Michael We.
MATT HOWDEN über mp3s, die EU + neue CDs"Wir wären besser ein Teil von Europa geblieben"Manche Leute können nicht so schnell essen, wie MATT HOWDEN arbeitet. Bewundernswert finde ich dabei immer wieder, wie hoch die Qualität der Musik bleibt und wie markant wiedererkennbar der Brite mit seiner Geige insbesondere mit seinem Hauptprojekt SIEBEN ist. Das Experiment von drei Download-EPs – den ersten Download-Werken von MATT – ist abgeschlossen. Nun folgt die Aufarbeitung in Form von zwei CDs, die eben erschienen sind. Auf "The Old Magic" versammeln sich die für die EPs neu geschriebenen Stücke, allerdings umfangreich überarbeitet, wie wir gleich hören werden. Die Schwester-CD "The Other Side Of the River" vereint die restlichen Songs, ältere Stücke, die MATT für die EPs aufpoliert hat, die jetzt aber für die CD-Version ebenfalls noch einmal überarbeitet wurden. Beide Alben sind rund 50 Minuten lang, haben eine sehr intensive Stimmung und sind Grund genug, dem Workaholic ein paar Fragen zu stellen ...
Hallo MATT! Kannst Du uns das Konzept nochmal erklären, das hinter den drei Download-EPs und den zwei nun als CD erscheinenden Alben steckt? Hallo! Man könnte die Trilogie als 'eine Reise' beschreiben, oder auch als 'kleines Chaos'. Eigentlich hatte ich erst vor, nur die drei Download-EPs zu machen, jede mit zwei neuen langen Tracks und zwei alten überarbeiteten. Die Leute fingen schnell an, nach richtigen CDs zu fragen. Aber so insgesamt gesehen waren acht Tracks mit zehn Minuten in vielerlei Hinsicht 'zu viel' – die Stücke hatte ich absichtlich so ausgedehnt angelegt, auf eine gewisse Art und Weise 'rituell'. Das hätte einfach so auf CD nicht funktioniert, denke ich. Also habe ich mich schon während der Arbeit an der dritten EP daran gemacht, auch ein paar sanftere Stücke zu schreiben, um sie zwischen den schwereren zu platzieren. Dann habe ich drei der EP-Lieder neu aufgenommen, sie dem CD-Format angepasst, und habe noch einen komplett neuen Track geschrieben. Alles ziemlich schwierig, aber notwendig für den Flow der Musik. "The Other Side Of The River", also die Schwester-CD, enthält die entsprechenden EP-Versionen, die nicht auf "The Old Magic" sind, und alle überarbeiteten Stücke. Und selbst da habe ich noch eines dazugepackt, und ein paar überarbeitete Songs nochmal überarbeitet. Alle, die das bei DISCOGS eintragen, haben jetzt Alpträume von mir. Also habe ich mich nicht verzählt ... Auf den drei EPs waren insgesamt zwölf Songs, auf den beiden CDs sind nun jeweils 16 Stücke – welche waren jetzt nochmal ganz neu?!? Hast Du nicht. Für "The Old Magic" habe ich "A Hart For St Hubertus" geschrieben, als Brücke zwischen paganen Elementen und dem schlussendlich fertigen progressiven Track. Auf der "The Other Side..."-CD ist das Stück "Love Must Wax Cold" neu, es stammt von einem meiner ehemaligen Studenten, ADAM WILSHIRE. Die beiden Versionen von "Loki" und "Loki Rides Again" sind gleich geblieben, aber bei "We Wait" konnte ich einer erneuten Überarbeitung nicht widerstehen, so dass der Song sich jetzt der Umgebung des Schwesteralbums anpasst. Zu "The Old Magic" schreibst Du: "The mood is firmly set in Roman Britain", was ja eigentlich vor allem für die letzte der drei EPs ("Briton") gilt. Hast Du die anderen Stücke auch darauf hin nochmal angepasst, dass sie am Ende in die Umgebung von 'Roman Britain' gehören? Ich habe eine EP nach der anderen fertig geschrieben, also gab es von ganz alleine eine natürliche Entwicklung im Sound. Im Hinterkopf, also sicher schon während der Arbeit an "Norse", der zweiten, hatte ich so Pakete aus Motiven, die gut zusammenpassen würden. Auf "Lietuva", der ersten, war "Uzupis" noch der einzig halbwegs moderne Song. Deshalb steht er jetzt am Ende der Haupt-CD als "The Other Side Of The River". "Black Moon Rise Again" dagegen hatte etwas sehr schön Paganes. Wenn man unter die Oberfläche schaut, gibt es ein Motiv, das ein modernes Britannien und unseren Ausstieg aus Europa mit dem Britannien der römischen Zeit verbindet. Ganz besonders "Hillfort Mindset", ein Song auf der "Britain"-EP, warnt davor, uns vor der restlichen Welt abzuschotten. Ich werde selten mit meiner Musik politisch, aber ich nahm und nehme sehr stark wahr, dass wir besser