Michael We.
Angespielt: INUTILI, ATOM™, TONTTU......und SLEEPMAKESWAVES. Aktuelle Besprechungen in KürzeSLEEPMAKESWAVES: In Today Already Walks Tomorrow
MONOTREME, 8. April 2014, CD / LP Die australische Post Rock-Band SLEEPMAKESWAVES sorgte 2008 mit ihrem Debüt, einem Minialbum, für einige Furore und mehrere zehntausend Downloads. Allerdings nur in ihrer Heimat. Bisher war "In Today Already Walks Tomorrow" deshalb auch in Europa nicht – oder nur als sauteurer Australien-Import – zu bekommen. MONOTREME veröffentlicht das Album jetzt auf CD und LP für den Rest der Welt.
Die ersten Stücke bieten entspannten, instrumentalen Post Rock, der gut mit Musik der gerade gefeierten BEASTMILK oder auch von ANATHEMA vergleichbar ist. Eine Mischung aus donnernden Trommeln mit heavy Gitarrenparts und ruhigen Solostellen, die lediglich aus Bass und leisem Saitenzupfen bestehen. Sehr hymnisch, euphorisch, elegisch – Musik, die keine Vocals braucht. Die Stücke drei bis sechs streifen auch einige andere Genres. Der dunkle Bass zum Beispiel sorgt für Post Punk-Flair, dazu gesellen sich aber auch Streicher, was erneut den hymnischen, orchestralen Eindruck unterstreicht. Einige zusätzliche, frickelige Geräusche zu recht ruhiger Musik ergeben wiederum Parallelen zu THE NOTWIST. Und nach einer Dark Ambient-Passage rockt der Abschluss noch einmal richtig. Starke, sinfonische Musik, bei der ich vor allem beachtlich finde, wie ganz ohne Gesang eine Palette an Stimmungen erzeugt wird. Auch innerhalb leiserer Stücke sind durch wenige Nuancen trotzdem mächtige Steigerungen zu spüren. Ich kann verstehen, warum die Australier dieses Debüt vor sechs Jahren so gefeiert haben! TONTTU: Anti-Gnomen Divisionen 4 PANICMACHINE, Februar 2014, CD Bei TONTTU handelt es sich um ein mir völlig unbekanntes Projekt aus Finnland, welches mich in mehrfacher Hinsicht an die verrückten Franzosen von GAË BOLG erinnert. Inhaltlich hat man sich die Bekämpfung der Trolle auf die Fahnen geschrieben, die in mehreren beiliegenden Flyern als große und unterschätzte Gefahr dargestellt werden. Die Musik überrascht vor diesem Hintergrund positiv, weil sie nicht ganz so durchgeknallt ist, wie zu erwarten gewesen wäre.
Die rund 35 Minuten starten mit leisen, melancholischen Glöckchen, bevor eine Art Radiosuchlauf den langen Haupttrack einläutet. Er besteht im Wesentlichen aus einer martialischen, finnischen Ansprache. Später werden die Sprechlyrics dann unterlegt mit fanfarenartigen, langgezogenen Drones (GAË BOLG?), und auch ein rumpelnder Chor (Zwerge unter Tage) kommt zum Einsatz. Später wechselt die Musik ins Neoklassische, zusammen mit den Streichern bekommt die finnische Erzählstimme etwas Märchenhaftes, auch der Zwergengesang taucht wieder auf. Manche Passagen erinnern mich an die "Zwergenlieder" der GNOSTIC GNOMES (Besprechung), welche allerdings wesentlich filigraner und subtiler klingen. Am Ende stehen wieder militärische Drums und dunkle Drones zur martialischen Stimme, bevor eine Dark Ambient-Soundlandschaft mit rückwärts laufenden Texten den Schlusspunkt setzt. An vielen Veröffentlichungen von GAË BOLG scheiden sich ja auch die Geister, und hier ist es vermutlich nicht anders. Ein absurdes Thema, musikalisch durchaus spannend umgesetzt, irgendwo zwischen Military, Neofolk und Dark Ambient. INUTILI: Music To Watch The Clouds On A Sunny Day AAGOO RECORDS, 21. April 2014, LP / Download Auch INUTILI sind wohl hauptsächlich in Italien be- und mir bis dato unbekannt. Ich bin allerdings sehr froh, dass sich diese Tatsache durch die im April erscheinende Veröffentlichung mit dem langen Titel geändert hat.
