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Roy L.

Im Gespräch mit THE JOY OF NATURE

nature rejoices within nature


Im Gespräch mit THE JOY OF NATURE
Kategorie: Vorschau
Wörter: 4650
Erstellt: 21.12.2006
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Noch bevor sich der Jahreskreis ein weiteres Mal schließt und pünktlich zur Wintersonnenwende, möchten wir mit THE JOY OF NATURE ein portugiesisches Projekt vorstellen, das vor wenigen Jahren durch seinen interessanten Umgang mit nebligdüsteren Klanglandschaften und den kurzen Ausflügen in traditionellfolkloristische Gefilde nicht übel startete und vergangenen September eine neue, nochmals viel interessantere Veröffentlichung vorlegte. Die 7-Zoll messende Platte „The Shepherd’s Tea At Seven“ zeigte, dass uns in Zukunft von den Azoren her ein angenehmes Hoch entgegeneilt, das vor allem ein bezauberndes Maß an Folk mit stichhaltigen Konzepten mit sich führt. Hinter dem Projekt steckt der feinfühlige und intelligente Mensch und Musiker Luís Couto, der mit uns u.a. über Esoterisches, Traditionalismus, seine Herkunft und natürlich auch Folkmusik sprach...




Hallo Luís, lass uns ganz entspannt mit ein paar einleitenden Worten zu Dir und Deinem Projekt beginnen. Was ist THE JOY OF NATURE, wo liegen seine Ursprünge und wann hast du angefangen, Musik zu machen?


Wie ich das bereits auf meiner Website geschrieben habe, ist es sehr schwierig für mich, zu sagen, was THE JOY OF NATURE genau ist; einige Symbole können mehr darüber aussagen als Worte. Abgesehen davon kann man es im Grunde als Multimediaprojekt betrachten, in dessen Hauptfokus die Musik steht. Multimedia deshalb, weil das Projekt gleichzeitig auf Musik, Dichtung und Illustrationen/Malereien zurückgreift. Es ist durchaus möglich, dass es in Zukunft einige Arbeiten geben wird, die nur aus Texten und Zeichnungen bestehen werden.
Mein erstes Instrument (Orgel) habe ich im Alter von 11 Jahren zu spielen gelernt und sehr bald schon wechselte mein Interesse von der reinen Interpretation zum Selbstentwurf über. Als ich 16 war, habe ich die Orgel aufgegeben und angefangen E-Gitarre zu spielen und meine eigenen Ideen für Lieder und Instrumentals auf Band aufzunehmen. Da ich kein Mischpult besaß, war alles noch sehr primitiv. Erst 1998, als ich die Möglichkeiten von Computeraufnahmen für mich entdeckte, hatte ich ein richtiges Mittel vorliegen, um meine Kompositionen konkret arrangieren und aufzeichnen zu können.
Obwohl das Konzept für THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE schon in den Jahren 1996/97 begann, in meinem Kopf aufzutauchen, wurden die ersten Stücke erst 1999 aufgenommen, als mich J. Aernus dazu einlud, an dem REAPING HORDE1 Sampler „The Nemeth“ teilzunehmen. Die Grundidee war damals, religiöse Samples mit Feldaufnahmen und echten Instrumenten zu vermengen, innere Bilder mit dem Pinsel des Klanges zu malen.
Zwischen der Erst- und Zweitauflage des Albums “The Fog That Life Is Haunted By” klaffte eine Lücke, in der das gesamte Konzept des Projektes überworfen wurde und also auch die Reduktion des Bandnamens zustande kam; irgendwie schien mir das Wort „Discipline“ nie so richtig in den Namen zu passen.




Richtig, Dein Projekt durchlebte eine gewisse Entwicklung, da THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE als richtige Band, die größtenteils Dark Ambient komponierte, begann, wohingegen dem neuen Produkt THE JOY OF NATURE Deine Soloarbeit zugrunde liegt, die nunmehr sehr stark auf ruhigen traditionellen Folk fokussiert ist. Betrachtest Du dies als eine konsequente „Wiedergeburt“? Etwas, das Du selbst und ganz allein zu tun hattest? Woher diese Wandlung?


THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE war niemals eine richtige Band. Von den ersten beiden Stücken, die unter diesem Namen für den Sampler „The Nemeth“ aufgenommen wurden, stammte das eine von mir ganz allein, während das andere in Zusammenarbeit mit André Franco, der zu diesem Zeitpunkt mit mir an einem eher rockorientierten Projekt beschäftigt war, entstanden ist. Dann begann ich „The Fog That Life Is Haunted By“ gemeinsam mit meinem engen Freund RR aufzunehmen und, ja, zu dieser Zeit waren wir wirklich fast eine Band. Wir haben uns schon 1997 über viele Ideen zur Musik ausgetauscht und zusammen an den ersten Stücken (nicht in der Reihenfolge der Tracklist des Albums) gearbeitet, die Samples ausgesucht, Feldaufnahmen unternommen und einfach etwas daraus entworfen. Da er jedoch überhaupt kein Instrument spielt, entstanden die Stücke, die auf Instrumenten gespielt sind, unter großzügiger Mithilfe von Johan Aernus (WOLFSKIN/KARNNOS) und Nerunbrir (KARNNOS/INVERNO).
Dann habe ich in Sachen THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE eine knapp dreijährige Pause eingelegt, obwohl ich unterdessen an einem Post-Rock Projekt arbeitete, also war es in der Tat eine Art Wiedergeburt. Dieser Neuanfang kam 2005, als ich durch einige Erfahrungen die esoterischen Elemente im Folk kennen gelernt hatte und bemerkte, wie tiefgängig Musik als Mittel wirken kann, eine Verbindung mit der metaphysischen Ebene herzustellen. Als nächstes habe ich meine elektronischen Instrumente gegen akustische eingetauscht und lernte, sie zu spielen. Heute ist THE JOY OF NATURE näher an einem „Bandkonzept“ als je zuvor, da meine Freundin – Susana Mota –, die für die Illustrationen und Zeichnungen verantwortlich ist, sehr eng mit mir zusammenarbeitet und vielleicht wird sie in Zukunft auch einmal singen oder Instrumente spielen. Jedoch entsteht THE JOY OF NATURE aus meinen ureigensten Visionen heraus. Natürlich werden aber weiterhin auch mal Gastauftritte auftauchen, da ich es sehr schätze, einige Leute mit einzubeziehen, die meine Arbeit bereichern.




Deine letzte Platte – „The Shepherd’s Tea At 7“ Sieben-Zoll – ist auf dem interessanten jungen Label LITTLE SOMEBODY aus Amerika erschienen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Pythagumus? Glaubst Du damit eine Richtung eingeschlagen zu haben, die in einen ganz anderen Kontext, als den der Neofolk/Industrial Szene, in die Du einmal involviert warst, führt?


Pythagumus
, der meine Arbeit von der MySpace Seite her kannte, bot mir eine Veröffentlichung an – ich mochte die Musik der anderen Künstler des Labels und stimmte zu. Im Grunde war’s das schon!
Mir ist die Bezeichnung „Neofolk“ eigentlich erst kürzlich aufgefallen, daher macht sie noch nicht viel Sinn für mich. Vorher kannte ich das, was nun unter dieser Schublade verstanden wird, als „Dark Folk“ oder „Apocalyptic Folk“. Ja, zwischen 1994 und 1997 habe ich mich ziemlich für Industrial und „Dark Folk“ begeistert, aber als ich einmal tiefer in die Szene eintauchte, fand ich derartig viel Musik und Themen, die mir absolut gar nichts gaben, also begann ich, mich anderen Klängen und anderen Themen zu widmen. Allerdings habe ich stets eine tiefe Bewunderung für Projekte wie CURRENT 93, SOL INVICTUS, IN GOWAN RING, FIRE + ICE und DEATH IN JUNE beibehalten, um einige wenige zu nennen.
Ich fühle mich nicht, als müsste ich irgendeiner Szene angehören. Ich weiß, dass alle Künstler solche Schubladen hassen, aber ganz ehrlich, ich denke, dass die Musik von THE JOY OF NATURE wirklich schwer einzuordnen ist. Ich habe meine Arbeit nie als Teil einer Szene betrachtet, obwohl ich zur Zeit der ersten Aufnahmen schon bewusst versuchte, etwas „düsteres“ zu machen. Im Augenblick tue ich, was immer ich für angemessen halte, ohne mich darum zu kümmern, ob es die Anhänger einer Szene zufriedenstellte oder nicht. Ich bin ganz einverstanden damit, verschiedene Hörerschaften zu haben. Wenn die Musik zu ihnen spricht, ist es in Ordnung, ganz gleich was sie sonst hören mögen.




