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Tony F.

24. Wave-Gotik-Treffen 2015 (WGT)


24. Wave-Gotik-Treffen 2015 (WGT)
Kategorie: Spezial
Wörter: 3769
Erstellt: 09.07.2015
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Angestachelt von den meist recht frühen Bekanntgaben anderer Festivals, was das Line-Up betrifft, stellte sich auch in diesem Jahr natürlich wieder irgendwann diese typische Unzufriedenheit ein, was wann beim diesjährigen Wave Gotik Treffen geboten würde. Da die Teilnahme für mich ohnehin obligatorisch ist und es am Ende wieder einmal nicht möglich war, alles mitzubekommen, was man gerne gesehen hätte, stellte sich diese anfängliche Unzufriedenheit allerdings auch wie in jedem Jahr als völlig unbegründet heraus. Wieder einmal wurde natürlich das große Schaulaufen geboten, bei dem man sich ja nicht beteiligen muss bzw. was man auch einfach ignorieren kann. Ebenso konnte man wieder die großen Mainstream-Veranstaltungen meiden und sich eher dem musikalischen Randgeschehen widmen, wobei gerade beim WGT immer wieder überrascht, wie viele Zuhörer sich für Bands begeistern können, die nirgendwo in den üblichen Medienkanälen auftauchen – aber dafür sind viele Besucher wohl auch da. Da in diesem Jahr nur ein Redakteur vor Ort war, fällt die Berichterstattung vielleicht etwas weniger breit und umfangreich aus. Die Auswahl ist darüber hinaus wie immer von den Zeitplänen abhängig und natürlich von den persönlichen Präferenzen des Redakteurs.

Freitag

Beim Eintreffen im Volkspalast gingen gerade MUSHROOM’S PATIENCE in der Kantine auf die Bühne. Musikalisch haben MUSHROOM’S PATIENCE ja schon einige Felder beackert, sodass man im Vorfeld nicht zwingend sicher sein kann, was einem geboten wird. Ausgehend von dem elektronisch gehaltenen, letzten Album „Jellyfish“ konnte man allerdings erahnen, in welche Richtung es gehen würde. Tatsächlich stellte das Trio aus  RAFFAELE CERRONI alias DITHER GRAF (Gitarre, Gesang),  VINZ AQUARIAN (Synthesizer, Gesang) und der ausdrucksstarken Sängerin und Keyboarderin ECHO EERIEE eine durch elektronische Beats und Klangräume geprägte Performance vor, die soundtechnisch an Trip-Hop und düsteren Elektro gemahnte. Dazu wurden im Hintergrund allerlei skurrile Bilder an die Wand geworfen. Im letzten Drittel wurde als Überraschungsgast zudem noch die ebenfalls an „Jellyfish“ beteiligte GENEVIÈVE PASQUIER auf die Bühne gebeten, um mit der Band den Song „Subconsciousness Thrill“ zu spielen. Insgesamt ein zurückhaltender, musikalisch unbestritten guter Auftritt, wobei mir an dem aktuellen Sound von MUSHROOM’S PATIENCE etwas die Kanten und das Abseitige fehlen.

In der Kuppelhalle nebenan gingen anschließend PETER und IA BJÄRGÖ unter dem Banner von SOPHIA auf die Bühne. Nachdem ARCANA wohl – zumindest vorerst – Geschichte sind, führt SOPHIA seit ein paar Jahren ja bereits eine Art untote Existenz – zumal sich PETER BJÄRGÖ, was den bombastischen Krach anbetrifft, seit einiger Zeit bei KARJALAN SISSIT betätigt. Wie immer bei Live-Konzerten von Martial Industrial-Acts stehen opulenter Bombast und die Wirklichkeit auf der Bühne gegensätzlich gegenüber – dies dürfte für den regelmäßigen Konzertbesucher keine Neuigkeit sein. So war es natürlich auch diesmal wieder bei SOPHIA. Der Hauptteil der Musik kam wie gewohnt aus dem Rechner – nur einige Trommel-Parts und das Bearbeiten von Metall wurden von den Akteuren live beigesteuert, wobei ich allerdings auch der Ansicht bin, dass live – und was den allgemeinen Showeffekt angeht – bei den Acts der oben erwähnten Spielart oft wesentlich mehr möglich wäre. Um das Ganze etwas abzufedern, bemühte man sich wie auch schon bei früheren Auftritten allerdings darum, möglichst viele Stücke mit Gesang in das Set aufzunehmen. Da SOPHIA veröffentlichungstechnisch seit mehr als zehn Jahren nicht mehr aktiv sind, war es zumindest interessant zu hören, dass es auch neues Material gab, beim dem u.a. auch IA BJÄRGÖ ans Mikrophon trat. Der größte Teil des Konzerts wurde allerdings aus der kurzen, aber qualitativ hochwertigen Diskographie der Band bestritten, sodass es für Fans der Band eigentlich nichts zu kritisieren gab.