Der esoterische Albumtitel täuscht, denn die zwei langen 20-Minüter sind ein ziemliches Brett. "Fry Your Brain" (01) stellt gleich zu Beginn ein dröhnendes, mäanderndes Etwas dar. Ein starker, verzerrter Bass, darüber die tobende, quietschende E-Gitarre und ein trockenes, erdiges Schlagzeug. Kurze Pausen ermöglichen das Durchatmen, mit psychedelischen Sounds zu ruhigeren Basslinien, aus der E-Gitarre steigen wie improvisiert nur einzelne Töne auf. Regelmäßig geht es im Anschluss aber umso heftiger weiter, mit Phasen, die fast ans Noisige grenzen. Da ist dermaßen viel Fuzz drin, dass der Sound oft dem einer startenden Rakete gleicht. Die Band kommt gut ohne Vocals (und so gut wie ohne Synthetik) aus. "Drunk Of Colostro" (02) beginnt etwas leiser und bluesiger. Entspannt twangende Gitarrenklänge und rhythmische Percussion, dennoch ein wenig rauschend und verzerrt, so dass man schon auf das Gewitter vorbereitet wird, welches nach einem Drittel des Stückes auch folgt. Dann sehe ich die Musiker im Geiste, wie sie sich zu ihrem krachigen Donnerrock in JIMI HENDRIX-Manier auf dem Boden wälzen. Wolken bleiben auf "Music To Watch The Clouds On A Sunny Day" nicht viele übrig, denn die Musik vertreibt sie garantiert. 40 Minuten, die das Gehirn frei blasen und in kein Genre passen; irgendwo zwischen Psychedelic, Doom und Rock, auf jeden Fall mit viel, viel Fuzz. ATOM™ and MARC BEHRENS: Bauteile EDITIONS MEGO, 31. März 2014, CD ATOM™ (alias UWE SCHMIDT) und MARC BEHRENS, zwei zeitgenössische Elektronikmusiker, kennen sich schon seit den guten, alten Techno-Tagen. Damals, Ende der 1980er-Jahre, haben sich beide auf einer Veranstaltung getroffen und offenbar ein gemeinsames Projekt beschlossen: das Sammeln und Bewahren von Soundschnipseln sämtlicher Spielarten elektronischer Musik. So ist zwischen 1987 und 2013 ein ganzer Schrank voller "Bauteile" zusammen gekommen, und SCHMIDT und BEHRENS haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, ihn aufzuräumen, zu sortieren – dabei ist dieses Album mit 70 Minuten Klang herausgekommen, ein Archiv, gewissermaßen.
Insgesamt klingt "Bauteile" auch wie ein großes, elektronisches Experiment, ein Baukasten aus einzelnen Geräuschen, bis hin zum zusammengesetzten Jodeln, allerdings auch mit Passagen echter Musik, wie etwa einem Stück Rumba, vielleicht vom UWE SCHMIDT-Projekt SENOR COCONUT. Im Verlauf ergeben sich Passagen, die gut durchhörbar sind und Drone- oder Ambient-Musik ähneln, mit Ansätzen von Percussion oder Rhythmus. Auch Neue Musik mit Geige und Klavier (teils auch bearbeitet) ist vertreten, ebenso wie Schnipsel von Minimal Techno und Field Recordings. Überraschung nach 45 Minuten: Es bahnt sich ein richtiger Song an (der mich an FAT BOY SLIM erinnert), anschließend geht es mit Experimenten weiter. Erstaunlich finde ich, wie sich über viele Strecken trotz des Konzepts dennoch ein Flow entwickeln kann. Für alle Tüftler und Bastler ist "Bauteile" sicher ein Spaß. Wie ein Chemiebaukasten, den man sich lange gewünscht hat und endlich zum zehnten Geburtstag geschenkt bekommt!
Michael We. für nonpop.de
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