Die letzten Jahre hindurch haben immer mehr Bands aus Portugal ihren Weg in unsere Subkultur gefunden. Durch das Wirken von REAPING HORDE, DAGAZ und EQVILIBRIVM hat sich ein richtiges Netzwerk von Künstlern entwickelt. Wie steht es heute um Deine Kontakte zu diesen Leuten der Szene auf dem portugiesischen Festland? Was hältst Du von SANGRE CAVALLUM und deren neuer Platte „Pátria Granítica”? Ist es möglich, Parallelen zwischen deren Arbeit und Deiner zu sehen?


Ich habe der Geburtsstunde der portugiesischen Szene beinahe beigewohnt und stehe seit langer Zeit schon mit einigen Leuten von SANGRE CAVALLUM und KARNNOS in Verbindung. Ich denke, „Pátria Granitíca“ ist SANGRE CAVALLUMs bisher bestes Werk; auch ihr Split mit ALLERSEELEN – „Barco do Vinho“ – gefällt mir sehr gut.
Nun, in diesem Sommer war ich zu Besuch in B. Ardos Haus und er zeigte mir seine erstaunliche Sammlung von Instrumenten. Da ich schon vorher einige neue Instrumente kaufen wollte, aber nicht allzu viele Informationen darüber hatte, war es mir eine kostbare Hilfe, zusehen zu dürfen, wie diese Instrumente gespielt werden, etc. Also kaufte ich später eine Kantele und eine Alpenzither, obschon mir die Kantele schon einige Zeit zuvor im Kopf herumschwirrte. Es ist sicher möglich, dass sich dadurch einige Ähnlichkeiten im Klang ergeben werden.
Die Musik von SANGRE CAVALLUM ist viel stärker dem Land, den Traditionen Galiciens zugewandt. Ich habe mich immer in Galicien zuhause gefühlt, aber es ist nicht mein eigenes Land. In der Arbeit von THE JOY OF NATURE gibt es diese starke Bezogenheit auf ein bestimmtes Land und dessen Traditionen nicht. Aber trotzdem glaube ich, dass es einige Parallelen, sowohl zu SANGRE CAVALLUM als auch zu KARNNOS/WOLFSKIN gibt; es ist ganz natürlich, da wir den Kontakt zueinander aufrechterhalten haben und selbst in den Zeiten, in denen wir keine direkte Verbindung hatten, manchmal denselben Ideen und Themen nachhingen.
Außerdem gebe ich zu, dass die Produktionen des portugiesischen Labels FORGOTTEN BLOOD (welches die ersten Aufnahmen von B. Ardo und anderen Leuten von SANGRE CAVALLUM und auch WOLFSKIN veröffentlichte) mich dazu motivierten, meine eigene Sache zu tun.




Stimmt es, dass Du früher selbst ein Magazin namens „Crepusculi Aurora“ herausgegeben hast? Worum ging es dabei und inwiefern hatte es etwas mit dem „Apocalyptic Culture“ und „Dark Folk“ Kosmos zu tun? Schreibst Du immer noch in irgendeiner Weise, von Deiner Arbeit für THE JOY OF NATURE abgesehen?


Ja, das stimmt. Es konzentrierte sich auf „Dark Folk“ und angelagerte Musikgenres, aber beinhaltete auch Gedichte und Artikel über antike europäische Kultur. Nur eine Ausgabe ist davon erschienen, es war zu teuer und beanspruchte zu viel meiner Zeit damals, außerdem bin ich es zwischendrin etwas leid geworden, zu sehr in der „Szene“ zu wühlen, auf so viele Second-Hand Ideen zu stoßen, die ausdrücken, was für Andere eine echte Bedeutung hat.
Die meisten meiner Schriften hängen heute mit THE JOY OF NATURE zusammen, aber ich habe auch sehr viel Material außerhalb von TJON abzuschließen, von einfachen täglichen Eindrücken und Expressionen, bis hin zu Texten über Ästhetik und ich schreibe häufig so kleinere Texte. Es gibt außerdem einige Themen über die ich in der Zukunft schreiben möchte, darunter auch ein kleiner Aufsatz über Folkmusik.





Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass Du ja kein “gewöhnlicher” Portugiese bist, sondern auf den Azoren lebst. Kannst Du irgendwelche signifikanten kulturellen Unterschiede zwischen den Inseln und dem Festland feststellen? Gibt es eine Art Folklore oder Tradition auf den Azoren, die Einfluss auf Dein Leben und Deine Arbeit als „traditionaler“ Künstler hatte?


