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COLUMN ONE: Whip Cracking &

Death Defying


COLUMN ONE: Whip Cracking &
Genre: Avantgarde
Verlag: 90% Wasser
Medium: Vinyl LP
Preis: ~17,00 €
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Die letzte Performance von COLUMN ONE wird von einem Album begleitet, das wiederum von drei Postkarten flankiert wird. Das Zentrum bildet ein Panel des Altmeisters PIETER BRUEGEL aus dem Jahre 1559. Der Ausschnitt zeigt ein fellbestücktes Etwas, das über einem Dreifuß hängt. Obenauf sitzt ein roter Eimer oder ein Hut. Anbei sind zwei Abwandlungen des Gebildes. Das eine zeigt eine quasi eins zu eins Nachbildung. Das andere lüftet das darunter liegende Geheimnis. Der Dreifuß ist in Wahrheit ein Stuhl. Dieser wurde von PHILIP WIEGARD im Jahre 2006 aufgestellt, verhüllt und auf der dritten Postkarte gelüftet. So ähnlich verhält es sich mit dem Album. COLUMN ONE sind ZEITKRATZER.
Während der Aufnahmen zu "Entropium" im Haus der Berliner Festspiele wurde dieses Tondokument in einem Take aufgenommen und dann von RASHAD BECKER gemastert. Das Ganze steht unter dem Motto: „Krise der Darstellbarkeit / Darstellbarkeit der Krise“ von GUILLAUME PAOLI, ein Philosoph und Schriftsteller, dessen Texte sich unter anderem mit Faulheitstheorie und Antiökonomie beschäftigen. Auf dem Einleger des Albums ist zu lesen: „Wir erleben heute eine Ordnung, die auf eine Darstellung ihrerselbst verzichtet hat. Das ist eine ziemlich außergewöhnliche Situation. Noch staunenswerter ist aber, dass sie weitestgehend unbemerkt und folgenlos bleibt.“ Das heißt, die momentane Ordnung sieht sich nicht gezwungen, sich als eine solche darzustellen. Vermutlich weil sie auch so funktioniert. Ähnlich wie in der Wirtschaft. Dort glaubt man ja auch an Kontrollinstanzen, die sich quasi aus sich selbst heraus entwickeln, und zwar ohne äußeres Zutun. Da wird von der unsichtbaren Hand gesprochen. Oder vom kreativen Manager. Auch er lässt sich nicht darstellen. Denn, wer soll das sein? Er ist nur ein Gebilde, das aus Wörtern besteht. Eine Hilfskonstruktion wie die Eulersche Zahl oder PI. Man verwendet sie nur, um weiterrechnen zu können.
Was nun das Album betrifft, wohnen wir einer Zeremonie bei. So steht es jedenfalls auf der anderen Seite des Einlegers. Die Zeremonie ist eine Rekonstruktion. Die wiederum bezieht sich auf die Interpretation von COLUMN ONE durch das ZEITKRATZER-Ensemble. Etwas verwirrend. Doch nicht minder sonderlich wie das Darstellen selbst, das einerseits in der Krise steckt und andererseits nicht das machen kann, was es dem Wortsinn nach können sollte – nämlich darstellen. Und der Höhepunkt der Sonderbarkeit ist dann das Folgenlose, das Unbemerkte. Wie eben das Verschwinden von COLUMN ONE, die sang-, jedoch nicht klanglos Ende des letzten Jahres verschwanden. Das heißt, es ist amtlich: „CO ist zu Ende“ – so jedenfalls JÜRGEN ECKLOFF in der letzten Mail, die ich von ihm bekam. Es ist ein Elend.
Ihren Abschied begleitet nun dieses Album. Und dieses kommt dreigeteilt daher. Den ersten Teil bildet eine Art Installation, die an die "World Transmission"-Reihe angelehnt zu sein scheint. Ein Raum, in dem gewerkelt wird. Klopfen, Rascheln, Raunen, Schlagen. Was genau bearbeitet wird, bleibt ungesehen und deshalb ohne Bilder. Einzig die Information, dass alles im Haus der Berliner Festspiele aufgenommen wurde, lässt das Bild eines Konzertsaales auftauchen. Auch wird kurz ein Klavier angespielt. Es folgen Gespräche. Eins im Saal dreht sich um Technisches. Das andere wird am Telefon geführt ... Der zweite Teil beginnt auf der ersten Seite. Wir hören ein Horn, das heißt jemanden, der es spielt, sich warm spielt, den Raumklang testet. Auf Seite zwei geht das weiter. Jetzt steigen die Töne. Dann wieder das Warmspiel, ein feierlich, festlicher Ritus nach festgelegtem Protokoll. Die Zeremonienmeister sind COLUMN ONE. Der dritte Teil mischt sich. Hier hören wir das Horn, ein Gespräch und dann ein Klavier. Sprachgewirr. Und schließlich noch Streicher. Alle gemeinsam.
Eine Zeremonie bezieht sich immer auf entweder einen Anfang oder ein Ende. Hier handelt es sich um letzteres. Um eine Trauer- oder Abschiedszeremonie, um eine feierliche Beisetzung, den großen Zapfenstreich für COLUMN ONE. Der jedoch ist leise. Ohne großes Tamtam. Hier wird nicht geschrien, hier fackelt niemand ein Feuerwerk ab. Nein, hier wird es still, um schließlich noch leiser zu werden und dann abzubrechen ... Für mich – um bei zeremonieller Sprache zu bleiben – vergeht mit dem Abgang von CO der Ruhm der zumindest musikalischen Welt: Sic transit gloria mundi.

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» COLUMN ONE-Seite
» Label-Seite
» PHILIP WIEGARD-Seite

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