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Michael We.

Angespielt: Neues auf FINAL MUZIK

NERVA, TEMPLEZONE, CYCLIC AMP und andere...


Angespielt: Neues auf FINAL MUZIK
Kategorie: Spezial
Wörter: 1133


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Auf das kleine italienische Label FINAL MUZIK treffen wir immer wieder (unter anderem bei Besprechungen zu NOSTALGIE ÉTERNELLE oder DEISON). Überwiegend wird elektronische Musik veröffentlicht, es tauchen aber auch Überraschungen auf, wie die Doppel-CD von CYCLIC AMP, auf deren Kurzbesprechung am Ende ich jetzt schon hinweisen möchte. In den vergangenen Monaten sind einige interessante Alben erschienen, die wir hier im Überblick vorstellen.

NERVA: ~
CD 2016




Die beiden italienischen Elektronikmusiker ANDREA BELLUCCI und ANDREA GASTADELLO reden seit circa zwei Jahren über eine Zusammenarbeit. Das Ergebnis ist die nun veröffentlichte, gleichnamige Debüt-CD des neuen Projektes NERVA. Die Abkürzung steht für 'Nuclear Engine for Rocket Vehicle Application', den Versuch der NASA, ab 1954 ein nuklearbetriebenes Raketentriebwerk zu entwickeln. Und ja, etwas von einer Reise ins kalte und ungewisse Weltall hat das Album.
Erstes derbes, wallendes Dröhnen deutet auf Power Electronics hin, wird aber stets begleitet von eher leisen, tuckernden Rhythmen und einer zerrenden Lautsprecherdurchsage. Raketenstart, oder die rasende Fahrt auf einer geraden, grauen Betonstraße. Die minimalistische, extrem rhythmische Elektronik in digitaler Kühle beherrscht den überwiegenden Teil des Albums, allerdings kommt immer wieder zeitig Abwechslung auf mit Ambient-lastigen Stück und psychedelischen Spritzern – ruhige Flugphasen –, die hohe Geschwindigkeit bleibt aber unterschwellig bestehen. Nach der leiseren Mitte mit nur wenigen Dröhnern übernehmen erneut stärkere Beats, bevor ein majestätisch glänzender Dark Ambient-Zehnminüter die Reise erfolgreich zuende gehen lässt.
Drum'n'Bass-artige Rhythmen machen das Album rasant und unruhig, wobei die Musik fortwährend vorangleitend. Noisiger, sehr minimaler Mix aus Techno und Ambient, programmatisch und mit hohem Trancefaktor!

TEMPLEZONE: Neosphera
CD 2016




GIORGIO RICCI war Mitglied der zumindest in Italien recht bekannten EBM- und Industrial-Rock-Band TEMPLEBEAT. Rund um einige Veröffentlichungen Anfang der 1990er-Jahre hatte er mit seinem Projekt sogar einige Einträge in entsprechenden Clubcharts und TV-Auftritte bei MTV. TEMPLEZONE scheint nun, allein dem Namen nach, der offizielle Nachfolger zu sein, vor wenigen Wochen erschien das Debüt "Neosphera".
Die sehr höhlige Dark Ambient-Atmopshäre zu Beginn ist extrem beeindruckend; künstliche Tropfen fallen mit Plings von der Decke, leichtes Rauschen und Knarzen untermalt die Szenerie. Wie auf Luftkissen segeln voluminöse Drones vorbei. Umso mehr überrascht mich – wobei es sich eigentlich um den logischen Anschluss an frühere TEMPLEBEAT-Veröffentlichungen handelt – das technoide Wummern, mit dem es weitergeht. Die Töne bleiben melodiös, wirken aber wesentlich harscher, auch die Drones werden schärfer. Zwischen diesen beiden Polen liegt im wesentlichen das Album: einerseits ruhiger, dunkler Ambient und andererseits treibende, knallende Passagen, immer wieder auch vermischt, bis hin zu noisigen Einsprengseln.
"Neosphera" weist eine große Eleganz auf, wobei die ruhigen Tracks hier am meisten glänzen und am kunstvollsten gebaut sind. Gegen Ende macht sich ein wenig Gleichförmigkeit breit, die Melodien der letzten beiden Stücke wirken gar EBM-poppig. Dennoch ein insgesamt sehr atmosphärisches Album zwischen den genannten Genres.