Die Azoren wurden nicht nur von Portugiesen, sondern auch von Flamen, Juden, Arabern, Bretonen und sogar Mongolen bevölkert, wie sich kürzlich in einer Studie herausstellte. Also ist es eher eine große Mixtur aus verschiedenen Völkern, die sich aber auf den verschiedenen Inseln und sogar auf einigen Ortschaften innerhalb dieser Inseln verteilten. Die mehr als 400 Jahre der Abgeschiedenheit, die nur vom seltenen Vorbeikommen fremdländischer Schiffe in beschwerlichen Zeiten (Vulkanausbrüche, Erdbeben und Stürme) unterbrochen wurden, haben dennoch eine eigenständige Kultur erschaffen.   
Ich mag die musikalische Tradition der Azoren eigentlich nicht so sehr, oder zumindest das nicht, was man heutzutage darunter versteht; die Texte sind für meinen Geschmack viel zu rührselig und sentimental. Aber es gibt ein paar sehr interessante Legenden, wie die von Sete Cidades (“sieben Städte”). Sete Cidades ist ein kleines Dorf im Nordwesten der Insel mit einer wunderschönen Lagune, die aus dem Inneren eines Vulkankraters entstanden sei. Auch wurden die Azoren bereits mit Atlantis in Verbindung gebracht und vielleicht ist da sogar etwas dran. Bevor die Portugiesen hier herkamen, wussten schon andere Völker von diesen Inseln und das Interesse an ihnen war sehr groß, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern hauptsächlich esoterischer Dinge wegen.
Die Familie meines Vaters stammt aus dem Nordwesten der Insel, nahe Sete Cidades, wo jeder einen französischen Akzent hat. Und ich habe sogar einen noch viel stärkeren französischen Akzent als sie! Alte Leute, die meisten unter ihnen Analphabeten, haben mir alte Sagen anvertraut, die mir den alten irischen Geschichten, wie WB Yeats sie sammelte, sehr ähnlich erschienen, und einige davon beinhalteten sogar Gralstexte. Und natürlich, so etwas beeinflusste mich. Aber viel mehr als Folklore ist es etwas, das ein feinsinniges Individuum an einigen Orten der Inseln wahrnehmen kann: eine intensive und tiefgründige Energie, die aus dem Inneren der Erde kommt.




Ausgehend davon, man stellte tatsächlich eine Verbindung zwischen den Azoren und dem
“Mythos” von Atlantis her, würdest Du dann meinen, die isolationistische Situierung und Verborgenheit dieses „Herzens der Welt“ seien etwas, das Deinem Charakter und Deiner Arbeit ebenfalls zukommt? Glaubst Du, diese von Dir erwähnten Kraftfelder Eurer Inseln strahlen von sich aus oder braucht es eine gewisse Aktivierung, die von dem Individuum, das mehr oder weniger mit der Erde verwurzelt ist, ausgeht? Ist dieses Gefühl für Einwohner der Azoren stärker präsent als für Fremde?


Mein Charakter und meine Arbeit wurden, in gewisser Weise, von den Azoren vorgezeichnet, also ist es ein Teil von mir, etwas, das mich zu dem machte, was ich heute bin.
Gerade vor ein paar Stunden habe ich mit einer Tante von mir, die in den USA emigriert ist, am Telefon über unsere Herkunft gesprochen, und einige interessante Dinge sind dabei aufgekommen, z.B. was die Isoliertheit und die harten Lebensbedingungen uns eingeimpft haben.
Ich merke, dass viele Einwohner der Azoren eine starke und etwas merkwürdige Verbindung zu ihrem Land haben: es ist wie eine Tätowierung, die unmöglich auszulöschen ist. Aber einige von uns fühlen, dass es nicht unser Land ist; es hatte ein eigenständiges Leben bevor wir hier ankamen und es bewahrt dieses eigenständige Leben noch immer.
Die Aktivierung geschieht im Inneren, sogar wenn man weit vom Land entfernt ist, weil es selbst in unseren Adern fließt. Es bedarf nicht der physischen Präsenz.




Die hermetische Tradition scheint in Deiner Arbeit stets präsent zu sein, besonders auf der eingangs genannten 7-Zoll. Kannst uns Du uns bitte, darauf Bezug nehmend, den Satz „harvest time introduces spring inside the heart“2 erklären? Praktizierst Du solche hermetischen Initiationen auch selbst?


