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Rezensionen : Ars Benevola Mater


Kategorie: Rezension
Wörter: 1731
Erstellt: 01.06.2005
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Autor: Roy Liebscher

A Rainy November Day In Wrocław

Romowe Rikoïto

Job Karma

Atrax Morgue


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V.A. – A RAINY NOVEMBER DAY IN WROCŁAW



Die polnische Stadt Wrocław (Breslau) erlebte im November 2004 die dritte Auflage ihres zweitägigen Industrialfestivals mit internationalem Aufgebot. Anlässlich dieses Ereignisses erschien noch Ende letzten Jahres mit A RAINY NOVEMBER DAY IN WROCŁAW eine Kompilation auf dem italienischen Label Ars Benevola Mater, die exklusive Stücke von allen Beteiligten; renommierten Bands wie eher unbekannten osteuropäischen Klangkünstlern zusammenträgt.
Gestalterisch blieben sich die Italiener – die nun nicht mehr als Sublabel unter dem Hause Amplexus weilen, sondern ihre Tonträgerproduktion verselbstständigten – ihrer eleganten Linie treu und präsentieren ihr Tonwerk im handlichen Format mit ansehnlichem Artwork, das auf eine sehr edelwirkende, gestanzte raue Oberfläche gedruckt wurde.
Die CD bietet eine recht große Bandbreite an Stilen, wechselt von Darkfolk über Ambient zu Noise und dem eher unklassifizierbaren aber interessanten Sound von MAGIC CARPATHIANS PROJECT. Dennoch wohnt allen Stücken eine ähnlich verregnete, düster-industrielle Atmosphäre inne, was einen durchaus stimmigen Gesamteindruck hervorruft. Musikalisch bewegt man sich auf einem angenehm anspruchsvollem Niveau, worin die östlichen Newcomer den namhafteren Projekten in nichts nachstehen. In jedem Fall ist es höchst lobenswert, die sich in allmählicher Entwicklung begriffene Szene in Osteuropa einem breiterem Publikum zugänglich zu machen, zumal unzählige fähige Musiker darunter größere Aufmerksamkeit verdienen.
A RAINY NOVEMBER DAY IN WROCŁAW ist ein sehr gelungener Sampler, der allein schon wegen der erstklassigen Covergestaltung und dem herausragenden, aber leider etwas kurzen Beitrag von SIEBEN nachdrücklich zu empfehlen sei.

Release: 2004, ABM09, CD limitiert auf 500 Kopien, handnummeriert in Cardboard-Folder

Tracklist:
01. Kratong – "Blood-Ruby Radiant (Lullaby For Lucifer)"
02. Sieben – "Wrocław In The Rain"
03. Magic Carpathians Project – "Nothing Out Of Ordinary"
04. Deutsch Nepal – "The Hammer Of Wrocław"
05. Institution D.O.L. – "Hellish Hours In Rain"
06. Girnu Giesmes – "November Mind Out"
07. Aghiatrias – "Syncrasia"
08. Job Karma – "Black Hole In Olbin District"
09. Rapoon – "Iron Dawn"
10. HaWthorn – "Happy Dreams"

