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Roy L.

Geheimes Kroatien: SMARANJE 05

Zagreb, 19-IV-2008


Geheimes Kroatien: SMARANJE 05
Kategorie: Spezial
Wörter: 986
Erstellt: 27.04.2008
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Unsichtbarkeit scheint mir Voraussetzung für Eleganz zu sein.
- Jean Cocteau



Niemand wird diese Worte lesen. Nichts davon ist wirklich geschehen. Keine Menschenseele wird je darüber erfahren. Niemals. Großes Wort von der 'Menschenseele' – so, als gäbe es etwas zu verbergen hinter dem Fleisch der Gedanken. Gibt es das? Zeitalter des Offensichtlichen, die Wochenmärkte, auf denen Geheimnisse zum Stückpreis verkauft werden. Und wir verlachen die Händler, obwohl sie wie Götter sind. Niemand wird diese Worte lesen. Deswegen wurden sie geschrieben.

[[Dramatis personae:
zu Fuß in den Bergen und in den Städten: Art/no et Mme Xquoi, Liberator in public spaces, Smrt i-(c)-kaos, Miss Use & the usual Jesus faces, no vale nada + la familja krlja, mf, (r)edukt, Cahexia y Anorexia, un petit peu du Margot]]  



Ein paar von uns hatten sich in Zagreb getroffen, dieses Wochenende. Die Regenwolken der letzten Tage waren, wie man uns sagte, weitergezogen und die Stadt lag ausgebreitet in einem schläfrigen Grün vor unseren Schritten. Die Namen der Straßen und Plätze waren mir noch frisch und unbedeckt vom letzten Herbst im Gedächtnis, jetzt sah ich sie zum ersten Mal im warmen Licht der sonnigeren Jahreszeit. Alles wirkte natürlich allzu vertraut und doch, als wären seitdem Zeitalter vergangen. Man hätte glauben können, Zagreb habe ihr altes Aristokratenherz längst an den Westen verjubelt, zwischen den unedlen Importwarenboutiquen und den babylonischen Kinopalästen, aber in Wirklichkeit hielt sie es ein paar Treppenstufen weiter oben versteckt, in einem Knäuel ungekämmter, krummer Gassen, denen gegenüber die großen, klassischen Architekturen der Unterstadt wie unwissende Kinder wirkten.
Am Abend verließen wir Zagreb auf unsicheren und unwirklichen Pfaden. Als der mysteriöse Verabredungsort uns fand, mitten im Wald und schon am Fuße der Berge, kauerte bereits eine kleine Schar der üblichen Verdächtigen im weichen Moos der Vollmondnacht. Wir alle waren gekommen, um Krach zu hören und Krach zu tanzen, wir waren hier, um ein wenig am Granit der falschen Königreiche unserer Zeit zu kratzen und für einen Moment unsichtbar zu werden, für die tausend Augen des neuen Gottes.