Auf der Eingangsseite von THE JOY OF NATUREs Internetpräsenz lässt sich der Satz “Nature rejoices in Nature, and Nature contains Nature“3 finden, der aus dem hermetischen Text „Turba Philosophorum“4 stammt. Der Ourobouros, der ein Symbol der „Mutter Natur“ ist, umkreist ein Haus. Dieses Haus wird erst beim Lesen der Kurzgeschichte, die Teil der „The Empty Circle“ Reihe sein wird, einen genaueren Sinn ergeben.
Nun zu dem Zitat „harvest time introduces spring inside the heart“: ich hatte anfangs die inzwischen aufgegebene Idee, vier EPs zu den einzelnen Solstitien und Äquinoktien herauszubringen, wobei jeweils eine mit einem der vier Elementen und analog dazu den vier hermetischen Phasen des Großen Werks verknüpft worden wäre. Es war zu dieser Zeit, da ich durch meine Lektüre erfahren hatte, dass das hermetische Werk im Herbst (Erntezeit) abgeschlossen wird. Wie Guénon in einem seiner Texte über Symbole herausstellt, ist die physische Natur sehr oft der metaphysischen Natur genau entgegengesetzt. Daher läutet der Herbst, auf physischer Ebene, im Herzen den Frühling ein, wobei das Herz das metaphysische Reich im Körper repräsentiert.
Die hermetischen Texte bieten von sich aus keine praktischen Übungen. All diese Texte waren verschlüsselt, und um sie verstehen zu können, müssen wir eine für uns vollständig neue Sprache erlernen. Es lassen sich zwar praxisbezogene Bücher wie „Initiation into Hemetics“5 von Franz Bardon finden, aber diese bieten nur eine mögliche Methode, die sich mehr vom kabbalistischen Lebensbaum als von allem anderen herleitet. Durch mein Erlernen der hermetischen Sprache, die auch Kenntnisse von Symbolen einschließt, durch Naturbeobachtungen (eine der möglichen Methoden, und jene, von der ich am meisten Gebrauch mache) und gewisse Erfahrungen (auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte), kann ich manchmal verstehen, was diese Texte bedeuten. Manchmal ergibt sich durch simple Dinge, die in meinem täglichen Leben passieren, für den Moment ein tiefer Einblick. Ich habe auch einige Techniken angewandt – Atemübungen, Meditation usw., aber all diese Techniken sind vollkommen nutzlos, wenn man nicht seinem eigenen Geist, seinen eigenen Gedanken, seinen eigenen Handlungen, seinen eigenen Erfahrungen Beachtung schenkt. Das Reich des Physischen ist mit dem des Metaphysischen verbunden. Wenn man damit beginnt, sich ausschließlich mit der metaphysischen Sphäre auseinander zu setzen, ohne zu versuchen, diese in die physische Sphäre zu integrieren, wird man einfach nur in einen tiefen Abgrund fallen.
Mein eigener Weg den ich mit THE JOY OF NATURE gehe, ist einer der Selbsterkenntnis und ein Kanal,  die metaphysische Wirklichkeit in die physische Wirklichkeit zu implementieren, und ich habe seit der Wiedererweckung von THE JOY NATURE sehr viel darüber gelernt. Ich sehe THE JOY OF NATURE nicht als ein Werk von mir: ich bin mehr ein Kanal durch den eine „Botschaft“ aus einer anderen Sphäre in die unsrige Sphäre vermittels des Klangs weitergeleitet werden kann. Offensichtlich sind dies Elemente, die mit meinem eigenen Leben in Zusammenhang stehen, aber sie werden auf eine andere Ebene transportiert und dann wieder zurück zur Erde getragen. Ich fühle das THE JOY OF NATURE etwas ist, das getan werden muss, nicht nur um meines eigenen Lernens willen, sondern auch für andere. Musik ist ein sehr wirkungsvolles Mittel.
Worin aber liegt der Sinn, Lieder über die hermetische Tradition zu schreiben, Symbole auf den Covern von Platten zu präsentieren, und gleichzeitig völlig abseits irgendeiner echten Praktizierung und den Werten der Tradition zu leben? Und das traditionale Konzept ist bereits in derartig unterschiedlicher Art und Weise von verschiedenen Leuten interpretiert worden, die alle dieselben Bücher gelesen haben. Ich hatte für einige Zeit ein wenig Kontakt mit dem, was als „Darkfolk-Szene“ gesehen wird und war in Foren, in denen über Julius Evola, Traditionalismus und solcherlei diskutiert wurde. Und worin liegt der Sinn etwas zu diskutieren, was ausgedrückt werden will usw., ohne eine Praktizierung? Für gewöhnlich herrscht außerdem so viel Intoleranz in einer solchen Szene, und gleichzeitig kann man spüren, dass diese Leute noch mehr ihren eigenen Meinungen, ihren Egos und den Egos, welche die moderne Kultur in uns allen aufblähen ließ, verhaftet sind. Die Intoleranz trägt einen nur von der eigenen Mitte fort. Einige kritisieren das Christentum und sie werden exakt zu dem, was sie kritisieren. Ich möchte ja nicht grob oder anmaßend sein, aber ich finde, ein paar Leute sollten sich einmal so hinterfragen, als wären sie jemand anderes, losgelöst von ihrem falschen Selbst, ihrem falschen Kriegerduktus. Einige kämpfen gegen Luftschlösser wie Don Quixote.
Ich liebe CURRENT 93, weil David Tibet immer wahrhaftig er selbst geblieben ist. Genau wie Mishima. Man muss die Kontraste in sich selbst akzeptieren und nicht versuchen, sie so zu manipulieren, dass sie einen so aussehen lassen, wie andere es erwarten.
Und die Kunst sollte mit ihrem Schöpfer eins sein, sie sollte ihn und/oder diejenigen, an die sie gerichtet ist, zum wahren Licht tragen.




