GIL HOCKMAN aus Johannesburg ist der klassische 'bedroom musician'. Erst mit über 30 Jahren hat er sich zuhause das Gitarrespielen beigebracht, später auch mit Synthesizern experimentiert und die daraus resultierende Mischung aus Folk und Elektronik aufgenommen. Mit den ersten Alben folgten dann auch Auftritte in kleinen Clubs quer durch Südafrika und Europa. Inzwischen liegt mit "Becoming" sein viertes Vollzeitwerk vor, finanziert per Crowdfunding. Musikalisch haben elektronische Spielereien mehr Gewicht bekommen. Textlich geht es deutlich weniger um Handfestes wie verflossene Liebe, sondern um größere Zusammenhänge, um übergeordnete Schwierigkeiten und Rückschläge im Leben. Das erste Stück ist wegweisend für das Album und wirklich bezaubernd. "The Days Of Our Lives" (01) beginnt mit einer zarten, leisen und sehr melancholischen Gitarrenmelodie, nach und nach unterlegt von elektronischen Glöckchen, von Fender Rhodes-Akkorden und einem minimalen Bass. Die sehr zurückhaltend produzierte Stimme liegt irgendwo zwischen den Instrumenten, der Sound erzeugt eine starke Atmosphäre von Einkehr und Nachdenklichkeit, zuhause eingeschneit. Wie fast alle Tracks birgt auch der Opener eine Überraschung in Form des verspielten, improvisierten 70er-Jahre-Instrumentalteils. "Untitled" (02) wirkt zwar beschwingter, weist per Gitarre minimale Rockanklänge auf, erinnert aber immer noch an den einsamen Spaziergang durch einen verlassenen Park. Zusammengehalten von der immer leicht gequälten Stimme bleiben einige Stücke überwiegend klassisch im Singer / Songwriter-Modus. Andere, versehen mit kleinen, elektronischen Spielereien, liegen zwischen Electronica und psychedelischem Folk. Alles ziemlich versponnen, zwischendrin als Sonnenstrahl ein paar BEACH BOYS-Vocals, Lo-Fi selbstverständlich. Dazwischen finden sich einige durchweg schräge Songs, "Somewhere Else" (05) etwa, bis auf die einzelnen, kindlichen Synthietöne acapella, "Rope_ankle" (07) mit weihnachtlicher Melodie und selbstgemachten Beats oder das neofolkig beginnende "Dreaming" (09), das nach Akustikgitarre und Akkordeon in dröhnende Synthiemusik übergeht. An MOMUS hat mich das ein oder andere Lied erinnert, die folkigeren Sachen auch an TUNNG, die Folktronica-Vorzeigeband. "Becoming" hat ein sehr eigenes, filigranes Ambiente, auch das Cover mit dem Röntgenbild eines seltsam verkrümmten Skelettes fügt sich hier ein. Die zehn charmanten, betörenden Lo-Fi-Stücke machen mir große Freude und werden in den kommenden Winterwochen sicher häufiger laufen.
Michael We. für nonpop.de
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Zusammenfassung
"Becoming" hat ein sehr eigenes, filigranes Ambiente, auch das Cover mit dem Röntgenbild eines seltsam verkrümmten Skelettes fügt sich hier ein. Die zehn charmanten, betörenden Lo-Fi-Stücke machen mir große Freude und werden in den kommenden Winterwochen sicher häufiger laufen.
Inhalt
01. The Days of Our Lives (04:29)
02. Untitled (02:36) 03. Monday 7 September (04:13) 04. Talking to a Man (03:35) 05. Somewhere Else (04:14) 06. Top of the Hill (03:10) 07. Rope_ankle (03:09) 08. Coming In (03:30) 09. Dreaming (04:08) 10. Scheming (05:02) ~ 38 min. |