56 min




ROMOWE RIKOÎTO - ĀUSTRADĒIWA



Unter Neofolk-Kennern spielten ROMOWE RIKOÏTO bereits mit ihren ersten beiden Alben in der Liga der etabliertesten Bands des Genres. Nach langer Zeit des Wartens liegt nun endlich, und zur größten Freude von Ars Benevola Mater – Chef Mauro Casagrande, ihr drittes Werk vor.
Mit ĀUSTRADĒIWA knüpfen die talentierten Musiker aus Kaliningrad allein an die Attitüde und Klangfarbe der Vorgänger an. Noch immer wirken ROMOWE RIKOÏTO überaus ernsthaft, gesetzt und von einer erhabeneren Melancholie durchdrungen. Kompositorisch aber strahlt die neuerliche Manifestation sehr viel mehr Leben und Reife aus. Dem ewigen Herbst (L’AUTOMNE ÉTERNEL, 2000, Brudenia) sanft entglitten, weht auf ĀUSTRADĒIWA ein frühlingshafter, frischer Wind.
Dieser wird von Gitarren, Streichern, Flöte und Gesang professionell und völlig souverän intoniert. Mit größtem Bedacht füllen ein Keyboard, dem man die synthetische Klangerzeugung ohnehin kaum anmerkt, leichte Perkussion und diverse Natursamples das recht homogene Tongeflecht aus. Als Gastmusiker samt eigenwilligem Gitarrenspiel ist zudem Count Ash von MOON FAR AWAY auf dem von ihm geschriebenen BLUEBERRY SONG vertreten. In einem Zeitraum von fast drei Jahren entstanden, zeugen die Aufnahmen von äußerster Hingabe und Fähigkeit, die einzelnen Stränge in jenes in sich schlüssige Ganze zu verweben, das sich auf dem Tonträger so eindrucksvoll präsentiert: harmonisch fließende, mitunter weit ausgedehnte Liedstrukturen, die über knapp eine Stunde hinweg Hörer und Räumlichkeiten für sich einzunehmen wissen. Melodische Akzente und Höhepunkte werden in den anspruchsvollen, fordernden Kompositionen oftmals subtil, manchmal jedoch auch auffälliger gesetzt. So entwickelt sich ein zunächst ruhiges, besinnliches Stück wie THE QUEST aus sich selbst heraus zu einem treibenden Refrain hin. Hier glänzen die perfekt aufeinander abgestimmten Instrumente in einem permanenten Prozess des Entfaltens. Häufig spielt das Cello einstimmend das Thema bis sich die Violine emotional intensivierend anschließt, was einen vorzüglichen atmosphärischen Hintergrund schafft, der besonders im elfminütigen „Hauptwerk" ĀUSTRAS SWĀIKSTAN zum Tragen kommt.
Textlich setzen ROMOWE RIKOÏTO wiederum auf Vertonungen naturmystisch-romantischer Gedichte aus dem 19. Jh., bedienen sich neben Dante Gabriel Rossetti, Percy Bysshe Shelley und Gérard de Nerval auch aus dem poetischen Oeuvre eines Aleister Crowleys. ETBAUDĪNSA und ĀUSTRAS SWĀIKSTAN widmen sich dagegen dem Altpreußischen, eine archaische, heute ausgestorbene und von Linguisten mühevoll rekonstruierte Sprache, die dem west-baltischen Sprachkreis entstammt und vor langer Zeit Hauptkommunikationsmittel auf dem Gebiet des jetzigen südwestlichen Litauens und der russischen Enklave Kaliningrad war.
ROMOWE RIKOÏTO’s Neofolk ist sehr eigen, vielleicht schemenhaft mit NATURE & ORGANISATION zu vergleichen, aber letztendlich doch vor allem sehr „prussisch". Mit ĀUSTRADĒIWA erfüllt diese besondere Spielart nicht nur die hochgestecktesten ästhetischen Maßstäbe, sondern definiert dieses Moment der Ästhetik auch völlig neu. Wer mittels der Musik auf der Suche nach dem „Schönen an sich und für sich" ist, der wird von ROMOWE RIKOÏTO mehrere Etappen weit mitgezogen. Ganz große Tonkunst.

Release: 2005, ABM10, CD limitiert auf 1000 Kopien, DigiPak

Tracklist:
1. Etbaudīnsna
2. The Quest
3. The Rose And The Cross
4. A Sea-Spell
5. Song Of Proserpine
6. Blueberry Song
7. Artémis
8. Āustras Swāikstan

57min

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JOB KARMA – STRIKE



Ars Benevola Mater blickt noch einmal mit scharfem Auge nach Osten, und das zurecht. JOB KARMA aus Polen haben bereits mit nicht wenigen Veröffentlichungen auf etablierten Labels von sich reden gemacht. STRIKE nennt sich ihr inzwischen viertes reguläres Album und wie ein kräftig energiegeladener Schlag durchfährt es bei der Widergabe nahezu durchweg die Schallerzeuger.
Mit den unterschwellig und minimal pulsierenden Klangwelten vorangegangener Werke hat STRIKE nur noch wenig gemein. Wie EBOLA (2003, Amplexus) schon leise anzudeuten vermochte, sind Rhythmus und weiträumige Sphären in den Vordergrund gerückt.
Eine gewaltige ethno-industrielle Tour de Force beginnt mit dem ersten Titel, setzt sich unermüdlich in den nachfolgenden Stücken fort, bis nach gut 2/3 des Albums mäßig ruhigere Pfade beschritten werden. Alles wirkt auf STRIKE größer, lebendiger, als hätte sich urplötzlich ein eigendynamischer Kosmos entfaltet, düster und beklemmend ob der schieren Dichte und Klangfülle. Hier verschmelzen schleppend metallische Schlagwerke und afrikanische Gesänge, traurig-zögerliche Klavierspuren und qualvoll entsetzte Sprachsamples zu einem entzauberten Gang durch die Lebens- und Leidensfabriken der modernen Industriegesellschaft. In konsequentem Rhythmus arbeitet die Maschinerie, verschlingt Tonspuren und lässt doch Raum genug für melodische Fluchten, die immer wieder durchscheinen, ja sogar über dem stählernen Fundament zu schweben fähig sind.
Der Atmosphäre des Tonträgers völlig angemessen fügt sich die intensiv an H.R. Giger erinnernde Gestaltung von Arek Baginski in das dunkelmaschinelle Bild der Veröffentlichung. Wer hier auf den Geschmack gekommen ist, der sollte sich die parallel erschienene DVD-R mit Baginskis Kurzfilm zu ECCE HOMO nicht entgehen lassen. In nämlichem Stück umwickeln sich die JOB KARMA – Motoren mit emotionalen Klangbändern, die auf volle Länge ausgestreckt ein weitgedehntes, melancholisches Requiem beschwören.
Von hier an herrschen weniger dramatische aber immer noch sehr dreidimensionale Töne. Eine tiefgründige, effektvolle Ambientkollage erwartet den Hörer im Redroom-Mix von I’LL WATCH YOU DROWN. Selbstredend, dass Matt Howden es sich nicht nehmen ließ, dem Stück seinen markanten Stempel aufzudrücken. Kaum zu vermuten und daher umso erstaunlicher ist die beispielhafte stimmungsvolle Synthese, die das elektronische Grundgerüst mit dem sacht platzierten und vorsichtig manipulierten Geigenspiel eingeht. Sehr angetan von diesen neun Minuten bleibt dieser Zusammenarbeit eine eigenständige Veröffentlichung zu wünschen.
Mit einer etwas industrielleren und zeitgemäßen Coverversion des alten KRAFTWERK Klassikers RADIOACTIVITY findet STRIKE ein klangvolles wenn auch ungewöhnliches Ende.
Ich bin überrascht von einem wahrlich vor Kraft und Leidenschaft sprühenden Album. Von JOB KARMA wird noch sehr viel zu hören sein. Allen Interessierten sei an dieser Stelle ein Blick auf die fantastisch gestaltete Heimatseite der Band ans Herz zu legen.

