Alles begann mit einem Adler, heißt es. Der aß von der Leber des Prometheus, der an eine Felswand des Kaukasus gekettet wurde, weil er den Menschen das Feuer gebracht hat – was ihm strikt verboten war ... So die Legende des ersten Rebellen, dessen Strafe das Anketten war. Und schon sind wir beim Thema. STRAFE FÜR REBELLION, beziehungsweise STRAFE F.R. heißt dieses lang bestehende Projekt aus Düsseldorf, das bereits 1979 von BERND KASTNER und SIEGFRIED M. SYNIUGA gegründet wurde. Ihre erste selbstbetitelte LP, der eine 7inch beigelegt war, erschien 1982. Viel Beachtung wurde ihr aber leider nicht zuteil. Obwohl doch die 1980er- und 1990er-Jahre durchaus produktiv waren. Dann kam die Pause. Sie dauerte etwa zehn Jahre. Erst 2014 knüpfte STRAFE F.R. an das Musikalische der vergangenen Jahrzehnte an. Doch nun gibt es mit "The Bird Was Stolen" eine brandneue, auf 500 Stück limitierte und auf dem Label TOUCH herausgegebene CD. Man merkt sofort, dass die Musik nicht – wie mittlerweile üblich – auf digitalem Weg produziert wurde. Das wurde sie nie. STRAFE F.R. nutzt keine elektronischen Musikinstrumente. Es werden ausschließlich herkömmliche oder – positiver ausgedrückt – klassische Instrumente wie Klavier, Gitarre, Bass verwendet, die dann allerdings präpariert oder zweckentfremdet eingesetzt werden. Dazu haben KASTNER und SYNIUGA, die übrigens auch als bildende Künstler tätig sind, eigene Instrumente und Geräuschmaschinen gebaut. Diese werden dann auch schon mal ins Wasser gehalten, um die so entstehenden Töne mit einem portablen Tape-Recorder aufzunehmen. Das Ganze wandert schließlich in ein Archiv. Man weiß ja nie, wann und wo ein Sound noch eingesetzt werden kann. Beim Hören der neuen CD fallen gerade die Sounds auch ins Ohr. Sie sind gleichermaßen alt, retro und neu. Mit etwas musikhistorischem Hintergrund erinnert die Soundkulisse an die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN der frühen 1980er-Jahre oder an DAS SYNTHETISCHE MISCHGEWEBE. Auch bei diesen wurden Instrumente verwendet, die zweckentfremdet zum Einsatz kamen. Auch bauten sie sich ihre eigenen Klangerzeuger, beziehungsweise wurden artfremde Geräte zu Instrumenten umfunktioniert. Allerdings war und ist die Herangehensweise dieser beispielhaft genannten Formationen bis heute höchst eigen. Und ein direkter Vergleich führt in die Sackgasse. Jedoch hilft ein indirekter dabei, sich in etwa vorstellen zu können, in welche Richtung diese Veröffentlichung zeigt. STRAFE F.R. baut zum Beispiel auf musikalische Unfälle, die dann als Quelle für die Aufnahmen ins Spiel gebracht werden. Sie nutzen das Studio dann auch eher als eine Art Grundstück, um sich darauf auszuprobieren, oder als abschließbaren Raum, um darin ungestört Ideen umzusetzen. Sie gehen also nicht in Schwimmbäder oder unter Autobahnbrücken. Sie gehen vielmehr in Klausur. Es entstehen durch Arbeit stark entfremdete Sounds, die nichts mehr mit der eigentlichen Klangqualität gemein haben. In "The Bird Was Stolen" sägen Gitarren, klappern metallisch klingende Gegenstände, wabern unzählige Fäden, die zeitlich immer weiter ausfransen. Auf „Pepper´s Home“ (02) etwa ein Schlagwerk, das sich wie von einer defekten Maschine gespielt anhört, die auf wundersame Weise jedoch noch den Takt halten kann. Und Flächen, die hier und da wie Schollen vom Grund und Boden abbrechen. „Aconite“ (03) steht ebenfalls stellvertretend für diesen speziellen STRAFE F.R.-Sound. Dazu dann die Stimmen, die früher schon mal von eigens engagierten Opernsängern kamen und hier meist an verzerrte, nicht menschliche Stimmen erinnern. In „Anophelis“ (04) klingt das wie in Wasser gesungen. Dazu Störlaute, Brummen, Kratzen. Fehlfunktionen und Feldaufnahmen. Tierlaute und Klangereignisse, die ob des besonderen Ortes, an dem sie aufgenommen wurden, auch besonders klingen. Ein 14 Titel umfassendes, ein kraftvolles und doch warm klingendes, tief atmendes Album, dessen Intensität an ein Früher erinnert, das sich selbst eingeholt hat, um alt und neu zugleich zu sein. In Anbetracht der geringen Auflage ist schnelles Zugreifen wärmstens empfohlen.
awk für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Label-Seite
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
|
Zusammenfassung
Ein 14 Titel umfassendes, ein kraftvolles und doch warm klingendes, tief atmendes Album, dessen Intensität an ein Früher erinnert, das sich selbst eingeholt hat, um alt und neu zugleich zu sein.
Inhalt
01. Jovian Tempest
02. Prepper’s Home 03. Aconite 04. Anophelis 05. Cap De Barbaria 06. Pianosmoke 07. Flare 08. Medusa 09. Golden Stomach 10. Dictator 11. Himmelgeist 12. Megalitic 13. Violet Sun 14. Towton |