Kostenpflichtige Online-Sampler sind eine schwierige Sache. Sampler allgemein sind ja nicht unbedingt immer ein Ausbund an Innovation und Exklusivität. Viel Midprice-Ware mit ohnehin vorhandenen Stücken dient häufig der schnöden und preiswerten Eigenwerbung für Künstler oder Label. Und wenn dann noch der physikalische Gegenwert in Form von Booklets oder Ähnlichem fehlt, stellt das für mich eine weitere Hürde dar, mir die Zusammenstellung im Internet auch nur anzuschauen.
Auf "No Red Seas Vol. II" hat mich STEVE LAMOTHE von MENACE RUINE aufmerksam gemacht, der sowohl mit seiner Band als auch mit seinem Label
UNION FINALE für Sorgfalt und Qualität steht. MENACE RUINE haben sich mit einem
exklusiven Stück beteiligt, ein erster guter Grund, um eine Ausnahme von der 'Bezahlsampler im Internet-Regel' zu machen. Gegen das Konzept kann auch niemand was haben: Sämtliche Erlöse, wie auch
beim ersten Teil der Serie, gehen an
THE BLACK FISH, eine international agierende Organisation, die sich für den Schutz unserer Meere und gegen die Überfischung mittels immer fortschrittlicherer Technologien einsetzt.
An die Masse der 54 Songs von Auflage Nr. 1 reicht der Nachfolger nicht ganz heran. Allerdings scheint mir die Besetzung dafür etwas hochwertiger, und sämtliche der nun 38 Stücke sind, soweit ich das überblicke,
exklusive: eigens für den Sampler komponiert, remixed oder live und bislang unveröffentlicht. Neben MENACE RUINE haben sich eine Reihe von weiteren,
NONPOP-relevanten Bands beteiligt, von deren Stücken ich einige vorstellen möchte:
DAEMONIA NYMPHE: "Tyrvasia (Remixed)". Ein recht typischer Remix, wie es ihn für sphärische, mittelalterlich anmutende Originale häufiger gibt. An einigen Stellen tauchen Beats auf, ohne aber die Atmosphäre des Originalsongs kaputt zu machen. Ein Song mit besonders viel Unterwasser-Flair, unterstützt von nymphischen Schreien.
DESIDERII MARGINIS: "Queequeg". Sehr ruhig und traumhaft mit langgezogenen, weichen Tiefseedrones. Klingt wie die schwerelose Reise in einem U-Boot – einzelne, wenige Geräusche vermitteln den maschinenhaften Eindruck – und ist ein Prototyp für das Ambient-Genre.
MENACE RUINE: "Stray Sod". Aus den Fluten erhebt sich die düster dröhnende Wand mit den typischen, gitarrenähnlichen Sounds des Projekts. Der wunderbar elegische, intensive Gesang von GENEVIÈVE hat dieses Mal etwas besonders Warnendes, passend zum Thema. Außerdem wirkt der Zehnminüter nicht als das ganz große Songmonster, sondern gibt sich etwas hintergründiger – wie eben durch Wasser gedämpft. MENACE RUINE sind und bleiben ein Ausnahmeprojekt!
NARSILION: "The End Of The Red Seas". Ein weiteres Ambientstück, mit Meeresrauschen unterlegt. Die melancholischen Synthesizerläufe bekommen Drive durch Trommeln und einen meerjungfräulichen Silbenchor.
PETER BJÄRGÖ: "When The Innocent Die". Der DEAD CAN DANCE-ähnliche Trommeltrack mit erdigem, dunklem Männergesang bleibt recht überschaubar. Dafür gehört das zweite Lied des Schweden zu den besten des Albums. "Sea Of Blood" entstand in Zusammenarbeit mit
MATT HOWDEN, dessen Geige bei dieser wehmütigen Ballade schon allein für das eine oder andere Tränchen ausreicht. Dazu passt hervorragend das schwebende Mann-Frau-Duett.
SOL INVICTUS: "Stella Maris (Elegy Mix)". Im Original handelt es sich um einen, wie ich finde, sehr typischen SOL INVICTUS-Song (aus "The Cruellest Month") mit dem schrägen Gesang von TONY WAKEFORD. Im Remix wirkt er durchscheinender, ebenfalls wie durch einen Filter eingespielt. Die zusätzliche Untermalung durch stoische Trommeln und einige industrielle Spielereien machen diese Version bedrohlicher.
Beim Layout hätte ich mir etwas mehr Liebe zum Detail gewünscht. Die Tracks sind einfach alphabetisch sortiert, nach den Anfangsbuchstaben der Künstler und Projekte. Dabei weiß doch jeder Mixtape-Nerd, wie wichtig die gute Mischung ist! Und als Beiwerk existiert lediglich ein Word-Dokument mit Trackliste, dessen Links wiederum auf den entsprechenden Track der Compilation bei
BANDCAMP verweisen. Immerhin gibt es zu jedem Stück ein anderes, schönes Cover, manchmal auch mit Meeresgetier.
Dennoch sind die 10 Euro (der Mindestpreis bei
BANDCAMP – man kann spenden, so viel man will) natürlich hervorragend angelegt, ohne Zweifel. Kein musikalischer Ausfall bei meinen Stichproben, viele interessante Bands mit
exklusiven Songs, ein guter Zweck im Hintergrund. Wessen Interesse für die Weltmeere sich nicht im Schlemmerfilet aus der Discounter-Theke erschöpft, kann hier mehrere Dinge unter einen Hut bringen.