Nachdem das letzte reguläre Studioalbum von MZ.412, "Infernal Affairs" von 2006, mittlerweile stolze zwölf Jahre auf dem Buckel hat und die letzten beiden Veröffentlichungen lediglich Livemitschnitte – wenn auch, wie im Fall des 2015 erschienenen Albums "Hekatomb", ausgesprochen mitreißende – präsentierten, wurde es doch höchste Eisenbahn für die schwedischen "originators of Black Industrial" (Selbstbezeichnung), ihre ausgehungerte Gemeinde endlich wieder mit frischem, bitterbösem Material zu versorgen. Und so trommelte denn der unheilige Kamrat NORDVARGR seine diabolischen Spießgesellen DRAKHON und ULVTHARM zusammen, um pünktlich und passend zum 30-jährigen Bandjubiläum – 1988 trat man, damals noch unter dem Namen MASCHINENZIMMER 412, mit der Cassette "Macht durch Stimme" erstmals in Erscheinung – mit einem nigelnagelneuen Album aufwarten zu können. Dieses Album, so erfahren wir seitens des ausführenden Labels COLD SPRING, wird den Titel "Svartmyrkr" tragen und im Laufe des Jahres als CD und Doppel-Vinyl erscheinen – die vorliegende 10''-EP "Ulvens Broder" bildet mit ihren drei Titeln so etwas wie die Vorhut; ob später dann nur einer, zwei oder alle drei Titel nochmals 1:1 auf dem Album erscheinen werden, das hat sich dem Rezensenten irgendwie nicht ganz erschlossen, angesichts von Limitierung und drei unterschiedlichen Vinylfarben dürfte dieser unwesentliche Nebenaspekt dem Status als Sammlerobjekt aber keinen nennenswerten Abbruch tun.
Was den musikalischen Aspekt betrifft, so weiß "Ulvens Broder" zu gefallen: Im Gegensatz zu den letzten beiden "richtigen" MZ.412-Alben "Domine Rex Inferum" (2001) und "Infernal Affairs" (2006), die auf Dauer etwas ziellos in einem, wiewohl kohlrabenschwarzen, so doch reichlich bierbräsigen Ritual-Industrial-Sumpf herumlavierten, schließt das aktuelle Material wieder beherzt an die martialische Schmissigkeit früherer Werke wie "In Nomine Dei Nostri ..." (1995) oder "Nordik Battle Signs" (1999) an – und so findet sich auf der annoncierten "very special B-side with Tomas from Ordo Rosarius Equilibrio" auch das von letzterem Album wohlbekannte "Algiz (Konvergence Of Life And Death)" in einer neuen Version wieder. Doch der Reihe nach: Der einleitende Titeltrack liefert einen packenden Einmarsch mit Pauken & Trompeten, brachial, kompromisslos und knarzig bis ins Gebein, nicht irgendwelche durchs Effektgerät gejagte, nostalgisch verbrämte Retro-Trommelei mit trivialen Noise-Einschüben, sondern ein mit herzerfrischender Wucht walzengleich alles in Grund & Boden trampelnder, apokalyptischer Triumphzug, der seinesgleichen sucht. Touché! Mit "The Father Uncreated" wird es dann ein wenig verhallter und verhaltener: Zeit für die introspektiven infernalischen Momente. Und so grollt und scheppert, dröhnt und wabert es in charakteristischer Weise unheilschwanger vor sich hin, während gutturale Stimmen mal mehr, mal weniger vordergründig diverse unverständliche, doch zweifellos barbarische, unnennbar entsetzliche Beschwörungen hervorgurgeln, was zwar durchaus eine sinistre Atmosphäre generiert und insofern Freude bereitet, verglichen mit dem grandiosen Vorgängertrack im Ergebnis jedoch etwas zurückfällt. "Algiz – Konvergence Of Life And Death 2018" bewegt sich an der Grenzscheide zwischen Ritual und Post Industrial wie das Original auch, weist aber deutlich mehr perkussive Elemente als dieses auf und kommt insgesamt empfindlich noisiger und druckvoller daher, ohne dass dadurch die charakteristische, beinahe zeremonielle Stimmung des Tracks gemindert oder unbillig verzerrt würde. In Verbindung mit den, von O.R.O.s TOMAS PETTERSSON mit gewohntem, doch nicht überzogenem Pathos vorgetragenen, hymnischen Lyrics ergibt sich die offensivere oder, wenn man so will: martialischere Interpretation eines Genre-Highlights, das auch nach fast 20 Jahren kaum an Strahlkraft eingebüßt hat.
MZ.412: NORDVARGR - ULVTHARM - DRAKHON
"Ulvens Broder" schließt erfreulich eng an die harscheren und rhythmusorientierteren, früheren Tage von MZ.412 an – dies freilich eine Entwicklung, die sich schon angesichts des spezifischen Sounds abzeichnete, den die Band ihrem musikalischen Material 2015 auf dem Live-Album "Hekatomb" angedeihen ließ. Ob man das Ding nun unbedingt haben muss oder lieber doch wartet, bis "Svartmyrkr", das neue Album, erscheint, diese Frage möge ein jeder mit Bedacht im eigenen Herzen bewegen, nehme jedoch zur Kenntnis, dass COLD SPRING die 10'' in weißem, rotem und schwarzem Vinyl unter die Leute bringt und jede Version auf jeweils 412 Exemplare limitiert ist. Es sage also keiner, er hätte nichts gewusst und nichts geahnt, wenn das gute Stück am End' vergriffen ist.
