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L. Herold
DEATH IN JUNE - Live in Eisleben
Kategorie: Spezial
Wörter: 1207
Erstellt:
01.11.2011
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"I went to a meeting last night, but my heart wasn't right".
(Death In June live @ Wiesenhaus, Eisleben, 22.10. 2011).
DEATH IN JUNE hat nach fast sieben Jahren Bühnenabstinenz das eigene Versprechen doch noch gebrochen, nie wieder zu konzertieren. Nach Fanappellen und hinreichenden Weigerungen DOUGLAS P.s während der vergangenen Jahre, enttäuschten Hoffnungen und Dreinfinden seitens fatalistischer Hörer, schlug nach vagen Gerüchten einer möglichen Rückkehr in diesem Frühherbst die offizielle Nachricht am Ende dann bei vielen doch nochmal ein wie eine kleine Bombe. Aus der Bekanntgabe weniger Livedates wurde schnell eine beständig anwachsende Serie von Konzertterminen. Ob Weltfinanzkrise, die zwei als medioker wahrgenommenen letzten Studioalben, Unwetterkatastrophen im Garten von DOUGLAS P. oder aufrecht gemeinte Bürgerinitiativen á la „We want Death In June back in Live action“ (Facebook) nun daran Anteil hatten, dass er zurückkehren wollte (oder musste), oder doch nur das 30jährige Bandjubiläum eine geeignete Gelegenheit war, eine schon länger bereute Ansage vergessen zu machen, sei dahingestellt. Fakt ist, der erneute Pearce'sche Sturm auf Europas Metropolen kam wohl zum rechten Zeitpunkt, ist diese Tour angesichts überschwänglicher Reaktionen, Ticketausverkäufen und Doppelbuchungen (Moskau) und der Munkelei, es könne mit weiteren Terminen auch noch im November und Dezember weitergehen (vgl. neuer Termin in Belgien am 18.12.), offenbar ein ordentlicher Abräumer. So auch beim vorerst einzigen Deutschlandkonzert, das am Samstag, den 22. Oktober 2011 in Eisleben stattfand und im Vorfeld bereits ziemlich flink ausverkauft war. Ähnlich wie auch bei anderen Terminen, waren hier zudem weitere Bands angekündigt, in diesem Fall bestand das zusätzliche Line-Up aus OF THE WAND AND THE MOON und SONNE HAGAL. Eisleben gehört ja zu den eher verschlafenen Exemplaren deutscher Lutherstädte, allerdings ist man dort dann doch nicht so hinterm Mond, als dass sich nicht auch hier einige halbgegorene Widerstände gegen die Veranstaltung im Vorfeld formierten. Sowas ist im Jahr 2011 offenbar immer noch nicht vom Tisch, fand diesmal aber wenig bis keine Resonanz. Wer sich dafür aber interessiert, mag u.a. hier nachlesen. Wie war nun aber das Konzert? Eine Veranstaltung dieser Art im ländlichen Gasthaus abzuhalten, hat bei DEATH IN JUNE ja gewissermaßen Tradition, zumindest was den ostdeutschen Raum betrifft. Trotz aller Entlegenheit hinderte das aber mitnichten die Leute daran, in Scharen anzureisen, und zwar in so geballter Ladung, dass sich vor den Türen des Wiesenhauses eine Menschenmenge wiederfand, der schlechterdings so langsam Einlass gewährt wurde, dass die erste Band des Abends – SONNE HAGAL – vielleicht nur die Hälfte des Publikums erleben durfte, während die andere draußen noch duldsam ausharrte – wie schicksalsergeben und folgsam sind doch, ach, die Neofolker! OF THE WAND AND THE MOON, den zweiten Act des Abends, konnten dann aber alle (so auch der Rezensent) halbwegs vollständig genießen. Mit voller Besetzung – sieben Leute on stage (ob nun drei statt zwei Gitarren und zwei statt einem Keyboard so entscheidend sind, wage ich aber zu bezweifeln) – präsentierte die Band nach einem instrumentalen Einstieg vorwiegend Material des jüngst erschienenen Longplayers „The Lone Descent“ (Rezension hier), aber natürlich auch einige Hits früherer Alben. Der Sound war ok, aber nicht überragend, die Umsetzung der komplexeren Stücke gelang jedoch erstaunlich dicht am Original. Am überraschendsten für manchen vielleicht die Vocals, bei denen KIM LARSEN in ungeahnte Höhen vordrang, die ihm außerordentlich gut stehen. Ein solider Auftritt mit einigen rührenden Momenten („Immer Vorwärts“) und einem klimaktischen Ende, bei dem jeder an seinem Instrument in die Vollen ging, was die PA aber schnell ins Schwitzen brachte.