Samstag

Im Alten Landratsamt wurde der Neofolk-Abend von den Italienern von ROMA AMOR eröffnet, die im Gegensatz zum letztjährigen Auftritt beim Runes & Men Festival diesmal als Trio agierten, da man einen Schlagzeuger hinzugenommen hatte, der in der ersten Hälfte des Konzerts dem Ganzen etwas Kompaktheit und Dynamik verlieh. Später spielten die beiden Protagonisten allerdings wie üblich als Duo ihre zwischen Chanson und italienischem Folk angesiedelten Stücke. Insgesamt fehlt mir bei ROMA AMOR aber nach wie vor der Drang zum durchschlagskräftigen Song und zur Varianz.

Der eine oder andere interessierte Neofolk-Hörer war sicherlich schon im Vorfeld gespannt, was anschließend BLOOD & SUN aus den USA bei ihrer Europapremiere auf die Bühne stellen würden, wobei hier eine der unglücklichsten Überschneidungen des Festivals zu verzeichnen war, weil ausgerechnet zeitgleich IN RUIN – u.a. mit Unterstützung durch DARKWOOD – im heidnischen Dorf spielten. Wer das Debütalbum „White Storms Fall“ von BLOOD & SUN kennt, der wusste, dass sie/ihn eher traditioneller Neofolk erwartet, der weniger pathetisch als vielmehr rauer, dem englischen Apocalyptic Folk nahe stehend, ausfällt. Ist das Album eine Gemeinschaftsarbeit von LUKE TROMICZAK und einigen Mitmusikern, so trat der Gitarrist und Sänger solo auf, wobei er sich mit einem Schellenkranz am Bein und einer Bassdrum selbst begleitete. Im Soundbild so reduziert wurde der Bezug zum traditionellen Apocalyptic Folk noch deutlicher, was sich auch am Opener „Seeker“ – im Original von FIRE & ICE – zeigte. Danach folgten Stücke des Debütalbums, die kraftvoll und mit ordentlichem Druck dargebracht wurden. Letztlich – so muss man konstatieren – bieten BLOOD & SUN natürlich nichts wirklich Neues oder Innovatives und auch das Songwriting könnte noch etwas zwingender werden. LUKE TROMICZAK kann aber definitiv Gitarre spielen, gut singen und hat das Zeug, live mitzureißen, sodass in Zukunft sicher noch einiges zu erwarten ist.

Da das Set von BLOOD & SUN schneller beendet war als angenommen und das Stadtbad nicht weit vom Alten Landratsamt entfernt liegt, konnte man es noch locker zum Auftritt von CRASH COURSE IN SCIENCE schaffen. Das Stadtbad als Location, welches ordentlich Besucher fast und Dank der Innenarchitektur und der passenden Beleuchtung eine dekadent-abgefahrene Bühne für das Geschehen abgab, war in diesem Jahr erstmalig im Programm. Das bereits 1979 gegründete Trio CRASH COURSE IN SCIENCE hat Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre ganze zwei Tonträger veröffentlicht, wurde aber Mitte/Ende der Nuller-Jahre wieder ausgegraben. Vor allem die Werkschau auf VINYL ON DEMAND aus dem Jahr 2009 hat die Band wieder ins Gedächtnis der Minimal-Elektronik/Post-Punk-Szene gerufen. Die Band ist auch seit etlichen Jahren wieder live unterwegs. Im Stadtbad legte die Band eine energiegeladene Show hin, wobei der teilweise als Proto-Techno bezeichnete Sound der Band ordentlich Druck machte. DALE FELICIELLO und MALLORY YAGO, die mit einer riesigen blonden Perücke unterwegs war, wirbelten dabei über die passend, etwas dunkel gehaltene Bühne und performten wechselseitig ihren etwas parolenhaften Gesang, während sich MICHAEL ZODOROZNY im Hintergrund hielt. Neben den Klassikern gab es auch neues Material zu hören, wobei auch gleich eine neue Veröffentlichung angekündigt wurde.

