen Kolonien in Patagonien. Im Buch gab es einen Hinweis auf eine bestimmte Dichterin, und bei ihr habe ich den Ausdruck "The Lower Orders" gefunden. Er schien mir angebracht zu sein für mein aktuelles Bündel an Musik, denn er hat Bezug zu einer vormodernen, heidnischen, verstoßenen Welt. Deshalb geht mein Album einher mit dem Keltischen und Paganischen, beinhaltet aber auch eine Hymne der 'Eroberer'. "The Lower Orders" widmet sich keinem spezifischen Thema, es ist auch in keiner Weise politisch, aber für mich bergen die Betitelungen eine große Spannung.
Großbritannien und Irland faszinieren mich insgesamt wegen ihrer Sprache, Kultur und Geschichte. Ein weiterer Text, der zu dieser Faszination führte, ist zum Beispiel "Ploughing The Clouds" von PETER LAMBORN WILSON. Während ich dieses Buch las, so ungefähr im Jahr 2000, schrieb ich ziemlich verrückte Gitarrenmusik. Und ich habe gelernt, dass die Barden in keltischen Gesellschaften für ihre 'Dunkelheit' gepriesen wurden. Also nicht im Sinne von schlechter Moral oder so, sondern für die Komplexität ihrer Verse, die Unergründlichkeit. Die Fähigkeit, ihre Sprache auf eine höhere Stufe zu stellen und ihre Gedichte undurchsichtig zu machen hinter einem Schleier aus vielen dicken Knoten. Der Hörer, wenn er denn das Geflecht durchdringt, wird mit einem Licht in der Dunkelheit belohnt.

14) Zum Thema Fußball: Ich weiß, dass Du die deutsche Bundesliga per Satellit schaust. Hast Du einen Lieblingsverein?

Ich mag die Mercedes Benz-Arena in Stuttgart sehr. Besonders das Dach. Ich würde wirklich gerne mal in dieses Stadion. Macht mich das zum Stuttgart-Fan? Ich weiß nicht genau, welche Teams das schon hinter sich haben, aber ich liebe die Meisterschaftsfeiern nach dem entscheidenden Spiel, wenn alle Bier aus riesigen Krügen mitten auf dem Fußballfeld trinken. Das erwarte ich vom Leben.

15) Einer Deiner Songs hat einen spanischen Text, außerdem arbeitest Du mit einem argentinischen Label zusammen und Du warst dort auf Tour. Was verbindet Dich mit Argentinien?

Ich habe die Leute von MUN DISCOS per myspace vor zwei, drei Jahren kennengelernt. Sie haben ein Tributealbum mit THROBBING GRISTLE-Songs rausgebracht. Ich hab's gekauft und toll gefunden. Es waren nur Bands aus Buenos Aires und Córdoba drauf. Ich habe angefangen, per Mail meine Kommentare dazu an die Miteigentümer des Labels, MANUEL und GUSTAVO, zu schicken. Schlussendlich wurde ich gefragt, ob ich nicht einen ANNEN BERG-Track für eine ihrer Compilations hätte. Also landete "Le Dernier Combat" auf "Mun: Compilación Octubre 2007". Die Musik auf dem Label, der Stil der Macher und die Art von Humor waren mir sehr angenehm. Ich habe mich den Leuten sofort verbunden gefühlt. Viele audiovisuelle Künstler sind mit dem Label befreundet, und ich mag es, wenn Musik eine starke konzeptionelle und visuelle Komponente hat. Als ich im Februar 2008 Konzerte in Spanien und Italien gab, haben mir einige Künstler von MUN DISCOS so was geschrieben wie "Ach, nach Europa kannst Du also, warum denn nicht nach Argentinien?"
Häufig ist spanischer Rock einfach erbärmlich, ich kann da nicht zuhören. Hoffentlich unterscheiden sich meine spanischsprachigen Songs davon. Einige spanische und argentinische Fans finden es auf jeden Fall spannend, diese Lieder von jemandem zu hören, der aus Nordamerika kommt und Spanisch nicht als Muttersprache spricht. Jeder fragt mich zum Beispiel nach "Sylvia", einem Lied, das ich über die Füße einer geliebten Frau geschrieben habe.
Ich bin eigentlich seit dem Teenageralter Fan von Flamencomusik und der lateinamerikanischen Kultur. Irgendwas davon habe ich für ANNEN BERG bewahrt, und die Leute aus diesen Kulturen spüren das, selbst wenn die Texte auf Englisch sind. Meine erste Einladung nach Europa kam von Spaniern und Italienern. Und was sind Argentinier? Die Nachkommen von Spaniern und Italienern! Die (eben beendete) Mini-Tour durch Argentinien war eine wundervolle Erfahrung, und ich freue mich auf einen erneuten Besuch und die Zusammenarbeit mit vielen Menschen dort.
Das Artwork für die limitierte Ausgabe von "The Lower Orders" stammt von ANA VOLONTÉ, der Frau des Mitbesitzers von MUN DISCOS, GUSTAVO ORTEGA. ANA ist Performance-Künstlerin und hat schon einige Installationen gestaltet. Ich mag es, dass ihre Kunst immer eine handgemachte Seite hat. So fließt das Bewusstsein des Künstlers direkt in seine Arbeit. Sie hat sogar ein paar Freundinnen angeworben, die die CD-Verpackung von Hand hergestellt haben. Sie hörten stundelang meine Musik dazu, DAS hat mich wirklich beeindruckt. Eine dieser Frauen hat mir sogar eine SMS geschickt, als ich unten war: "Küsschen, Küsschen, ich drücke Dich, God Save The Queen, Bussi." Der Song hatte als eine romantische Wirkung auf sie! Also muss ich natürlich wieder dorthin :-)

16) "The Lower Orders" dauert (nur) knapp eine halbe Stunde. Bist Du besonders drakonisch, wenn es um die Auswahl der Songs geht?

Meine erste EP hatte drei Songs und war rund neun Minuten lang, also ist das Album aus meiner Sicht eine Steigerung um 300 Prozent! Außerdem besteht es aus Liedern, an denen ich in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet habe. Manche Stücke brachte ich nicht so zu Ende wie ursprünglich geplant, aber als ich die Gelegenheit hatte, auf MUN DISCOS ein Album rauszubringen, habe ich nicht lange gezögert und alles gesammelt, was ich gerade aufgenommen hatte. Ich denke, das ist nicht wirklich ein ordnungsgemäßes ANNEN BERG-Album. Mehr eine Sammlung meiner Arbeit der vergangenen zwei Jahre. Das nächste Album wird den Namen mehr verdienen, glaube ich. Ich habe sogar schon 15 bis 20 Lieder dafür fertig.

17) Stehst Du in Kontakt zu anderen US-(Neo)Folk-Bands wie IN GOWAN RING, denen Du musikalisch manchmal ähnlich bist?

Leider nein. Ich kenne wirklich niemanden hier, der was mit Neofolk zu tun hat.

SCOTT, vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Vielleicht steht bald ein Deutschland-Besuch an?

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