Zu guter letzt noch eine ebenso possierliche wie komplett am Thema vorbeigehende Randbemerkung: Da der Rezensent des Schwedischen nicht mächtig ist, googelte er dem Titel ein wenig hinterher. Nachdem ihm der "Bruder" im "Broder" recht offensichtlich schien, gab er nur den Begriff "Ulven" ein – und erzielte exakt drei Treffer. Erstens: Genitiv von "ulv" = "Wolf", "Ulvens Broder" ergo "Wolfes Bruder" – was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die korrekte Übersetzung des Titels sein dürfte. Doch waren die anderen beiden Treffer nicht weniger charmant – so folgte zweitens: Die HMS Ulven, ein schwedisches U-Boot, das 1943 auf eine Mine auflief und mit 33 Mann Besatzung in der Nordsee versank. Schließlich drittens: Tor Ulven, schwer depressiver norwegischer Autor, der mit lediglich einem Roman sowie wenigen Lyrik- und Prosa-Anthologien zum einflussreichsten modernen Schriftsteller Norwegens avancierte, nach einem Nervenzusammenbruch neun Jahre lang seine Wohnung nicht mehr verließ und sich schließlich mit 41 Jahren selbst entleibte. Bezug zu MZ.412 und der vorliegenden EP? Mutmaßlich keiner. Aber eine hübsche Koinzidenz allemal.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
*Du bekommst max. eine Nachricht pro Woche mit allen neuen Artikeln.
Du kannst die Wochenschau jederzeit abbestellen.
Das Spartenmagazin für authentische Musik...
Seit dem ersten Januar 2007 ist das Musik- und Kulturmagazin NONPOP offiziell auf Sendung.
NONPOP richtet seinen Fokus auf jene Themen, die im Niemandsland zwischen Mainstream und Subkultur nur mäßig oder nie in ihrer gesamten Vielgesichtigkeit ausgeleuchtet werden.
Talentierte Redakteure gesucht...
Du wolltest schon immer professionell über die Themen schreiben, die Dich ganz besonders interessieren und Deiner Meinung nach zu wenig beachtet werden? Trotz Deiner Fachkenntnis bist Du wissbegierig und neuen Themen gegenüber aufgeschlossen? Dann wollen wir gern mehr von Dir erfahren!
Erfahrungen sammeln...
Als Redakteur profitierst Du bei uns von der Arbeit mit einer professionellen Autorensoftware, der Hilfe einer Lektorin und dem Fachwissen aller Redakteure. Für den praktischen Einstieg werden Dir zudem wichtige Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Innerhalb der Redaktion steht man sich jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.
Eine Idee verwirklichen…
NONPOP ist ein unkommerzielles Magazin. Es ist uns daher nicht möglich, Autorengehälter zu zahlen. Als Mitarbeiter erhältst Du jedoch kostenfreie Rezensions-Exemplare, Akkreditierung zu bestimmten Veranstaltungen und natürlich wertvolle journalistische Erfahrungen. Wirke mit an einer gemeinsamen Idee!
Schreib uns...
Für einen ersten Eindruck reicht eine formlose und kurze Vorstellung mit einem kleinen Überblick zu Deinen musikalischen & kulturellen Schwerpunkten und ein aussagekräftiger Probetext. (Das Thema kann frei gewählt werden.) Wenn Du bereits eine genaue Vorstellung davon hast, an welcher Stelle Du Dich bei uns besonders einbringen kannst, schreib das bitte gleich dazu.
Sollte eine regelmäßige Mitarbeit für Dich nicht in Frage kommen, kannst Du auch als freier Redakteur beim Magazin mitarbeiten.
Um die Funktion vor Mißbrauch zu schützen, ist es nur registrierten Mitgliedern möglich, diesen Artikel zu bewerten. Bitte logge Dich ein.
Um die Funktion vor Mißbrauch zu schützen, ist es nur registrierten Mitgliedern möglich, diesen Artikel zu kommentieren. Bitte logge Dich zuerst ein.
Zusammenfassung
Erfrischend nach vorne losgehender Appetizer auf die, für 2018 angekündigte, neue LP "Svartmyrkr", der an die martialische Schmissigkeit der frühen Alben erinnert, durchweg Spaß macht und seinen Zweck voll erfüllt: "Ulvens Broder" macht Lust auf mehr.
Inhalt
A1: Ulvens Broder (5:38)
A2: The Father Uncreated (5:41)
B1: Algiz (Konvergence Of Life And Death 2018) [ft. Ordo Rosarius Equilibrio] (7:01)
Limitierter Zehnzöller: jeweils 412-mal weißes, rotes und schwarzes Vinyl