ein Teil von Europa geblieben wären, egal welche Zweifel die Menschen an der EU haben. Statt uns moralisch und finanziell zu ruinieren und zu gehen. Zaun im Kopf. Diese Denke hat schon den alten Briten nichts gebracht. Da kommt mir immer der MONTHY PYTHON-Sketch in den Sinn: "What have the Romans ever done for us". Im Pressetext heißt es, bezüglich "The Old Magic" seist Du "in more confrontational mood than ever". Wie meinst Du das? Ja, eigentlich bin ich sanft wie ein Lamm (lacht). Die Musik hat einfach mehr Intensität, was ich eigentlich schon früher erreichen wollte, aber es hat irgendwie nie so ganz geklappt. Ich schreibe einen dunklen und fiesen Song, aber beim Verfeinern, beim Abmischen eines Albums neige ich dazu, ihn 'netter', ruhiger oder gradliniger zu machen. Mit dem aktuellen Album ist mir eine gute Produktion gelungen, ohne dass ich die Kanten geglättet habe. Die Melodien sind rauer, vieles hat mehr Drive oder ist verzerrt. Ich habe ältere Kompressor-Modelle verwendet, ausgerichtet an Bandaufnahmen, außerdem einige analoge Effekte; deren akustische Qualität ist einfach klasse, und sie sorgen für undefinierbare Farbtupfer in der Musik. Es fällt auf, dass alle neuen Stücke – wie schon angesprochen – auf den drei EPs sehr lange und episch waren, länger als auf Deinen regulären Alben. Hast Du Deine Arbeitsweise geändert? Ja! Das war Teil der Idee und des Workflows bei den EPs, ausgedehntere Stücke zu schaffen, alle so ungefähr zehn Minuten. Das gibt Dir mehr Möglichkeiten, hypnotische und rituelle Elemente zu erzeugen, deutlich herauszuarbeiten. Wenn die Loops länger und länger werden, bleibt am Ende wenig vom ursprünglichen Loop übrig, man nimmt noch deutlicher die zyklische Natur des Arbeitens mit Loops wahr. Ich konnte auch mehr Platz in den Stücken lassen, Pausen einbauen, bevor der nächste Layer drüberkommt. Das macht die Stücke natürlich länger. Für die CD dachte ich dann, es wäre vielleicht ein bisschen heftig, all diese langen Stücke nur aufzureihen, mit dieser Intensität. Viel Arbeit für den Hörer, möglicherweise. Deshalb habe ich das Material von den EPs zur CD etwas verändert. "Ready For Rebellion", ein Viertel der entsprechenden EP und neun Minuten lang, ist jetzt in einer Drei-Minuten-Version auf dem Album. Du bist eigentlich kein Freund von Downloads. Hat sich das mit den drei Download-EPs geändert? Hat das Konzept für Dich funktioniert? Ich bin einfach kein Fan der Qualität von Downloads, mit der man die Files heutzutage runterzieht – mich eingeschlossen. Bin ich immer noch nicht, obwohl auch ich auf Reisen mit meinem iPad die mp3s komprimiere, um Platz zu sparen. Es ist halt eine Schande, dass der Künstler hart arbeitet, um gute Soundqualität abzuliefern, und dass dann viele Details auf den Geräten oder über die Kopfhörer bei mp3s verloren gehen. Ich kaufe aber selbst fast alle meine Musik als Download, außer wenn ich zu Konzerten gehe. Es ist immer schön, vor Ort eine CD zu kaufen, und die Band muss eine weniger rumschleppen, wenn sie wieder weiterreist. Außerdem geht das Geld direkt an die Musiker. Aber mir geht es eigentlich nur um die Musik. Ich überspiele alles auf meinen Studio-PC, und die CD verschwindet dann sehr häufig für immer ... Wie immer bei Dir als Workcoholic stellt sich die Frage: Was kommt als Nächstes? "Was als nächstes kommt, liegt schon hinter mir", erklärt er geheimnisvoll. Ich habe parallel zu den beiden SIEBEN-CDs schon am zweiten 7JK-Album gearbeitet. Es gibt eine kleine Änderung im Line-Up: Dieses zweite Album machen nur noch MACIEK FRETT von JOB KARMA und ich. (Anmerkung der Redaktion: Beim ersten Album waren beide Musiker von JOB KARMA dabei.) Wir sind richtig durch die neuen Songs gerast, haben für uns einen neuen Stil und einen neuen Groove gefunden. Alle zehn Stücke haben wir innerhalb von zwölf Wochen geschrieben, aufgenommen und abgemischt! Jetzt ist erst mal Pause, für eine gewisse Zeit. Dann folgt REDROOM 020, die 20ste Veröffentlichung auf meinem Label. Dafür denke ich mir etwas ganz anderes aus, was von SIEBEN. Sehr speziell und noch geheim, es wird die Leute völlig unverhofft anspringen, denke ich. MATT, danke für das Gespräch!
Michael We. für nonpop.de
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