Release: 2005, ABM11, CD limitiert auf 1080 Kopien, DigiPak

Tracklist:
1. Empire’s Collapse
2. March
3. Strike
4. Ecce Homo
5. Red Sky
6. I’ll Watch You Drown (Redroom Mix)
7. Radioactivity

52min

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ATRAX MORGUE – NO MORE



Einige Zeit war es verdächtig ruhig geworden um den einstmals so veröffentlichungswütigen Whitenoise Altmeister, bis schließlich im April mit NO MORE ein, wie der Titel denken lässt, gänzlich finales Manifest über dreizehn Jahren Schaffenszeit hereingebrochen ist.
So abrupt wie dieser Schlussstrich erscheinen mag beginnt auch die vorliegende Endbilanz. Vierzig Sekunden lang wird der Hörer auf die Folter gespannt, dann erhebt sich wie aus dem Nichts die infernalisch manipulierte Stimme. Immer wieder wechseln in diesem ersten Stück Pausen und plötzliche Ausbrüche einander ab und erzeugen eine bedrückende Unberechenbarkeit.
Ansonsten ist auf NO MORE alles wie gehabt: pfeifende Rückkopplungen und heftig verzerrter Gesang bilden noch immer das Rezept, nach dem ATRAX MORGUE seine teuflische Suppe kocht. Der Frequenzbereich ist dabei nach oben hin offen und scheint sich tatsächlich bis zum fünften Titel stetig zu steigern. In THE BROKEN SOUND kulminiert der sägende, sirenenartige Widerhall, breitet sich aus, wo Nervenbahnen mit dem Raum verwachsen und den Kopf umkreisen. Wie um der Selbstauslöschung willen, schreit sich Marco Corbelli die Seele aus dem Leib, kehrt alle innere Dissonanz nach außen. Waren bei ATRAX MORGUE die Bearbeitungen grenzwertiger Themen schon immer zutiefst persönlich geprägt, so ist hier der Punkt erreicht, an dem sich Subjekt und Objekt endgültig mit einander vermengen, sich gegenseitig ein- und ausatmen, eins und nichts werden. Von Anfang bis Ende konfrontiert NO MORE mit einer konsequenten Durchstreichung, Auflösung und Zersetzung, will alles auf die Substanz dieser zwei Worte reduzieren. Die letzten vier Stücke gewinnen etwas an Tiefe, zirkulieren, wie das beeindruckende HANGED IN PLASTIC, sogar auf einem atmosphärischen Hintergrund – Minimalambientsnuffnoise wäre wohl der trefflichste Begriff.
Etwas ungewöhnlich für Ars Benevola Mater kommt NO MORE im Standard Jewelcase, das schlichte Artwork ist ganz dem Konzept unterworfen. Summa summarum wenig Neues auf dem letzten ATRAX MORGUE Album, dafür aber eine erneut und schließlich mächtige, nihilistische Implosion aus dem Starrkrampf heraus, die zudem bestechend klar und sauber aufgenommen wurde.

Release: 2005, ABM05, CD limitiert auf 505 Kopien, Jewelcase

Tracklist:
1. No More
2. To Clean And To Kill
3. Autoerotic Mannequin
4. Cutting At The Edge
5. The Broken Sound
6. Your Choice
7. Club Of The Dead
8. Hanged In Plastic
9. Forced

43min

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