Die Seite wird geladen... einen Moment bitte.
Endsal

OFFERBEEST: Afrika

Musikalische Exkursionen ins Herz der Finsternis


OFFERBEEST: Afrika
Genre: Industrial/Noise
Verlag: Malignant...
Vertrieb: Malignant...
Erscheinungsdatum:
20. Juni 2018
Medium: CD & Download
Kaufen bei: Amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

MAURICE DE JONG, der Mann hinter OFFERBEEST, dürfte dem einschlägig interessierten Leser zumindest durch sein zentrales Projekt GNAW THEIR TONGUES bekannt sein, mit dem der aus Surinam gebürtige und in den Niederlanden ansässige Musiker seit 2006 eine imposante Anzahl an Tonträgern veröffentlicht hat, die samt & sonders irgendwo in den Grenz- & Grauzonen zwischen experimentellem Black Metal, Noise und Death Industrial angesiedelt sind und ihren dezidiert apokalyptischen Anspruch schon in Form von bildmächtigen Titeln wie "An Epiphanic Vomiting Of Blood", "Dawn Breaks Open Like A Wound That Bleeds Afresh", "Eschatological Scatology" oder, besonders schön, "Wir essen Seelen in der Nacht" ziemlich offenherzig spazieren tragen. Des weiteren zeichnet der musikalische Workaholic für das ebenfalls leidlich bekannte, seit 2009 aktive Dark-Ambient-/Drone-Projekt ADERLATING verantwortlich, das er gemeinsam mit seinem Kollegen ERIC EIJSPAART betreibt, und tobt sich darüber hinaus noch auf allerlei black-metal-affinen Nebenkriegsschauplätzen mit variierender experimenteller Note wie DE MAGIA VETERUM, HAGETISSE, CLOAK OF ALTERING oder aber dem gänzlich aus dem infernalischen Rahmen fallenden, nun, nennen wir es mal: Experimental-Shoegaze-Ambient-Projekt SEIROM aus – um nur eine repräsentative Auswahl namentlich zu benennen. Mit seinem jüngsten Unternehmen OFFERBEEST verfolgt DE JONG nun ein Konzept, das das federführende US-Label MALIGNANT zu einem natürlichen Alliierten macht und im Promotext treffend auf den Punkt gebracht wird: "Recorded strictly with analogue gear with no samples or laptop, it is perhaps the closest Maurice has come to a true heavy electronics project."

OFFERBEEST-Artzine, Front

Nach dem 2017 als Tape bei AT WAR WITH FALSE NOISE erschienenen Debüt "Black Teeth" liegt mit "Afrika" – sieht man von dem beinahe zeitgleich veröffentlichten Split mit CLAWING (?) einmal ab – das zweite vollwertige Album von OFFERBEEST vor, das mit Blick auf Medienformat und Label-Popularität bzw. -Reichweite zweifellos einen soliden Schritt nach vorne markiert. Im Unterschied zur thematischen Ausrichtung seiner zentralen musikalischen Tummelwiesen, auf der der bekennende Atheist DE JONG sich zumeist mit allerlei Unappetitlichkeiten aus dem religiösen und okkulten Obskuritätenkabinett beschäftigt, nimmt er – nomen est omen – mit "Afrika" ein ganz konkretes geopolitisches Pulverfass unserer, an geopolitischen Pulverfässern durchaus nicht armen, Zeit ins Visier und präsentiert laut Label-Info "its own slice of nightmarish qualities, deftly capturing all the strife, turmoil, and tribalism in a 7 track homage to the dark continent". Dieser thematische Schwenk fügt sich jedoch überaus harmonisch in die grundlegende Programmatik des sympathischen holländischen Misanthropen ein, der in Fragen des persönlichen Umgangs tatsächlich im Rufe ausgesprochener Warmherzigkeit steht und seine Sicht der Dinge in einem Interview wie folgt auf den Punkt gebracht hat: "I don’t practice magic but I have a strong interest in the occult and religion. I’m an atheist. My worldview is pretty pessimistic. Not a fan of human kind to be honest." Und es versteht sich von selbst: Ist man auf der Suche nach Regionen, wo sich solch eine "pretty pessimistic" Perspektive nach Herzenslust austoben kann, so dürfte der, im Zeitalter galoppierender Globalisierung tagtäglich etwas näher rückende, afrikanische Kontinent zweifelsohne eine Pole Position einnehmen.


Wer nun freilich eine vergleichsweise subtil-differenzierte Durchdringung politischer Irrungen und Wirrungen erwartet, wie sie hinsichtlich des mittel- und südamerikanischen Erdteils exemplarisch vom deutschen PE-Flaggschiff GENOCIDE ORGAN in Form von "Obituary Of The Americas" vorgelegt wurde, ist einigermaßen schief gewickelt: "Afrika" beschränkt sich auf eine eher grobkörnige, holzschnittartige, nichtsdestoweniger – oder vielleicht gerade deshalb – ebenso effektive wie intensive Evokation des Horrors en detail et en bloc, der sich auf jenem Kontinent abspielt, der – pointiert-grimmige Ironie des Schicksals – als "Wiege der Menschheit" gilt. Dies macht ein Blick auf das, die CD flankierende, 12-seitige "A 5 Artzine" deutlich, welches in klassischer Fanzine-Collagen-Manier u.a. Bilder vom ugandischen Diktator Idi Amin, von machetenschwingenden afrikanischen "Aktivisten", allerlei abgehauenen Köpfen und bizarren Propagandaplakaten aus dem rhodesischen Bürgerkrieg der 1960er- und -70er-Jahre (der erst mit der Gründung Zimbabwes 1980 sein endgültiges Ende fand – Anm.) mit Zeitungsausschnitten, -überschriften sowie, last but not least, den Lyrics kombiniert. Hier geht es völlig offenkundig nicht um so etwas wie rationale Analyse, Kritik oder Deutung, sondern um das existenzielle Eintauchen in eine ebenso tiefe wie archaische Finsternis, die das, seit frühesten Menschheitstagen unvermindert aktuelle, Diktum "homo homini lupus" aufs Beklemmendste illustriert.