THISGREY HATES THE SUN: ~
CD 2016




Dieses neue italienische Elektronikprojekt, hinter dem sich mit GIORDANO RIVOLTA nur eine Person verbirgt, hat sein Debüt Anfang des Jahres rausgebracht. Musik für kalte und leere Räume soll auf der CD sein, und überwiegend passen die Tracks auch dazu, sind beklemmend und 'spooky'.
Gleich zu Beginn stellt sich eine recht klassische, sehr schleichende Dark Ambient-Anmutung ein, mit gummiartigen Drones und einem wiederholten, scheppernden Ton. So entfaltet sich nach und nach eine sehr unheimliche Atmosphäre im 13minütigen Opener, die tatsächlich was von einem Horror-Soundtrack hat. Schemen in der Dunkelheit und wabernde Geistervocals finden sich in den Geräuschen wieder, auch das folgende noisige Fiepen erinnert an schabende Fingernägel beim Dahinsinken an einer Wand. Einige spätere Tracks verlassen allerdings diese extrem düstere Atmosphäre und spielen mit modernen elektronischen Frickeleien, bis hin zu puren Noise-Strecken. Der letzte Track arbeitet sogar mit Gitarrenklängen.
Im Prinzip ein sehr stimmungsvolles Dark Ambient-Album, das mehr auf Atmosphäre als auf Struktur setzt. Noch wesentlich stärker allerdings wäre die Wirkung, wenn die einheitliche Umgebung nicht durch einige Zwischenspiele unterbrochen würde.

PRIORATVM: Adonis
CD 2016



Über das Projekt PRIORATVM weiß ich kaum mehr, als dass sich dahinter ein Italiener namens MIRKO B. verbirgt. Seine künstlerische Arbeit, schreibt er, "evolves in a constant research based on esotherism, emotive perceptions and human psichology, inspired by real stories, legends and evocative landscapes." Diese Beschreibung passt zur Musik, die uns auf seinem zweiten offiziellen Album "Adonis" erwartet: eine Mischung aus Neoklassik, Ambient und Folkansätzen.
Zum Start durchquert ein düsterer, schlangenförmiger Drone spacige Synthieklänge, ein gezupftes Streichinstrument besetzt sofort das Genre 'Neoklassik'. Zusammen ergibt das eine dronige, irgendwo im Weltraum angesiedelte und nicht unwohlige Welt. Die Synthielayer werden dichter, mein Soundtrack-Gefühl verstärkt sich. Grundsätzlich wirkt die Musik sehr episch und weit, liegt zwischen schön, dramatisch und unheimlich. Manche Melodielinien werden insbesondere im Mittelteil fast rührselig, sind aber aufgrund der stets dezenten Instrumentierung nie überfrachtet. Einige Percussion verstärkt den reisenden, wegtragend Eindruck der Stücke, die übrigens im Verlauf zunehmend akustisch bleiben. Später setzt noch elfenhafter Silbengesang ein, was dann phasenweise schon sehr verträumt wirkt.
Auf "Adonis" erinnert mich einiges an das finnische Projekt NEST, insbesondere durch die markanten, verhallten Zupftöne. Insgesamt viel guter, überwiegend neoklassischer Ambient, der dann seine stärksten Phasen hat, wenn auch die Elektronik – als Kontrapunkt zu den lieblichen Parts – eine entsprechende Rolle spielen darf.

CYCLIC AMP: Shrapnel In The Toyshop
Doppel-CD 2015




Schon 2015 veröffentlicht, aber wichtig: eine Sammlung der Songs von CYCLIC AMP. Die Band aus Liverpool transportierte Mitte bis Ende der 1980er-Jahre einen wütenden Anti-Thatcherismus in ihrer Musik, weshalb mir die immer wieder auftauchende Bezeichnung 'Goth Noise' (vor allem wegen des Noise) auch besser gefällt als das herkömmliche, langweilige 'Post Punk'. Auf einer Doppel-CD werden alle zentralen Veröffentlichungen und Stücke erfasst, inklusive einiger Demos und Liveeinspielungen.
Die zentralen Stücke bestehen aus druckvollem, dunklem Wave mit Bass, Gitarre, und Schlagzeug. Dominiert allerdings von der markanten, knarzigen und immer latent vorwurfsvollen Stimme von STEVE RICHMOND. Ebenfalls auffällig sind die regelmäßig eiengesetzten, noisigen Synthie- oder Verzerr-Effekte. Für mich am beeindruckendsten bleiben aber die Songs, die man heute wohl als 'Stoner' oder 'Doom Rock' bezeichnen würde: schleppend und malmend, ein einziger Sog mit Sprechgesang (oder Growls), oft schreiend bis kurz vorm Abnippeln – ich werde beim Hören unwillkürlich ein Stück kleiner.
Trümmernder Wavepunk, der von seiner Wucht in den vergangenen 30 Jahren aber auch gar nichts verloren hat. Ansätze von BAD RELIGION oder NEW MODEL ARMY, eben nur in richtig dreckig. Das Wutpotential der Demos auf der zweiten CD ist sogar oft noch größer. Was diese Band live wohl alles zerlegt hat... Eine essentielle Veröffentlichung, wie das Label zurecht schreibt. An der teils sehr unterschiedlichen Produktion ist wohl bewusst nicht nachgeschraubt worden.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Labelseite


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