Das Frauen-Duo MINUIT MACHINE, deren Debüt-Album „Live & Destroy“ im letzten Jahr erschienen ist, steuerte den Sound anschließend in Richtung synthetischer Cold-Wave/ 80er Synth-Pop. Die Musik lebt dabei von recht straighten Rhythmen, hellen, dichten Melodieflächen und dem Gesang von AMANDINE STIOUI. Gerade der Gesang wusste mich aber überhaupt nicht zu begeistern, weil die Varianz doch sehr eingeschränkt ist und man trotz der üblichen Toleranz bei subkultureller Musik feststellen muss, dass es da noch ein deutliches Potential nach oben gibt. Aber auch musikalisch klingt bei MINUIT MACHINE vieles zu gleich und zu oft gehört, da es „irgendwie-Synth-Wave-mit-Frauengesang“ mittlerweile schon genügend und mit oft durchwachsener Qualität gibt.

Im Anschluss war es möglich, einem Auftritt der Kanadier von AUTOMELODI beizuwohnen, die ihr offizielles Debüt noch auf dem Kultlabel WIERD RECORDS veröffentlicht haben. Stilistisch bewegt man sich – nicht überraschend – zwischen den Polen Minimal-Elektronik und – ich nenne es mal salopp – „schmieriger“ 80er-Synth-Pop. XAVIER PARADIS, der neben seinem französischen Gesang einiges an den Synthesizern schraubte, teilweise auf ein Drumpad eintrommelte und ansonsten über die Bühne stürmte, gab in seinem Matrosen-Aufzug auf jeden Fall alles. Sein Kompagnon verbreiterte den Sound zudem mit wavigen Gitarrenklängen. Das Set wirkte dabei wie aus einem Guss, da man auch die einzelnen Stücke ineinander laufen ließ. So brandete zwischendurch eher Szenenapplaus auf, wenn ein Stück wie „Schéma Corporel“, der Hit des selbstbetitelten Debüts, gespielt wurde. Insgesamt ein launiges Spektakel auch wenn man musikalisch im Sinne der Unverkennbarkeit sicher noch zulegen kann.

Sich selbst bezeichnet man als Electronic/Post-Punk/Industrial Monster aus Stockholm. Ob nun Monster oder nicht, AGENT SIDE GRINDER haben sich über die Jahre zunächst als Trio später als Quintett inklusive Bassisten einen exzellenten Live-Ruf erspielt, gerade weil die Elektronik live auf die Bühne gebracht wird und zudem Frontmann KRISTOFFER GRIP, stets exzentrisch und mitreißend tanzend agiert. Alleine die herausgepressten, oft kaum zu verstehenden Ansagen zwischen den Songs haben Unterhaltungswert, sodass der eine oder andere dem Unglauben verhaftet bleiben könnte, wenn KRISTOFFER GRIP in Interviews angibt, auf der Bühne nüchtern zu sein. Wer den Mann einmal vor oder nach einem Auftritt gesehen hat, weiß aber, dass das stimmt. Für den Auftritt auf dem diesjährigen WGT konnte somit eigentlich nichts schiefgehen. Mit neuem Album „Alkimia“ im Gepäck setzte man schließlich eine Best-Of-Setlist um, zu der sich natürlich auch neues Material wie die Vorab-12“ „This Is Us“ gesellte. Mit Stücken wie „Life In Advance“, dem hypnotischen „Mag 7“ oder dem zwischen Wucht und Wave liegenden „Wolf Hour“, das als Abschluss des offiziellen Sets fungierte, brachte man jedenfalls alle Stärken der Band ein, die ihr Material wieder einmal professionell umsetzte. Natürlich wurde zur Zugabe gebeten, sodass die Besucher des rappelvollen Stadtbads zu dem Elektro-Punk-Kracher „Die To Live“ noch einmal alles geben konnten. Konzerttechnisch eines der Highlights des diesjährigen WGTs.

