CINDYTALK: touchedRAWKISSEDsour
HANDMADE BIRDS, 20. Mai 2014, CD GORDON SHARP hat eine Menge Referenzen vorzuweisen: Unter anderem spielte er bei THE FREEZE, THIS MORTAL COIL und den COCTEAU TWINS eine tragende Rolle. Schon seit 1982 veröffentlicht er unter dem Moniker CINDYTALK in wechselnder Besetzung, aber immer selbst dabei, experimentelle Lärmcollagen. "touchedRAWKISSEDsour" heißt sein Ende Mai erscheinendes, neues Album auf HANDMADE BIRDS.
"Dancing On Ledges" (01) ist ein quietschendes, zerrendes Geräusch, zwar noch melodiös, aber sich permanent mit anderen Sounds – höhliges, industrielles Schleifen oder organische Quellen wie Gitarren – überlagernd. "Fire Recalling Its Nature" (02) hat eine unheimliche, sirrende Atmosphäre, verregnet und düster. "Mouth Of My Sky" (03) arbeitet mit Vocalsamples, bleibt melodiöser und etwas wohliger. Das Stück erinnert mich an eisigen Ambient von GLACIAL MOVEMENTS-Projekten. Ein ruhiges, knirschendes Schieben, allerdings mit sehr noisigen Zwischenparts und hochfrequentem Ende. "Reversing The Panopticon" (04) geht mit rhythmischen, organischen Loops fast in Richtung Musique Concrète und klingt ein Stück weit wie Eisenbahn – plus Glöckchensound, sehr wundersam. Glocken spielen auch in "E Quindi Uscimmo A Riveder Le Stelle" (05) eine Rolle, die fiependen, hohen Frequenzen liegen an der Grenze zur Hörbarkeit. "Yūgao" (06) bleibt mit fanfarenartigen Klängen konsumierbar, und das insgesamt sphärische, leise Stück klingt eher wie Ambient Richtung JARRE oder VANGELIS, inklusive Piano. Und "Mystery Sings Out" (07) zieht nochmal alle Register. Zunächst grollt sanfte Percussion wie Donner, führt zurück zum ersten Track, dann setzen collagenartig viele Sounds ein und verbinden sich zu einem wilden Teppich mit eingespieltem, seltsamem Gesang. "touchedRAWKISSEDsour" ist trotz des langen Bestehens von CINDYTALK und des erst jüngst mit einigen Neuauflagen gefeierten, 30sten Geburtstages kein Retro-Album. Es besteht aus rund 50 Minuten modernem, forderndem Industrial, als Vergleiche können KRAKEN aus Belgien oder CARL MICHAEL VON HAUSWOLFF aus Schweden dienen. RAUHNACHT: Urzeitgeist HAMMERHEART RECORDS, April 2014, CD + LP Nach "Vorweltschweigen" (2010) ist "Urzeitgeist" erst das zweite Vollzeitalbum von RAUHNACHT; dazwischen lagen einige EPs. Als Schwesterband von STURMPERCHT, teils wohl mit demselben Personal, spielen die Österreicher keinen Alpinfolk, sondern – so bezeichnet die Gruppe ihre Musik selbst – alpinen Black Metal. Dieser basiert allerdings, so war es zumindest auf dem Debüt, wiederum auf STURMPERCHT-Stücken.
Mit dem Opener "Einsam Ist's, Durch's Moor Zu Geh'n" (01) stellt sich schnell der gewohnte Sound und das urige, waldige Gefühl ein: Das Schlagzeug ein rasantes Knattern, dazu melodiöse Gitarrenwände und knarzendes, kehliges Krächzen. Der Eindruck, dass mehr mit Synthies gearbeitet wird (klingt dann wie EQUILIBRIUM), relativiert sich im Verlauf des Albums wieder. Die Texte sind hier – und bleiben auch durchweg – besser verständlich als früher. Schon der Titeltrack (02) ist nahezu ausschließlich gitarrenbasiert, ein treibender Song unterstützt von dem äußerst rhythmischen Schlagzeug. Typisch ist der ruhige, fast folkige Zwischenpart mit ätherischem, schönem Klargesang. Die Melodielinien klingen fast progressiv – ein sehr abwechslungsreicher Track. Auch das zehnminütige "Rauhnachtskind" (03) bietet Rhythmuswechsel, mehrere Gitarrenspuren und zwischendrin kurze Flüsterpassagen, die wieder zu STURMPERCHT passen könnten. "Der Weg zurück" (04) springt erneut ins Hymnenhafte, fast Martialische, der mächtigste Song des Albums, folkig im Ausklang mit Harfe. Bemerkenswert im letzten Drittel sind noch Flöte und Akkordeon (in "Ewigkeit", 07) und die Vocals des Bonustracks der LP ("Glemselens Elv", 08, eine BURZUM-Coverversion!), die am ehesten in Richtung Black Metal gehen – trollig! Black Metal-Puristen können vermutlich mit den hymnenhaften Stücken und den folkigen Teilen nicht immer etwas anfangen. Für mich hat "Urzeitgeist" im Vergleich zum Debüt eine sehr viel größere Bandbreite, spannendere – teils fast proggige – Stücke und eine deutlichere STURMPERCHT-Komponente. Insgesamt keine Neuerfindung des Pagan-Metal, aber äußerst atmosphärisch!
Michael We. für nonpop.de
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