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Michael We.

ANTLERS MULM: Touring The Moon Bog

Zurück nach langer Pause


ANTLERS MULM: Touring The Moon Bog
Genre: Minimal
Verlag: Sea State
Erscheinungsdatum:
Frühjahr 2016
Medium: Kassette
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: Bandcamp


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Fast vier Jahre ist es her seit "Weihnachtsfunk 4" (Besprechung). Für mich damals ein besonderes Fest, da ich im minimalen elektronischen Kosmos des Leipziger Künstlers HANS JOHM insbesondere diese winterliche Serie mag und zelebriere. Anschließend folgte der Umbau des eigenen Labels von SONDERÜBERTRAGUNG zu SEA STATE und – eine längere musikalische Schaffenspause, zumindest rund um den Moniker und das Hauptprojekt ANTLERS MULM. HANS hat sich, wie er zwischendurch mal andeutete, eher um sein Hauptstandbein, die Bildenden Künste gekümmert. Umso erfreulicher, dass nun im Frühjahr 2016 gleich drei neue Tapes auf SEA STATE erscheinen, und darunter neben neuem Material von LLOVESPELL und E-MUSIKGRUPPE LUX OHR auch ein komplettes Album von ANTLERS MULM ist! "Touring The Moon Bog" hat mit rund 42 Minuten Vollzeit-Länge und enthält ausschließlich neues Material. Die Kassetten auf SEA STATE sind alle streng limitiert, das neue AM-Werk existiert tatsächlich nur auf 60 Kopien, aber selbstverständlich gibt es alle Lieder auf der BANDCAMP-Seite des Labels für einen angemessenen Preis zum Download.

Ich habe oft geschrieben, dass sich die Musik von ANTLERS MULM für mich anfühlt wie nach Hause kommen. Weil sie eine besondere Stimmung und Wärme sowie eine hohe Wiedererkennbarkeit aufweist. Dieses Gefühl stellt sich auch auf "Touring The Moon Bog" sofort ein, wobei man der Musik die längere Pause anhört, behaupte ich. Etwas mehr Distanz vielleicht, mehr Nachdenklichkeit, zumindest zu Beginn.
"Now We Could" (01) arbeitet mit eben jenen heimischen AM-Sounds. Warm und wabernd, allerdings so sanft leiernd, dass ich zunächst einmal die Batterien an meinem alten Walkman gewechselt habe. Was 'Minimalismus' bedeuten kann, wird mir hier wieder ins Gedächtnis beziehungsweise ins Ohr gerufen. Eine extrem reduzierte musikalische Umgebung, leichtes Tickern, einzelne Klänge und gedehnte AM-Vocals; diese wirken hier ebenfalls sehr minimal, fast kühl, auf jeden Fall aber äußerst nachdenklich und – wie fast immer – mehr sprechend als 'singend'. Auch "Bad News" (02) fügt Einzelbausteine auf wundersame Weise zu einem Universum zusammen, hier ein leichtes Schaben, dort ein Kratzen, fragile Synthie-Glöckchen und das vokale Nachdenken, Bedauern. Spätestens bei "Fold Up" (03), einem längeren Stück, fällt mir auf, dass mich die Musik an alte Cold Wave-Klassiker in Zeitlupe erinnert. Auch die Texte passen sich der extrem melancholisch-zurückhaltenden Umgebung an ("when the rain begins..."). Nur ein tuckernder Beat, teils gedoppelte Vocals und ein schwebender Synthie-Ton – alles in Wiederholungen mit nur leichten Nuancen, was den hypnotisch-nächtlichen Eindruck verstärkt. "Handrail" (04) wird zwar schneller, bleibt aber nichtsdestotrotz minimal und leise. Ein einsamer Lauf, selbstverständlich durch Nieselregen, die Vocals nach wie vor extrem abwartend, beobachtend. "Universal History Of Joy" (05), dessen leise und dunkle Beats mich ein wenig an HUMAN LEAGUE denken lassen, hat einen längerer Melodielauf. Zusammen mit dem ständigen Vibrieren und einigen blinkenden Synthies könnte dieses Stück auch auf einem "Weihnachtsfunk"-Teil in der Dunkelheit glänzen und gleißen. Tatsächlich scheint das Album zur Mitte hin weicher und melodiöser zu werden. "Sunlight" (06) tupft dichtere Flächen aus Beats und Synthiedrones. Die zarten, träumerischen Vocals aus wenigen Sätzen passen zum Titel, wirken wie etwas Sonnenlicht auf einem Fleckchen Wald.

Mit diesem Überblick über die ersten sechs Stücke ist die Bandbreite des neuen Albums ganz gut abgedeckt, allerdings birgt die zweite Hälfte oder Kassetten-Seite noch einige Höhepunkte: "In Reverse" (08) etwa ist bemerkenswert aufgrund des kontinulierlichen, stakkato-artig tuckernden Rhythmus. Etwas bedrohlicher in der Gesamtatmosphäre, passend dazu die schleichenden, quietschenden Sounds – ganz ganz dunkler Zeitlupen-Dub, hier wäre sogar Körperbewegung möglich, einer der stärksten und auffälligsten Songs des Albums. Auch "Unicorn 14" (10) glänzt mit sehr starker Atmosphäre. Die Unterlage wieder ruhig und wabernd, einhüllend, fungieren einzelne Plings als Rhythmus. Ein leicht leiernder Synthie und der springende, im Gesamtzusammenhang des Albums fast extrovertiert zu nennende Sprechgesang von HANS ("under the moon...") lösen ein dunkles Nachtgefühl aus, weit nach der Geisterstunde. Und kurz vor Schluss nimmt "Give And Take" (11) noch einmal Fahrt auf, mit vertrackten und durchgehenden Beats ist dies einer der Songs mit dem meisten Flow. Teile der Vocals klingen geloopt oder werden zumindest sich wiederholend gesungen, so dass hier das größte Hitpotential entsteht: VNV NATION im AM-Gewand und durch Watte.

Viele ANTLERS MULM-Alben habe ich schon Jahres- oder Tageszeiten zugeordnet, aber keines war so ein perfektes Nachtalbum wie "Touring The Moon Bog". Ein leises Dahingleiten durch die Dunkelheit, ein sinnliches Nachdenken, nur ab und zu durchbrochen von einigen Lichtstrahlen. HANS JOHM bewegt sich auf seiner Bahn und wird, bei 60 Tape-Kopien leider unbemerkt von der Weltpresse, ein Meister der minimalistischen Elektronikklänge. Bitte keine vier Jahre Pause mehr!

 
Michael We. für nonpop.de


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Zusammenfassung
Viele ANTLERS MULM-Alben habe ich schon Jahres- oder Tageszeiten zugeordnet, aber keines war so ein perfektes Nachtalbum wie "Touring The Moon Bog". Ein leises Dahingleiten durch die Dunkelheit, ein sinnliches Nachdenken, nur ab und zu einige Lichtstrahlen. Bitte keine vier Jahre Pause mehr!

Inhalt
01. Now We Could (2:19)
02. Bad News (2:32)
03. Fold Up (5:09)
04. Handrail (4:05)
05. Universal History Of Joy (5:19)
06. Sunlight (2:56)
07. Trainee (3:45)
08. In Reverse (4:11)
09. This U+Me (1:59)
10. Unicorn 14 (3:25)
11. Give And Take (3:36)
12. World Stops Turning (2:57)

~ 42 min.
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