Michael We.
ART ABSCONS: The Separate RepublicNeues vom Mann mit der Maske
Genre: Neofolk
Verlag: Fronte Nordico Erscheinungsdatum: August 2017 Medium: CD / 2xLP Preis: ~14,00 € Kaufen bei: Opus Abscondi In den vergangenen Monaten ist mir eine Band untergekommen, die bei mir ein ähnliches Nachdenken über die Bedeutung von 'Kitsch' ausgelöst hat wie ART ABSCONS. Gemeint ist das Duo ST. MICHAEL FRONT, dessen pathetischer Neofolk-Pop gehörig vor sich hin schmettert - und mir ebenso viel Freude macht wie die Musik von ART ABSCONS. Ich ziehe deshalb in beiden Fällen eine ältere Bedeutung des Wortes Kitsch zu Rate, ungefähr "falsch in Ort und Zeit". Das passt insbesondere zu dem Mann mit der Maske gut, der öfter mit seinem romantischen, mystischen Texten und der schwelgerischen Musik aus der Zeit gefallen scheint.
Nach einiger Pause - das letzte mir bekannte offizielle Album stammt aus 2012 (Besprechung), ein Splitalbum mit GNOMONCLAST 2014 - ist nun gerade eben ein neues Werk erschienen. Nach kleineren Spielereien (wie "Travelling With Ukulele" und andere Einspielungen zum Download) sind auf "The Separate Republic" 13 vollwertige neue Stücke versammelt, die es in sich haben. Zum einen, weil sie den bisherigen Rahmen, in dem sich die Kunstfigur ART ABSCONS bewegt hat, deutlich erweitern. Zum anderen, weil viele der Lieder die vermeintliche Nähe zum Kitsch noch mehr suchen als frühere Songs, deshalb weniger einheitlich und neofolkig bleiben. Der kurze Einstieg (01) ist instrumental, romantisch und neoklassisch, mit Sprachsample. Ein Zupfinstrument, das nach finnischer Kantele klingt, untermalt zusammen mit ganz dezenter Percussion und dronigen Streichern "War Ist Wird" (02), den eigentlichen Opener. Ein sehr filigraner Song, die Stimme von ART scheint mir noch klarer, noch wärmer als früher - ich habe sie aber auch eine ganze Weile lang nicht mehr gehört. Wie im weiteren Verlauf muss ich an neu vertonte Volkslieder denken. (Fünf davon sind als "Fünf Lieder" vor einem Jahr tatsächlich erschienen.) Mit "Durch Zeit Und Traum" (03) folgt die erste größere Überraschung. Ein Lo-Fi-Schlagerbeat und waviger Gesang lassen diverse NDW-Vergleiche zu. Orientaslische Einsprengsel und starke, flüsternde Sprechstimme plus Trompete erinnern mich außerdem an alte Kindermärchen-LPs. Diese überbordende, neue Vielfalt zieht sich durch das ganze Album: "Geheime Heimat" (04) mutet wieder eher neofolkig an, wie früher. Glockenspiel und Schlagwerk begleiten die leichte, fröhliche Melodie, der Text lyrisch und philosophisch. "Tal Der Schmerzen" (05) wirkt mittelalterlich, bardenhaft, die dahinfließenden Wörter von einem synthetischen Musikbett und Zupfinstrumenten angetrieben. "Die Göttliche Invasion" (06), erstes Stück der B-Seite, zieht wieder viele Register. Ist extrovertiert und spielfreudig mit industriellen Elementen, mit düsteren, elektronischen Beats. Ein floatender Wave-Hit, inklusive jeder Menge an Samples. Im Anschluss wird aber auch wieder folkig gezupft, die Reime nah am Kitsch. Synthetische Beats - mit charmanten Schlager-Texten von erwachenden Engeln - und Neofolk-Glöckchen, auffällig viele religiöse Bilder werden gezogen. Später folgt gar ein Rocksong in Richtung MONO INC. oder UNHEILIG (allerdings mit schmissigem Akkordeon), die Hookline irrsinnig eingängig, Respekt. Mein Highlight allerdings: Das letzte Stück ("Vestre Kirkegård", 13), ein wunderschöner Liebestext, ohne Reime, mit Piano only. Die Instrumentierung ist dieses Mal so vielfältig, dass sie sich kaum zusammenfassen lässt. Zwischen Folk, Mittelalter, orientalisch, wavig, psychedelisch, Country und Western oder Neoklassik ist vieles dabei. Damit ist "The Separate Republic" eine konsequente Weiterentwicklung, ausgehend vom noch sehr einheitlichen, offiziellen Erstling "Der Verborgene Gott" über mehrere, schon austestendere Zwischenstationen. Auch die Texte unterscheiden sich diesmal in ihrer Form von Lied zu Lied, längere Erzählflüsse wechseln sich ab mit teils sehr einfachen Reimen, zusammengehalten von dieser sagenhaften Stimme, und selbst die erscheint mir auf dem neuen Album noch ein Stück variantenreicher. Für mich bleibt ART ABSCONS ein Ausnahmeprojekt, das seit einigen Jahren eine kleine Insel zwischen Neofolk, Volkslied, Romantik, Lyrik und, natürlich, ein wenig Kitsch besetzt. Fauna und Flora gedeihen, und ich bin gespannt, was demnächst dort noch so alles wächst. "The Separate Republic" erscheint auf CD und LP. Das Vinyl bietet mit "The Lost Tape" auf der vierten Seite noch ein paar Outtakes vergangener Alben, welche bisher nur auf wenigen Kassetten zu haben waren.
Michael We. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » ART ABSCONS @ Wiki » Diskografie » ART ABSCONS-Homepage » ART ABSCONS @ Bandcamp Themenbezogene Artikel: » Angespielt: MARROW MANDLER, ART ABSCONS » ART ABSCONS: Les Sentiers Éternels » ART ABSCONs - Der verborgene Neofolker » ART ABSCONS: Der Verborgene Gott Themenbezogene Newsmeldungen: » Neues und Wiederveröffentlichtes von ART ABSCONS » ART ABSCONs interview now in English » ART ABSCONs im Dezember in Leipzig
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Zusammenfassung
Ein Ausnahmeprojekt, das seit einigen Jahren eine kleine Insel zwischen Neofolk, Volkslied, Romantik, Lyrik und, natürlich, ein wenig Kitsch besetzt. Fauna und Flora gedeihen, und ich bin gespannt, was demnächst dort noch so alles wächst.
Inhalt
01. Héritage Abscons
02. War Ist Wird 03. Durch Zeit Und Traum 04. Geheime Heimat 05. Tal Der Schmerzen 06. Die Göttliche Invasion 07. Das Reich Ist Gekommen 08. Am Ende Der Nacht 09. Ton Und Farbe 10. Litaniae Abscondita 11. Altes Lied 12. Der 13 Lauf 13. Vestre Kirkegård (The Lost Tapes) * Promenade * La Muse Malade * Der Kleine Tod * Cet Air-Là * La Porte À Côté * Unter Mein Dach |