Mit dem ersten Brummen der nächtlichen Maschinen, die man aus Frankreich hatte bringen lassen, mit den ersten Pulsschlägen, die vom Eingang der Katakomben unter uns her drangen, wurden wir angezogen wie ewighungrige Raubtiere oder wie ein Volk von Schlangen, das den feuchten Eingeweiden seiner Höhle entgegenströmt. Viele Wege führten durch das unterirdische Labyrinth, der rechte Pfad jedoch war sakral von Kerzen erleuchtet und auch folgten wir dem unnachgiebigen Lockruf der Schallwellen. Und kein Licht am Ende des Tunnels. Nichts. Nur der elektrische Lärm, der gegen die steinernen Röhren brandete und kein Dahinter. Wie ein Versuchslabor in verstopften Blutgefäßen, an das wir die Überreste unserer verbrauchten Körper verkauften, im beständigen Rausch der Stroboskoprhythmen. Hier war die Kirche der negativen Theologie, in der die Priester Ärzte sind, die Gift spritzen und Seuchen verbreiten, und ihre Liturgie ist der zerhackte Algorithmus der Maschinen und die Propaganda für ein Jahrtausend der Terrorismen.
Man drang in unsere Gehirne und Muskeln ein, man lehrte uns die Throbbing_Gristle_single)">Disziplin der gefallenen Helden aus den Todesfabriken, man erinnerte uns an die Baupläne der früheren Industrieanlagen, die verkauft und renoviert wurden von schlechten Erben und wir waren sicher, dass das arkane Wissen um diese Pläne nur hier im Geheimen Kroatien, im nebligen Dunst der Ustašahöhlen atmen könne und in guten Händen sein würde.
Nur eine kleine Zahl von zumeist vertrauten Gesichtern blitzte hin und wieder im Schlaglicht auf, Flaschen mit diversen Elixieren gingen von Hand zu Hand. Keiner, der sich hier fehl am Platze fühlte. Wir hatten alles. Wir hatten uns und die nachtschwarzen Wälder, während hinter uns, unter uns die Stadt im weithin sichtbaren Lichtermeer ertrank.
Schon nahten die Wölfe und zwischen den sinistren Liedern, mit denen wir aufgewachsen waren, die uns etwas bedeuteten, experimentierten die lokalen Hauptverschwörer chaostheoretisch, d.h. chaotisch und theoretisch, hinter Fernsehmonitoren und den magischen Apparaten unseres Zeitalters. Umkehrung aller Werte: die Kunst ist kurz, das Leben lang. Wir hörten mit Schmerzen und nie hatten wir lauter nach Aufschub und Verlängerung geschrieen. Umsonst. Am Ende aller Theorien stehe das Werk. Doch hier war jede Teleologie entmagnetisiert und die ganze Kraft ein willkürliches, spontanes Wunder, das irgendwann – vielleicht in Jahren – den großen Schritt von der Null zur Eins vollführen wird. Alle Welt wartet darauf.



Indessen regten sich stille die Geister der Höhlen und lange Zeit schwiegen die Motoren und glänzten stumm im künstlichen Dämmerschein. Verborgenes Ritual des Nichts. Weihrauch füllte den schmalen Korridor und benebelte den letzten klaren Gedanken. Von hier an nur noch Verschwommenes: Nazi-Punk, Agit-Pop, Schreie und Heiserkeit, Trommeln in der Nacht, Scheiterhaufen der Ideale, Friedhof der guten Sitten. Mit Nonchalance und Hosenträgern, mit gallischem Blut und Übermut beschworen Adam und Eva einer perversen Gegenwelt den rauen elektrischen Totentanz um die Trümmer eingestürzter Ordnungen. Kein Ort wäre geeigneter dafür gewesen als diese finale Sackgasse im geopolitischen Niemandsland. This autistic imperium is Nihil Reich. Das Nichts nichtet. Die Tür ist zu.
Wer bis zum bitteren Ende aushielt, wurde unsanft in den Vortex endlos pulsierender Krachimprovisationen geworfen. Erst jetzt, da schon alles in Flammen stand, neigten sich die Regler in Richtung Apokalypse. Nur noch Gewaltausbrüche im Irrgarten der Ruinen. In Wirklichkeit hatte der Krieg nie aufgehört. Draußen aber summten die Sterne. Die Luft war kühl und voller Mythos. Wir erinnerten uns nicht zu vergessen.



Ich danke Dir, Unbekannter, dass Du bis hierhin gefolgt bist. Du weißt, Du bist Niemand. Nichts hast Du gehört und Nichts gesehen. Auch die Schleier waren leer und durchsichtig. Und die Spiegel gaben keine Antwort. Nur ein kosmisches Raunen, eine Ahnung, ein Blitz: ничзго, niente, nada, ništa, nichst.


Alle Photos © Krlja Ustvari

 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Ušušur
» Nihiltronix Orchestra
» Nocturne


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