Das Repertoire des RENAISSANCE ENSEMBLEs CHANT 1450 rührt aus zwei Liedersammlungen, die um die Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert recht bedeutsam waren. Diese Liedersammlungen, namentlich „Cancionero de Colombina“ und „Cancionero de Palacio“, sind spanisch / portugiesischen Ursprungs. Sie beinhalten recht unterschiedliche musikalische Formen. Zum Beispiel auch Stücke der „Folia“. Hierbei handelt es sich um schnell gespielte Tänze, die formal darin übereinstimmten, dass sie drei- bis vierstimmig und ziemlich wild waren. Dies führte dazu, dass der Foliatanz anfangs immer wieder verboten wurde. Später, also während des Übergangs von Renaissance zu Barock, wurde alles reglementierter. Bezeichnend hierfür ist die Beschränkung der „Folia“ auf den Dreiertakt, die so genannte „Homophonie“. Das Album "Echoes Of Harmony" greift jedoch nicht so weit vor. Es geht eher einen Schritt zurück. Das Gewicht liegt hier nämlich auf den frühen Stücken der oben genannten Sammlungen. Namentlich wäre hier JUAN DEL ENCINA zu nennen. Dazu kommt, wie der Name CHANT 1450 RENAISSANCE ENSEMBLE bereits vermuten lässt, dass es sich hier um das Liedgut der (dem Barock vorangegangenen) Renaissance handelt. Die Renaissance, die ja den Übergang zur Neuzeit markiert, widmete sich der Wiederbelebung der griechischen und römischen Tradition. Das ist dann auch hörbar. Denn "Echoes Of Harmony" ist von einer angenehm ruhigen Grundstimmung geprägt. Das Ensemble CHANT 1450, das aus Musizierenden der SCHOLA CANTORUM Basel besteht, harmoniert bestens mit den elektronischen Flächen von CHAUVEAU und der Stimme JAVIER ROBLEDANO CABRERAs (Countertenor). Ins Gefüge passen ebenfalls sehr gut ELIZABETH RUMSEY, MARC LEWON (Viola und Laute) und MASAKO ART (Harfe). Der Musiker SYLVAIN CHAUVEAU nahm sich nun einiger Stücke aus diesen Liedersammlungen an und spielte sie mit dem RENAISSANCE ENSEMBLE ein. Heraus kam dabei eine interessante Kompilation, die sich irgendwo zwischen Alter und Neuer (elektronischer Ambient-) Musik bewegt. Ob letztere nur füllende Dehnungsfläche oder vorsichtig und zurück genommene Erweiterung des bestehenden und umgearbeiteten Materials ist, liegt im Ohr der Hörenden. Fachlich qualifizierte Einschätzungen sind hier eher fehl am Platz. Denn wir wissen, dass es Unmengen Alben gibt, die von der Kritik hochgeschätzt, vom Publikum jedoch ignoriert werden. Meiner Einschätzung nach haben wir es hier mit einer wunderbar angenehmen, denn zurück genommenen Arbeit zu tun. Alles passt sich hervorragend ins Gesamtbild ein. Und das besticht durch seine Tiefe. Die wiederum macht es möglich, sich darin nicht nur zu verlieren, sondern in einer anderen Zeit wiederzufinden. Wir haben es hier also mit einer Zeitmaschine zu tun. Oder mit einer Uhr, die, drehen wir sie zurück, die Umgebung verändert. Was dann schließlich auch heißen könnte, dass Musik ein Werkzeug der Zeit ist. Oder aber umgekehrt ... Sind beide nur gut genug aufeinander abgestimmt, kann es dazu führen, dass niemand mehr weiß, wo und wann man ist, während man hört ...
awk für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » SYLVAIN CHAUVEAU-Seite » CHANT 1450-Seite » Label-Seite
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