Sonntag

Der Sonntag war schließlich der Tag der ruhigeren Konzerte im Schauspielhaus. Den Anfang machte JO QUAIL, die wenn nicht schon bekannt, dem einen oder anderen spätestens seit ihrer jüngsten Zusammenarbeit mit MATT HOWDEN unter dem Namen RASP bekannt sein dürfte. Ähnlich wie dieser arbeitet JO QUAIL mit ausgedehnter Loop-Technik, um alleine mit ihrem Cello und rein instrumental komplexe Klangwelten aufzubauen. Dabei berücksichtigte sie Material ihrer beiden, bisher erschienenen Alben wie auch komplett frisches, gerade beim Proben in Leipzig entstandenes Material. Durch die Kommunikation mit dem Publikum, wobei über das Entstehen von Songs u.ä. berichtet wurde, stellte sie eine zusätzliche Verbindung zum Auditorium her. JO QUAIL ist zudem eine Musikerin, deren Stärke in der Live-Präsentation liegt. Während rein instrumentale Musik dieser Art – ebenso wie bei der ähnlich zu Werke gehenden JULIA KENT – aus der Tonkonserve nicht immer voll mitreißt, gelingt dies auf jeden Fall live.

Nach dem WGT-Debüt von OWLS im Jahr 2011, damals in der Kantine im Volkspalast, stand das Trio in diesem Jahr nun im Schauspielhaus auf der Bühne. Pünktlich zum Fest hatten TONY WAKEFORD, ERALDO BERNOCCHI und LORENZO ESPOSITO FORNASARI die neue Single „Scars/ Child“ mitgebracht, die das erste neue Material von OWLS seit dem Debütalbum von 2011 enthält, wobei musikalisch keine großen Veränderungen zu verzeichnen sind. Die beiden Stücke wurden vorab allerdings schon auf dem letztjährigen Runes & Men Festival präsentiert wie auch das Set als Ganzes eine Kopie des Runes & Men Sets war. TONY WAKEFORD hatte dabei insgesamt einen eher mittelguten Gesangstag erwischt, während seine Mitstreiter wie immer eine absolut stimmige Performance ablieferten. Gerade im Vergleich zum Albumsound wusste der Live-Auftritt dank eines variantenreichen Gitarrenspiels von ERALDO BERNOCCHI mit einer organischeren Herangehensweise zu überzeugen, was dem Ganzen sichtlich gut tut. Der düstere Electronica/Downbeat-Sound gespickt mit typischen WAKEFORD-Elementen wurde am Ende sogar noch durch den Beitrag von JO QUAIL bereichert, die den Sound noch durch ihr Cello-Spiel verbreiterte – vielleicht ist dies auch mal eine Option für zukünftige Aufnahmen.         

Von ASHRAM hat man bereits seit einigen Jahren nicht mehr viel gehört. Umso neugieriger konnte man sein, was das Trio um ALFREDO NOTARLOBERTI (ARGINE, CORDE OBLIQUE) im Jahr 2015 auf die Bühne bringen würde. Die drei Musiker am Flügel, an der Violine und am Mikrophon bzw. zwischenzeitlich noch an der Akustikgitarre, stellten ihren Neoklassik-Pop jedenfalls überaus professionell und in sehr schlichter Kleidung bisweilen eher im Hintergrund stehend vor. Letzteres aus dem Grund, dass man sich für den Auftritt im Schauspielhaus etwas Besonderes einfallen lassen hat. Die Band hatte sich nämlich die Unterstützung durch vier Tänzerinnen gesichert, die der Musik des Trios visuell durch Modern-Dance-Einlagen Ausdruck verliehen, was übrigens auf einem ordentlichen Niveau geschah. Insofern hatte der Auftritt etwas von einem durchkomponierten Bühnenstück und wirkte nicht wie ein gewöhnliches Konzert. Immer wieder unterbrochen von instrumentalen Einlagen wurden die kammermusikalischen Pop-Stücke mit dem gefühlvollen Gesang von SERGIO PANARELLA somit in einen Sinnzusammenhang gestellt. Am Ende war das Publikum im recht vollen Schauspielhaus auf jeden Fall soweit überzeugt, dass die Band sowie die Tänzerinnen zu einer größeren Zugabe auf die Bühne zurückapplaudiert wurden. Insofern war der Auftritt aufgrund der künstlerischen Gewichtung hin zu einer Performance vielleicht nicht zwingend für jeden etwas. Er bot allerdings ohne Zweifel einiges an Abwechslung und Unterhaltung.

