PROPHECY entwickelt sich mehr und mehr zum Nachfolger von
WORLD SERPENT, bietet ein Dach für die (wenigen) übriggebliebenen Acts, die sich wohl noch als 'Neofolk' bezeichen lassen. Geht das Portfolio des Mutterlabels weit über dieses Genre hinaus, haben auf dem Sublabel
AUERBACH in den vergangenen Monaten genreprägende Bands wie SOL INVICTUS (
Besprechung), CAMERATA MEDIOLANENSE (
Besprechung) oder SPIRITUAL FRONT (
Besprechung) veröffentlicht. Nun folgen Mitte Mai
HEKATE aus Koblenz, eine der wichtigsten deutschen Neofolk-Formationen, mit ihrem neuen Album "Totentanz".
Ob der Titel (nach ähnlich klingenden Alben wie "Sonnentanz" oder "Tempeltänze") eine Aussage über die Zukunft des Projektes beinhaltet, lässt sich nicht verifizieren. Inhaltlich drehen sich nach sieben Jahren Pause jedenfalls viele Lieder auf dem neuen Studiowerk um die eigene Sterblichkeit und, damit einhergehend, um 'klassische' Themen wie Kampf, Krieg, Todessehnsucht, aber auch Liebe.
"Totentanz" vereint zehn Stücke, die in ihrer Anmutung teils sehr unterschiedlich sind. Kommt mit nur einem Fremdtext ("Mondnacht" von
EICHENDORFF) und einem kurzen Sprachsample aus. Und wartet immer wieder mit extrem dichter Instrumentierung auf, was aber dank der starken Produktion kein Nachteil ist, nie breiig wirkt. Die Texte wechseln zwischen Deutsch und Englisch.
Die düsteren Gedanken eines alternden Königs ("The Old King", 01) eröffnen das Album. Zum Einstieg noch dronig und wabernd, weich eingeblendet, nimmt der Titel nach zwei Minuten mit düsteren Fanfaren und den typischen HEKATE-Trommeln Fahrt auf, der Marsch in den bevorstehenden Kampf. Nach orientalisch anmutender Gitarre setzen auch die männlichen Vocals ein. Leicht verstärkt, aber dennoch klar, wirken sie schwebend und erinnern mich - später auch zusammen mit der Instrumentierung einiger Tracks - sehr an
DEAD CAN DANCE. "Lost And Broken" (02) folgt mit klassischem, neofolkigem Gitarrensound (wie etwa bei
OTWATM), dazu wehmütiger und kristallklarer Gesang, auch hier unterstützt von Trommeln (und schnellen Gongs). Fragen über Tod, Krieg und Hass im Text. Die bereits erwähnte EICHENDORFF-Vertonung "Mondnacht" (03) besticht durch satte Produktion. Denn trotz starker Trommeln, Gitarre, trotz Synthiedrones, mittelalterlicher Leier und (später) einer Trompete stehen die Vocals erneut glasklar und stark im Raum. Mittelalterliches, historisches Flair mit Rezitationsstrecken. Die Trommeln führen auch durch "Luzifer Morgenstern" (04) - manchmal durchaus pathetisch - und die zurückhaltende Ballade "Ascension Day" (05).
In der Mitte des Albums wechseln die Stimmen,
weibliche Vocals im Titelsong "Totentanz" (06) führen ein
Moritat auf, untermalt nur von Trommel und knurrenden Synthiesounds. Der Form entsprechend wirkt die Darbietung äußerst dramatisch. Insbesondere "Spring Of Life" (07) ähnelt wieder einem der sphärischen Stück von DEAD CAN DANCE, auch "Embrace The Light" (08) bleibt ruhiger, nur mit Silbengesang, lateinischer Rezitation, Trommeln und Drones. Nach schwelgerischer Gesang zu
Kantele in "Desire" (09) wechseln noch einmal die Vocals, und mit "Am Meere" steht eine sehr elegante (männliche) Rezitation zu Gitarre und Trommel am Ende von "Totentanz".
Zwei Hälften prägen die Stimmung, die erste, durchweg männliche wirkt kräftiger, martialischer. Die zweite, überwiegend
weibliche bleibt nachdenklicher, ätherischer und etwas vager. Beide vereinen sich zum bislang komplettesten und vielfältigsten Album von HEKATE. "Totentanz" bündelt das Akustische aus "Tempeltänze" (
Besprechung), die dominierenden Trommeln und die Synthetik aus "Sonnentanz" und das träumerische, mittelalterliche Flair aus "Die Welt Der Dunklen Gärten" (
Besprechung). Satt und modern produziert, sind HEKATE hier vollständig und auf dem Höhepunkt.
Beruhigend zu wissen, dass ein Totentanz nicht gleichbedeutend mit dem unmittelbaren Ende sein muss, wie
HANS CHRISTIAN ANDERSEN - aus Sicht des Todes - schön formuliert hat: "So alt wie jeder von euch ist, so viele Jahre habe ich schon mit euch getanzt. Jeder hat seine eigenen Touren, und der eine hält den Tanz länger aus als der andere."
PS: Das Album erscheint in diversen, auch aufwändigen Versionen. Als reguläre CD im Digipak, als Doppel-CD mit fünf Bonusliedern und bislang unveröffentlichten Tuschezeichnungen von HERMANN WÖHLER und als Doppel-LP in schwarzer und weißer Ausgabe.