Deinen Betrachtungen zufolge ist die hermetische Tradition also nichts Abstraktes oder rein Intellektuelles – das Metaphysische wird über die Phänomenologie der Natur in die irdische Wirklichkeit hineingezogen und dann wiederum in einer höheren Sublimierung durch die eigene Geistesübung aufgelöst. Es gibt verschiedene Sphären und die Musik ist ein Mittel um zwischen ihnen Interferenzen hervorzurufen. Aber welche Wesensart und welcher Zustand des Klanges ermöglicht der Musik, dieser „Wanderer zwischen den Welten“ zu werden? Und welche Rolle spielt hier die (Dark- / Psychedelic- / Traditional- / Wyrd-) Folkmusik?



Ich würde sagen, dass die höhere Sublimierung eine Übung des eigenen Willens ist, der natürlich durch den Geist operiert, ihn aber letztendlich dominiert.
Das ist in der Tat eine interessante Frage. Manche traditionelle Folkmusik enthält echte esoterische Elemente, aber ein Problem liegt darin, wie diese traditionelle Folkmusik erhalten ist und überliefert wurde: die meisten Leute, die sie bewahrten, haben keine Vermutungen über ihre echte Bedeutung angestellt, und so ging unterwegs vieles verloren. Ich glaube, dass einige Volkslieder (jene mit einer esoterischen Bedeutung) dem „Volk“ als ein Mittel nahegebracht wurden, esoterische Lehren zu konservieren, so dass jene, an die sie gerichtet sind, immer fähig wären, sie zu begreifen.
Ich denke, dass die Wiederbelebung der Folkmusik6, erst in den späten Sechzigern (durch die Arbeiten einiger Folk-Rock Gruppen und psychedelischer Folk Bands), dann Mitte der Achtziger (die Dark/Apocalyptic Folk „Szene“) und heute schließlich in Form dieses Wyrd Folks ein ziemlich interessantes Phänomen ist. Es gibt tatsächlich Musik aus allen diesen „Genres“, die in machen Bewusstseinszuständen benutzt werden können, um uns zu einer anderen Wirklichkeit, tief im Inneren, zu führen. Diese Künstler sind sich vermutlich der esoterischen Bedeutung der Folkmusik bewusst und geben deren Geist und deren Essenz wieder, nicht ihre bloße musikalische Form.     
Ich habe mir vorgenommen eines Tages, nach weiterer Recherche, einen langen Artikel über diese Sachen zu schreiben. Es ist wirklich schwer, all diese Ideen hier zu verdichten.





Ein weiterer Verfasser esoterischer Schriften über Initiation und Tradition, der Deine Arbeit sehr stark beeinflusste, ist der rumänische Philosoph und Schriftsteller Mircea Eliade. Anders als so prägnante Charaktere wie Evola, Mishima, Codreanu und andere, schien die „Szene“ noch nicht allzu viel Notiz von ihm zu nehmen. Würdest Du uns also bitte ein wenig in sein Denken einführen?