Den Abschluss an diesem Abend bildete schließlich die Folk/Dark Wave-Formation  UNTO ASHES, die man ansonsten eher selten in den hiesigen Gefilden zu sehen bekommt. Das Trio unter der Leitung von MICHAEL LAIRD präsentierte neben älteren, eigenen Stücken wie „Serve Me“, „Hymn To Pan“ – wobei der Text natürlich auf ALEISTER CROWLEY zurückgeht – oder dem eindringlichen „Teach Me How To Drown“ dabei in einem hohen Maß Coverversionen, was wohl dem neuen Album „Ghosts Captured“ geschuldet war, welches eine Sammlung von neuen oder bereits erschienenen Cover-Versionen (z.B. „Beauty Queen“ – im Original von TORI AMOS) von UNTO ASHES enthält. Entweder war der Abend schon zu weit fortgeschritten oder es lag an dem etwas undynamisch und teils stoisch, fragmentarisch wirkenden Auftritt und den (selbst-)ironischen Ansagen, die vielleicht nicht die Sache eines jeden im Publikum waren – jedenfalls sprang der Funke einfach nicht über, was sich auch darin äußerte, dass sich das Schauspielhaus merklich leerte. Persönlich, so muss ich sagen, finde ich es schwierig, wenn sich eine etablierte Band zu sehr an Cover-Versionen abarbeitet – zudem stand auch das im deutschsprachigen Raum von mehreren Bands extrem totgespielte „Palästinalied“ in einer eher mäßig schwungvollen Darbietung auf der Setlist. Zum Abschluss wurde das Publikum schließlich noch aufgefordert bei dem THE SISTERS OF MERCY-Cover „Heartland“ mitzusingen. Eine Zugabe beanspruchte das Publikum aber auch noch, sodass noch „Runnin‘ With The Devil“ – im Original von VAN HALEN – gespielt wurde.         

Montag

Der Montag im Volkspalast war für die Elektronik reserviert, sodass man als interessierter Besucher problemlos den ganzen Tag dort verbringen konnte. Nach dem undifferenzierten und langweiligen Techno-Gewumpe von PHASE FATALE in der Kuppelhalle ging es in der Kantine mit einem der zahlreichen DANIEL MYER-Projekte, nämlich LIEBKNECHT weiter, von dem es bislang allerdings noch keinen offiziellen Tonträger gibt. Musikalisch ist das Ganze eher im instrumentalen, technoiden Elektro/IDM angesiedelt, wobei auch ab und zu parolenhaft ins Mikro geshoutet wird. Ähnlichkeiten zu Producern wie GESAFFELSTEIN sind zum Beispiel auszumachen. Insofern entspann sich ein interessantes Set mit Live-Drumming und manipulierten Sounds. Zum Schluss hatte man sogar noch eine echte Überraschung parat, indem DOUGLAS MC CARTHY (NITZER EBB) die Bühne enterte und zusammen mit dem Duo „Murderous“ von nun, eben NITZER EBB performte. 

SNOG ist ein Projekt, das es schon seit über zwanzig Jahren gibt, das mir aber nie und trotz des zuweilen überzogen, skurrilen Styles in bleibender Erinnerung geblieben ist – was hauptsächlich mit der etwas egalen Musik der Band zu tun hat. In der Kuppelhalle trat man als Quartett auf, wobei  Sänger DAVID THRUSSELL in weißem Anzug und zunächst mit einer Gummimaske, die an den CARPENTER-Film „They Live“ (dt. „Sie leben!“) erinnerte, auftrat. Die restlichen Mitstreiter an den Keyboards und am Rechner waren uniformiert und mit schwarzer Ledermaske ausgestattet. Angefangen mit dem zur Maske passenden Slogan „They live, we sleep!“ auf der Leinwand im Hintergrund wurden hier im Laufe des Konzerts einige Trickwelten aufgebaut bzw. Videos gezeigt, die das überzogene Image der Band perfekt unterstrichen. Die Musik war dann wie zu erwarten eine Mischung aus Industrial-Pop und Stampf-Elektro, wobei mir hier die wirklich eindrücklichen Momente fehlen und wo vor allem auch die ewig auf einer Tonhöhe herumknödelnde Sprech-Gesangs-Stimme von THRUSSELL nicht wirklich weiterhilft. Alles in allem eher visuell unterhaltsam.