Überträgt man sie analog auf die geopolitische Agenda von "Afrika", erscheint eine Anmerkung überaus erhellend, die DE JONG in einem weiteren Interview hinsichtlich seiner morbiden Faszination für's Biblisch-Religiöse geäußert hat, die er mit seinem Hauptprojekt immer wieder abfeiert: "I'm Atheist, totally not spiritual, but those stories, especially the Old Testament, have a certain appeal to me. There's an atmosphere that radiates from those stories that I find suitable for Gnaw Their Tongues. Grotesque, horror, tyrannical, maniacal, fanatical etc." So gesehen beackert DE JONG mit OFFERBEEST zwar ein anderes Sujet und bedient sich dementsprechend anderer ästhetischer Mittel als mit GNAW THEIR TONGUES, realisiert damit aber ein nahezu identisches musikalisch-künstlerisches Programm, welches vor allem anderen auf emotionale Intensität abzielt, thematische Komplexität und konkrete Details dabei jedoch weitgehend vernachlässigt. Insofern also der genuine Bedeutungshorizont der gewählten Versatzstücke abgeblendet bzw. in den Hintergrund gedrängt und der psychologisch-emotionalen Effektivität untergeordnet wird, für die er lediglich als Mittel fungiert, offenbart sich "Afrika" als ein weiteres, prächtig schillerndes Paradebeispiel für das post-post-postmoderne Musik- & Kulturschaffen unserer Tage. Was man problematisch finden kann, jedoch keineswegs muss, ist die uneigentliche Rede über bzw. Darstellung von Sachverhalten doch das konstitutive Merkmal des so genannten "Informationszeitalters" im allgemeinen sowie seiner ubiquitären Popkultur im besonderen.

OFFERBEEST-Artzine, Seite 10/11

In rein musikalischer Hinsicht setzt das Album die auf dem Debüt "Black Teeth" etablierte Gangart konsequent fort, ja: forciert sie noch: War letzteres in seiner fiesen Bösartigkeit noch etwas verhalten, so wird sie dem Hörer auf "Afrika" mittels "percolating frequencies, writhing beds of acrid, electrical buzz and vocals that spit in your face with a heartless an alarming hostility", wie der Promotext das so charmant formuliert, rigoros & kompromisslos um die Ohren geballert. Die CD punktet mit exorbitanter Wucht qua mal mehr, mal weniger vordergründigen, immer wieder gebrochenen Beatsequenzen, bratzig-fiesem, von giftnickeligem Geschrei durchsetzten Gewummere sowie einem rundum überzeugenden Oldschool-Noise-Sound, der sich wohltuend von manch blutleerem, uninspiriertem Knöpfchendrehergefiepse abhebt, mit dem man dieser Tage bisweilen belästigt wird. Nicht minder positiv ist die relativ kompakte Laufzeit von einer guten halben Stunde zu bewerten, denn bekanntlich ist es ja die Kürze, in der die Würze liegt – jedenfalls verhindert sie zuverlässig jedwedes Abgleiten in ermüdendes, selbstreferentielles Herumgebrumme und sichert das, worum's hier letzten Endes geht: eine maximale Wumms-Experience! – Kurzum: Das gute Stück ist jedem Freund gepflegter Noise-Darbietungen uneingeschränkt ans Herz zu legen; da es in einer limitierten Auflage von 300 Stück erschienen ist, sollte der geneigte Interessent die Anschaffung allerdings nicht auf die allzu lange Bank schieben, denn die von Herrn DE JONG gepflegte, prinzipielle Genretranszendenz macht potentielle Käuferkonkurrenz aus angrenzenden musikalischen Gefilden, allen voran denen des Black Metal, nur allzu wahrscheinlich.

OFFERBEEST gilt es auf dem Zettel zu behalten.


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» MAURICE DE JONG/GTT et al. @ bandcamp
» OFFERBEEST @ facebook
» OFFERBEEST @ discogs
» GNAW THEIR TONGUES @ devotionalhymns
» MALIGNANT-Homepage
» MALIGNANT @ bandcamp


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Das famose zweite Album des jüngsten GNAW THEIR TONGUES-Nebenprojektes punktet mit exorbitanter Wucht: gebrochene Beatsequenzen, bratzig-fieses, von giftnickeligem Geschrei durchsetztes Gewummere sowie satter Oldschool-Noise-Sound lassen den Connaisseur mit der Zunge schnalzen.

Inhalt
01: Machete (3:29)
02: He Is My Master (3:59)
03: Violated (3:50)
04: I Am The One (4:54)
05: Cut Out Their Hearts (4:58)
06: Kill Everything In Sight My Brothers (5:38)
07: Chains (4:14)

CD im Kartonschuber inkl. 12-seitigem A5-Artzine in Plastikhülle, limitiert auf 300 Exemplare
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Offerbeest
 
gnaw musikalischen offerbeest their tongues