UNITED FRONT scheinen auf den ersten Blick ein relativ unbeschriebenes Blatt zu sein, tatsächlich handelt es sich jedoch um ein Update des Projektes U-731, mit dem der altgediente US-amerikanische Noise-Aktivist GORDON LAZARUS unter tatkräftiger Mithilfe seiner Kumpels JOHN STILLINGS aka STEEL HOOK PROSTHESES und ANDREW GRANT aka THE VOMIT ARSONIST vor etwa drei Jahren die CD "By All Means..." veröffentlichte, die seinerzeit auch an dieser Stelle ziemlich euphorisch besprochen wurde. Und wie es der erste Teil des Titels – "By All Means II" – bereits nahelegt, versteht sich das vorliegende Album als unmittelbare Fortsetzung jenes energiegeladenen Noise-Pakets von 2014, bedauerlicherweise jedoch ohne dabei die, damals freilich relativ hoch gelegte, Messlatte auch nur ansatzweise zu erreichen. Das Dilemma des Albums deutet sich im klischeelastigen "Untertitel" des Albums – "The Fall Of Church And State" – bereits an und verdichtet sich angesichts der Auskunft des Promotextes, "this has a more distinctly European feel than before, channeling mid-late 90's German acts with its singular frequency throbs, samples, hostile vocals, and ominously atmospheric washes of toxic electronics". Hier wittert der kundige Connaisseur bereits die mehr oder weniger verhohlene Ankündigung eines fröhlichen Wiederholungsstadels, unter dessen Ägide altbekannte programmatische und musikalische Konzepte neu aufgebrüht und abermals unter die Leute gebracht werden.
Und mit dieser Ahnung könnte er richtiger kaum liegen, unser Connaisseur, denn man kann es nicht anders, nein, man muss es so sagen: "By All Means II: The Fall Of Church And State" präsentiert sich musikalisch wie thematisch als reichlich fader Neuaufguss altbekannter PE-Allgemeinplätze, ohne darüberhinaus irgendwelche nennenswert originellen oder innovativen Sahnetoppings beizusteuern. Dies ist angesichts der freudigen Erwartungen, die der fulminante U-731-Erstling damals zu generieren wusste, enttäuschend und nimmt wunder angesichts vorangegangener, durchaus kraftvoller Tracks unter dem UNITED-FRONT-Moniker – erinnert sei bspw. an das grandiose Stück "Wehrmacht", das bereits 2013 im Rahmen eines Splits mit CAMISOLE erschien – , denn umfassender kann man bestehende Konventionen und Klischees wohl schwerlich einlösen, als dies die vorliegende CD mit Blick auf das PE-/Noise-Genre tut. Ob und inwieweit das möglicherweise damit zu tun haben könnte, dass das Projekt mittlerweile auf ein Duo, bestehend aus LAZARUS und ANTHONY S. KUCHTA III, zusammengeschrumpft ist, sei dahingestellt. Der Eindruck einer reichlich übersichtlichen thematischen Bandbreite drängt sich jedenfalls bereits mit Inaugenscheinnahme der einzelnen Tracktitel auf und erfährt entsprechend Bestätigung, wenn der labelseitige Text die Intention des Albums mit den Worten "painting a picture of a country rife with corruption and spiraling towards war and strife" wiedergibt – potzblitz, da brat' mir nu' aber einer einen extrafetten Storch!
Für sich genommen wäre eine gewisse inhaltliche Eindimensionalität ja erstmal gar nicht weiter tragisch (Beispiele, die trotzdem für ein Höchstmaß an musikalischer Überzeugungskraft aka Wumms! gut sind, existieren ja durchaus), würde im Gegenzug die musikalische Umsetzung durch einen innovativen Mehrwert oder immerhin ein imposantes Energielevel punkten, doch leider bewegt sich "By All Means II" auch in dieser Hinsicht auf leidlich ausgetretenen Pfaden – und das in durchgängig mäßigem Tempo. Das Strickmuster der sechs Tracks, die sich auf eine CD-Laufzeit von insgesamt 35 Minuten verteilen, ist im Grunde genommen immer das gleiche: das erste Drittel fungiert quasi als Einleitung, zumeist Reminiszenzen aus dem Drone-/Dark-Ambient-Bereich evozierend, gefolgt von extensiven Spoken-Word-Samples aus dem politischen und/oder religiösen Sektor, die schließlich in den noiselastigen, vom üblichen zerschredderten PE-Vokalgezeter geprägten Hauptteil überleiten, der mit dem abgenüdelten Begriff Vintage recht trefflich umschrieben ist: klassische Power Electronics mit dem Bouquet deutscher Anbaugebiete, wobei man sich an den goldenen Jahrgängen der 1990er- und frühen 2000er-Jahre orientiert, ohne dieser Blaupause nennenswerte eigene Zugaben hinzuzufügen. In der Summe reicht das leider nicht aus, um den Hörer nachhaltig zu faszinieren: zu unspektakulär, zu konventionell und vorhersehbar spulen UNITED FRONT hier ein musikalisches/ästhetisches Programm ab, das man mittlerweile in- und auswendig kennt. Die immer gleichen Bilder diverser schwerbewaffneter Sturmhaubenträger, die sich in der Ikonographie von UNITED FRONT so zahlreich tummeln, sind in dieser Hinsicht exemplarisch: Dass dergleichen vor 10 oder 20 Jahren bei den GREY WOLVES oder SURVIVAL UNIT prima funktionierte und seine künstlerische Berechtigung hatte, geht keineswegs auf ein ewig geltendes, universelles Gesetz zurück und hinterlässt heutzutage eher einen faden Nachgeschmack.
Nicht unerwähnt gelassen sei zu guter letzt übrigens, dass kein Geringerer als THOMAS GARRISON aka CONTROL das Mastering von "By All Means II: The Fall Of Church And State" besorgte. Die CD ist bei MALIGNANT in einer Limitierung auf 300 Stück erschienen und wird im schlichten 4-Panel-DigiPak unter die Leute gebracht, auf Booklet, Inserts und/oder sonstige Beigaben verzichtet man – das Werk soll wohl für sich sprechen. Und das tut es ja auch, wenn auch weniger im mutmaßlichen Sinne des Erfinders. Unterm Strich bleibt eine ziemlich durchschnittliche Noise-/PE-Veröffentlichung, die noch einmal eindrucksvoll in Erinnerung ruft, dass man mit den immer gleichen Zutaten eben nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag ein Süppchen kochen kann, das die Tischgesellschaft zuverlässig zu verzücken weiß.
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Zusammenfassung
Eher durchschnittliches und überraschungsarmes Follow-Up des U-731-Debüts von 2014. Zeichnete dieses sich durch massive Wucht und Harshness aus, so ernüchtert der Nachfolger durch Vorhersehbarkeit und Konventionalität auf musikalischer, ästhetischer & inhaltlicher Ebene. Schade.
Inhalt
01: What Makes Us Great (6:29)
02: Conflict (6:18)
03: What Is Conflict (6:23)
04: Church And State (5:55)
05: Our War Alone (6:50)
06: No Friends, No Enemies (2:53)