In der Kantine gab anschließend das niederländische Angst-Pop-Duo DISTEL sein WGT-Debüt. Nach dem Re-Release des „Puur“-Albums und mit neuer Single „Nord“ im Gepäck, verstanden es die beiden Musiker, ihrem unterkühlt, bisweilen etwas komplexeren Elektro live auf die Bühne zu bringen, wobei Mastermind PETER JOHAN NIJLAND wie von Pressefotos bekannt mit schwarzverschmiertem Gesicht die Elektronik bediente und den Gesang beisteuerte, während sein Kompagnon die elektronischen Drums spielte. Insgesamt kam das Duo zunächst etwas verhalten rüber, was sich aber später legte. Problematisch war allerdings der Sound, der gerade bei analogem Angst-Pop, der einen starken Hang zu verwischten Sounds und Strukturen hat, enorm wichtig ist. Leider ging hier zwischen Drums und Gesang zu viel an Differenziertheit verloren. Insgesamt legte die Band aber ein stimmungsvolles und auch an den richtigen Stellen druckvolles Set mit klappernden Rhythmen hin, das definitiv Lust auf mehr machte.

Die Welle, alte „Stars“ noch einmal/erstmalig auf die Bühne zu stellen, bzw. der Re-Union-Hype haben in den letzten Jahren sicher einige lohnende Momente aber auch einiges an Fremdschämpotential – dieses Jahr ganz vorne: TOMMI STUMPFF – mit sich gebracht. Aus Sicht des Veranstalters ist es aber sicher verständlich, besondere Anreize zu setzen. Insofern konnte man dem Auftritt von BLACKHOUSE durchaus mit einer grundsätzlichen Skepsis begegnen. Etwas überraschend ging es dann auch ganz ohne Brimborium und bei hell erleuchteter Bühne ohne Lichtshow – was seltsamerweise während des gesamten Auftritts auch so blieb – los. BRIAN LADD, mit Kappe und Holzfällerhemd wie ein Standard-Rentner aussehend, hatte auch keine alten Synthesizer, sondern wie heute üblich sein Notebook dabei, von dem er die Loops und Tracks abfuhr. Aufgrund dieses Settings mag es kaum verwundern, dass man zu Anfang den Eindruck bekam, dass LADD und das Publikum nicht so recht wussten, was man vom jeweils anderen und der Sache insgesamt eigentlich halten sollte. Da LADD zunächst auch mit „neuerem“ Material begann, blieb es zunächst auch etwas schwierig. Erst später als LADD in die Industrial-Klassiker der ersten Jahre bis zurück zu „Hope Is A Candle“-Zeiten einstieg und seine „Predigten“ eindringlicher und einpeitschender ausfielen, taute die Atmosphäre auf. Fans mussten dann auch nicht auf Klassiker wie „Five Minutes After I Die“, „Make A Choice“, das hypnotische „Whispers Of Love“ oder den Industrial-Dance-Floor-Knaller „Answers For You“ verzichten. Die „Bühnenshow“ verstehe ich bis heute zwar immer noch nicht – aber insgesamt war es zumindest interessant, dieses Projekt einmal live gesehen zu haben.

Klassiker durfte man anschließend bei WRANGLER nicht erwarten, obwohl STEPHEN MALLINDER (Ex-CABARET VOLTAIRE) bei diesem Trio mit an Bord ist. Dafür stellte man das aktuelle Album „LA Spark“, das irgendwo zwischen der Mitte der 80er Phase von eben CABARET VOLTAIRE und moderneren, dance-orientierten Analog-Sounds liegt, ausführlich vor. Der Synthesizer-Spezialist BEN EDWARDS, der auch schon mit JOHN FOXX (u.a. JOHN FOXX AND THE MATHS) zusammengearbeitet hat, stellte dabei zusammen mit MALLINDER Synthesizer-Flächen in den Raum, während PHIL WINTER die Drum-Pads schlug. STEPHEN MALLINDER war zudem natürlich auch für den Gesang und dessen soundtechnische Manipulation zuständig, wobei hochgepitchte Stimmen, die er öfter einbaute, nicht zwingend meins sind. Aufgrund des vorhandenen Materials bestimmten natürlich drückende Elektronummern das Set, so dass sich das Publikum auch zur Bewegung hinreißen ließ. Am Ende des regulären Sets, wollte das Publikum natürlich mehr, sodass schließlich doch noch in die Klassiker-Kiste gegriffen wurde und „Sensoria“ vom 1984er CABARET VOLTAIRE Album „Micro-Phonies“ gespielt wurde. Da RICHARD H. KIRK, das letzte verbliebene CABARET VOLTAIRE Mitglied ja nur noch neues Material spielt, hatte man so endlich noch mal die Gelegenheit, live klassisches CABARET VOLTAIRE Material zu hören.