Dann wurde es Zeit für den Hauptact. Man kann überhaupt eine gewisse Ernüchterung ob des Nimbus DEATH IN JUNE während der letzten Jahre registrieren, stets bleibt aber die Erkenntnis: Es ist eines der einflussreichsten, wenn nicht d a s prägende Projekt einer ganzen Seitensparte der Darkwave-Gothic-Subkultur, des sogenannten Neo- oder Apocalyptic Folks, Military Pops oder diverser Grenzbereiche. Dies wurde schnell wieder klar, als die ersten Youtubes mit Mitschnitten der aktuellen Tour auftauchten und zeigten, wie gut der Mann es immer noch drauf hat, stimmlich vor allem, aber auch mit einer Vehemenz und einem Drive, wie man sie lange nicht mehr gesehen hat. Da wusste man dann auch ungefähr, was einen in Eisleben erwarten könnte, und so war es dann auch: Ein volluniformierter Herr mit Akustikgitarre und perfekt ausgestattetem Stimmorgan, ein ausladendes Percussionset im Background – die Totenkopffahne, die andernorts bereits hing, fehlte beim Deutschlandauftritt übrigens wohlweislich – Einmarsch mit Maske etc., alles, was das DEATH IN JUNE-Fanherz begehrt. Wirklich alles? Nach dem unvermeidlichen Martialeinstieg switchte DOUGLAS P. zur Gitarre und von da an wurden alle erdenklichen Hits runtergespielt, deren Aufzählung ich mir hier erspare. Keine Frage, es war toll, eine unterhaltsame, professionelle Darbietung eines bestens ertüchtigten Frontmannes und eines Rhythmus-Maniacs alias JOHN MURPHY an den Trommeln. Was also gäbe es auszusetzen? Nun, im Verlauf des Abends wurde schnell deutlich, dass es genau DAS auch schon war. Die schlichte Abspulung eines Backkatalogs bekannter Songs bekannter Alben, gnadenlos hintereinander weg, „Runes and Men“ fertig, Applaus, zack. „She said Destroy“ fertig, Applaus, zack. Der Nächste usw. Nicht, dass es keinen Spaß gemacht hätte – und die Reaktionen des Publikums ließen selbiges auch klar erkennen. Wer aber mit dem Werdegang DEATH IN JUNEs länger vertraut ist, frühere Konzerte erlebt, den Zerfall einer Einheit aus habitueller und musikalischer Präsentation mitverfolgen musste, der konnte dem nur vermeintlich kultigen Charakter dieses Konzertes nicht völlig auf den Leim gehen. Zu selbstparodistisch, zu routiniert, narzissenhaft, keine Überraschung, keine neue und sei es auch nur kleine subversiv-neue Idee; es war wie die Best-Of Revue eines alternden Schlagerstars, dem der Applaus über einen kleinen Witz den in Wahrheit längst verlassenen Prominentengipfel vorgaukelt. Nun mag es sein, dass genau dies beabsichtigt oder nach dreißig Jahren Vorreiterstellung innerhalb einer Musikszene auch nichts anderes mehr notwendig oder gar möglich war. Auch die Stones sind schließlich nach gefühlten 200 Jahren pure Routine und blanker Anachronismus on stage, bar jeglicher Sexyness und künstlerischer Subtilität. Es mochte ebenso sein, dass einem eigene Erwartungen und Vorgefühle hier einfach auf die tönernen Füße fielen angesichts der im Grunde schon immer latent vorhandenen, schamlosen „Leck-mich-ich-bin-immer-noch-DEATH-IN-JUNE-mir-gefällts“-Attitüde von DOUGLAS P. Aber die Distanz, mit der man dem ganzen dann gegenüberstehen kann, brachte an diesem Abend auch anderes ans vergilbte Bühnenlicht: Dann fehlte DOUGLAS P., der in jedem zweiten Vers den „Hate“ als ein Schlüsselelement seiner Lyrik evozierte, mit seinem Erbsentarnkleidchen nämlich der wahre Starappeal, war die atemberaubende Percussion JOHN MURPHYs nur ein unendlich variierendes Uhrwerk, das immer und an jeder Stelle irgendwie gepasst hätte und – verbunden mit den ewigen Standardchords der Gitarre – jeden Song so beliebig in Auswahl und Performance machte, dass ich zwischenzeitlich überlegen musste, ob das Lied jetzt nicht schon mal dran oder doch ein anderes, vielleicht gar ganz neues war? Etwas Tragikkomisches schlich sich da ein, und die Ironie der Geschichte ist vielleicht, dass ein ehemaliger Quasi-Epigone wie OTWATM über sich hinauswächst und dies an jenem Abend auch zeigen konnte, während das Original in einer Endlosschleife den eigenen, nurmehr selbstzitierenden, musikalischen Horizont festzimmerte. Den Unterhaltungswert schmälerte das an diesem Abend zwar kaum, nur ist fraglich, ob eine Band wie DEATH IN JUNE einst nur für das Ziel reinen Entertainments angetreten ist. Auch wenn es für zweifellos unzählige eines der besten Live-Ereignisse gewesen sein mag, bleibt mir nur, an das oben genannte Motto anzuschließen ...
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Verweise zum Artikel:
» DEATH IN JUNE-Homepage
» DEATH IN JUNE-Facebook
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