Eliade
war Universitätsdozent und Forscher, daher sind seine Schriften akademischer, als die der genannten Autoren, aber gleichzeitig auch etwas losgelöster.
Eliade versuchte gemeinsame Verknüpfungen zwischen manchmal völlig verschiedenen Traditionen und die sie umgebende Bedeutung zu finden. Er hat sehr gute Bücher zur Mythologie und zum Sinn und Art der Mythen vorgelegt, die ziemlich interessant sind. 
Ich habe ihn zum ersten Mal gelesen, als ich etwa 18 Jahre alt war, und sein “The Myth of The Eternal Return”7 war damals ein ziemlicher Schock und eine Offenbarung für mich: es zeigte mir eine völlig neue Perspektive, es eröffnete mir eine gesamte neue Welt. Uns wurde gelehrt, dass die Zeit linear verlaufe, nicht zirkulär, aber dieses Denken ist im Grunde eine Anomalie in der Geschichte der Menschheit. Eine Anomalie, die in der heutigen Zeit gelehrt wird! Und es ist schon etwas schockierend, zu erfahren, in welcher Anomalie sich unsere Zeit befindet! Aber gleichzeitig war es auch faszinierend: es war die Antwort darauf, wonach ich in meinem Leben gesucht hatte, das fehlende Stück des Puzzles, aber es brauchte Jahre, um dies zu verinnerlichen.   
Da Eliade heutzutage mitunter auch als Faschist gesehen wird (teilweise seiner Verbindungen und Kontakte zu Codreanu und Evola wegen), denke ich, dass es nicht mehr allzu lang dauern wird, bis er in der „Szene“ auftaucht. Ich weiß, das war jetzt ziemlich sarkastisch...




Du hast ein Album unter dem Nebenprojekt POST CRASH HIGH veröffentlicht, das uns die völlige Kehrseite Deiner transzendentalen Arbeiten veranschaulicht. Die Thematik dieses Albums entfaltet eine ausgedehnte apokalyptische Vision, das Hauptaugenmerk ist stark auf Verfall und “Involution” gerichtet: hier begegnet uns Kultur anstelle von Natur, Spengler anstelle von Eliade. Auch die Musik tendiert eher zu einer elektronischeren und aggressiveren Herangehensweise...


Die elektronische und eher aggressive Herangehensweise war für mich ganz natürlich, da sich das Projekt mit dem Kernstück einer aus der Balance geratenen Welt befasste.
Die Ideen Spenglers waren nichts Neues, nur seine Methode. Wir können dies zum Beispiel an der Lehre der vier Zeitalter, die der hinduistischen Tradition entstammt, erkennen. Ich habe in der Multimediapräsentation und in einigen Stücken, Schriften und Gedichte von zugleich „traditionalen“ und „nicht traditionalen“ Autoren, wie Ezra Pound, Spengler und Antonin Artaud verwendet.
POST CRASH HIGH erkundet auch die Idee, dass die Apokalypse nicht morgen stattfinden wird, sondern längst um uns herum wirkend ist, ohne dass wir etwas davon bemerken. Wahrscheinlich wird diese Sicht einigen Leuten ziemlich seltsam erscheinen, aber wenn sie einen Augenblick lang innehielten, würde es für sie vielleicht einen Sinn ergeben.
In der Gestaltung des Albums stoßen wir auf Kaninchen mit Krawatten anstelle von Halsbändern um ihren Nacken, ganz wie in dem Playboy Logo! Mein seit jeher liebstes Albumcover ist der mit den zwei brennenden Kaninchen von “Love of Life” von den SWANS. Aber Kaninchen mit Krawatten sind grauenvolle Kreaturen; ich verachte wirklich, wofür Krawatten heutzutage stehen: das Business und erfolgreiche Männer, die eine Menge Geld machen, eine Menge unnötiger Dinge kaufen und sterben bevor sie wirklich zu existieren beginnen. Und diese Männer sind die Herrscher und Herren unserer Welt, oder zumindest glauben sie das!
POST CRASH HIGH war ein Mittel, die Welt von einem gewissen Standpunkt aus, so zu zeigen, wie sie ist und einige ihrer Schleier zu enthüllen. Es war eine Art negative Herangehensweise, die notwendig für die Wiedergeburt von etwas Reinerem war – THE JOY OF NATURE.