Der Abschluss am Montagabend und damit auch eines der letzten Konzerte des diesjährigen WGTs lag schließlich in den Händen von CLOCK DVA, wobei die einzige Konstante der Band bis heute in der Person ADI NEWTONs liegt. Schon das erste Konzert nach der Pause seit 1994 fand 2011 auf dem WGT statt. Damals waren die Umstände allerdings etwas unglücklich, da ein experimenteller Auftritt mit damals vielen unbekannten Instrumentalstücken auf eine katastrophale Akustik in der Kuppelhalle traf. Später bei einem Konzert in Antwerpen relativierte sich für mich dieser Eindruck aber wieder deutlich. Bei dem Konzert am Montagabend hatte man schließlich endgültig das Gefühl, dass CLOCK DVA wieder in der Spur sind. Das Trio aus ADI NEWTON, TEZ MAURIZIO MARTINUCCI und PANAGIOTIS TOMARAS stand bei seinem Auftritt in weißer Kleidung vor einer Leinwand, auf die bewegte Grafiken und Videos projiziert wurden. Was den Klang angeht, war man endlich wieder bei dem bestechend technischen Klang angelangt, den man von CLOCK DVA erwartet, wobei natürlich die aktuelle Musikentwicklung nicht an der Band vorbeigegangen ist. ADI NEWTON mit kahl rasiertem Kopf, dichtem, dunklen Bart und dunkler Brille wirkte dabei wie eine ältere Ausgabe des Roboter-Entwicklers NATHAN aus dem jüngst im Kino gelaufenen Film „Ex Machina“, wobei in diesem Zusammenhang natürlich auch eine inhaltliche Nähe gegeben ist, da sich CLOCK DVA schon in den 90er Jahren mit den Themen „Künstliche Intelligenz“ bzw. Verschmelzung des Menschen mit dem Computer Gedanken gemacht haben. In Interviews hat ADI NEWTON immer betont, dass CLOCK DVA ein in die Zukunft gerichtetes Projekt und kein selbstreferentielles Tribute-Projekt sein soll. Insofern gab es wenig klassisches Material, sondern jede Menge neue Tracks wie „The Konstructor“, „Rayonist“ oder „Kabaret 13“ von dem im letzten Jahr erschienenen USB-Stick „Clock 2“, zudem wurde mit „The Return“ ein gänzlich neuer, eingängiger, mit dem typischen Raunen von ADI NEWTON versehener Track vorgestellt. Wie zuletzt gewohnt hatten instrumentale Stücke dabei einen guten Anteil am Gesamtset. Erst zum Schluss des regulären Sets wartete die Band mit einem echten klassischen Hit auf: „Sound Mirror“. Dass danach nicht Schluss sein würde, verstand sich natürlich von selbst, sodass die getragene Ballade „Return To Blue“ vom Album „Sign“ den Zugabenblock eröffnete. Anschließend folgte natürlich das zu erwartende „The Hacker“; allerdings in einer neuen, technisch skelettierten Instrumentalversion, die nicht ganz die Durchschlagskraft des Originals besaß. Insgesamt aber ein überaus starkes Konzert.


Was bleibt? Wie immer hätte man sich klonen müssen, um all das sehen zu können, was von Interesse war. Persönlich hat mir die Ausrichtung auf gefühlt mehr Untergrund-Elektronik (Minimal, Angst Pop, etc.) gefallen, wobei auch erstaunlich war, wie viel Publikum hier zu den einzelnen Veranstaltungen gezogen wurde. Der Neofolk/Industrial-Bereich hatte diesmal dagegen nicht durchweg starke Momente. Bleibt das Warten auf das nächste Jahr, das 25. Jubiläum.

 
Tony F. für nonpop.de


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