Dein nächstes Album wird “The Empty Circle” heißen. Was verbirgt sich hinter diesem Symbol – weitere Symbole und eine gewisse Art der Initiation? Was können wir von der begleitenden Kurzgeschichte und der Musik selbst erwarten?


Den “leeren Kreis” zu erreichen, ist der Gipfelpunkt der Initiation. Die Alben (es wird eine Trilogie werden) und die Kurzgeschichte handeln von dem Forschreiten der Initiation, nicht meiner eigenen, sondern einer Projektion meines Selbst, die jenseits meiner Individualität liegt, manchmal aber aus meiner eigenen Individualität hervordringt.
Die Kurzgeschichte wirkt in manchen Passagen ziemlich fragmentarisch: ein Festhalten kleiner, wichtiger Bruchstücke aus der Wirklichkeit, einer Wirklichkeit die sehr viel riesiger ist, als jene, die üblicherweise angenommen wird. Ich werfe in der Kurzgeschichte sogar die Frage auf: aber was ist wirklich?
Es wird einige „Trips“ ins Überbewusste sowie ins Unterbewusste geben, die sich manchmal überlagern. Die Kurzgeschichte zeichnet eine fast absurde Welt, die zu real erscheint und eine „normale“ Wirklichkeit, die unwirklich erscheint.
Die Musik, die gerade kein Soundtrack zu der Kurzgeschichte ist, handelt von denselben Dingen, aber nicht nur. Der erste Teil wird sehr viel näher am Folk sein als alles andere und die Kräfte der Natur behandeln. Der zweite Teil wird experimenteller ausfallen und mein eigenes Leben und meine Erfahrungen, meine Vergangenheit und Zukunft in den Mittelpunkt rücken, den Weg, den ich beschreiten möchte, wenn ich die Abgründe entlang des Weges vermeide. Man geht zu tief in die Erinnerungen der Kindheit zurück, man versucht etwas zu begreifen, das nicht begriffen zu werden braucht, und dennoch gibt es diesen Drang, es begreifen zu wollen, nur um vollständig verstehen zu können, dass es niemals etwas gab, das begriffen werden müsste. Ich liebe diese Paradoxien, die sogar beweisen können, dass das, was ich sage falsch ist! Der dritte Teil wird dann hoffentlich diese beiden musikalischen Seiten miteinander in Einklang bringen und ebenso die Kräfte der Natur mit meinen eigenen Erfahrungen versöhnen.



Diskographie:
2003 – THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE – “The Fog That Life Is Haunted By“ | REAPING HORDE | CD-R in handgemachter Verpackung mit getrocknetem Moos

2004 – POST CRASH HIGH – “The Apocalypse Came Yesterday And No One Noticed It” | Eigenvertrieb | CD-R mit Multimedia-Part, limitiert auf 77 Kopien in Jewelcase

2006 – THE JOY OF NATURE AND DISCIPLINE – “The Fog That Life Is Haunted By” Re-Release | BUNKIER PROD. | CD-R limitiert auf 213 handnummerierte Kopien in großformatigem Papp-Sleevecard, mit zwei unveröffentlichten Bonustracks

2006 – THE JOY OF NATURE – „The Shepherd’s Tea At Seven“ | LITTLE SOMEBODY | limitiert auf 500 Kopien in schwarzem Vinyl, die ersten 50 Kopien mit Teebeutel aus eigenem Anbau


Anmerkungen:
1 ein großer, ausführlicher Artikel zum REAPING HORDE Label findet sich im Archiv des "Heimdallr" Webzines
2 „die Erntezeit läutet im Herzen den Frühling ein“
3 „die Natur feiert sich in der Natur, und die Natur enthält die Natur“
4 Ruska, Julius: Turba Philosophorum. Die Versammlung der Philosophen. Berlin: Julius Springer 1931
5 Bardon, Franz: Der Weg zum wahren Adepten. Ein Lehrgang in 10 Stufen Theorie und Praxis. Freiburg i. Br.: Bauer 1956
6 ein ausführliches Online-Kompendium zur Entwicklung und Geschichte der Folkmusik findet sich unter „The Unbroken Circle
7 Eliade, Mircea: Der Mythos der ewigen Wiederkehr. Düsseldorf: Diederichs 1953


alle Illustrationen © Susana Mota, 2006


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
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