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Michael We.

LASHER KEEN: Wither

I am a mugwort man ...


LASHER KEEN: Wither
Genre: Neofolk
Wörter: 899
Erscheinungsdatum:
2010
Medium: CD
Preis: ~11,00 €
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Normalerweise dauert es länger als ein paar Sekunden, bis sich Lieder oder gar ganze Alben in Ohr und Herz des Hörers festgesetzt haben. "Wither", dem bislang letzten Vollzeit-Album von LASHER KEEN aus Kalifornien, gelingt dies mit einem, dem ersten Satz: "I am a mugwort man, married to a wood woman." Acht Sekunden, ich habe die Zeit gestoppt. Diese paar Wörter werden mit einer gewissen Dramatik vorgetragen, die an Theaterschauspiel erinnert. Kein Wunder, dass Zuschauer die Liveauftritte des Trios stets als etwas Besonderes loben und mit einem musikalischen Bühnenstück vergleichen. Außerdem verströmt die knorrige Männerstimme ein dermaßen beschwörendes, waldig-natürliches und uraltes Flair, dass es unmöglich ist, sich ihr zu entziehen. Bezaubernd, im wahrsten Sinne des Wortes, und dieses Gefühl hält tatsächlich 77 Minuten lang an.

LASHER KEEN bestanden zu Beginn, das heißt um 2006, hauptsächlich aus DYLAN SHEETS, der bis heute die Geschicke der Band lenkt, vor allem komponiert und singt. Nach einem kurzen Aufenthalt in San Francisco, wo das erste Album ("Lasher Keen") entstand, kehrte DYLAN in das kleine Bergbaudorf Nevada City (Kalifornien, rund 3000 Einwohner) zurück. Dort traf er später seine beiden heutigen Mitstreiter(innen) BLUEBIRD und SAGE ARIAS. Der Kunstname der einzigen Musikerin deutet es schon an: Ein 'Bluebird' ist ein sogenannter Hüttensänger, die amerikanische Version einer Drossel mit blau gefärbtem Rücken. Auch die anderen beiden Bandmitglieder wollen in ihrem früheren Leben Vögel gewesen sein; DYLAN ein Rabe – ein Tier, das häufig von LASHER KEEN thematisiert wird –, SAGE ARIAS eine Eule. Im Verlauf der nächsten zwei Jahre trat die Band live entlang der US-Westküste auf, aber auch in Deutschland, Frankreich und Österreich; dann entstand "Wither", wie auch der Vorgänger in Eigenregie und ohne Label.

Neben der außergewöhnlichen Musik, zu der wir gleich kommen, weist das Album einige technische bzw. organisatorische Besonderheiten auf: Zunächst wurde es im einzigen Analog-Studio (HIROSHI HOUSE) von ganz Kalifornien produziert, mit einem 24-Spur-Tapedeck. So erklärt sich die organische, natürliche Atmosphäre fast von allein. Die Zahl der verwendeten Instrumente, fast alle von der Band selbst gespielt, addiert sich zu einem ganzen Sinfonieorchester: Cello, Bass, Vibraphone, Bodrhán, Gitarre, Akkordeon, Doumbek, Banjo, Mandoline, Geige, Glockenspiel und Singende Säge – um nur die bekanntesten zu nennen. Die lokale Tierwelt tritt auf, ebenso wie eine Reihe von Gastmusikern: Mitglieder der Formationen FAUN FABLES und SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM, ein mittelalterlicher Frauenchor, Geiger und Säger sowie MARKUS WOLFF, der uns LASHER KEEN (zurecht) ans Herz gelegt hat. Schließlich gehört zu "Wither" noch eines der dicksten mir bekannten CD-Booklets (32 Seiten) mit ästhetischen Bildern / Kunstfotografien und allen Texten.

Nach dem oben schon erwähnten, urigen Einstieg geht es ebenso naturbelassen weiter, mit rituellen Trommeln und Baummenschen-Gesang, bevor das erste Lied mit Akustikgitarre ausklingt. "Coven Of The Witch's Knife" (02) ist warm, fast anheimelnd, die titelgebende Hexe artikuliert sich mit einem häufiger auftauchenden Silbengesang, dazu spielen Tamburin, Streicher und erneut Gitarre. Zusammenfassung bis hierhin: Eine Mischung aus KAMMERFLIMMER KOLEKTIEF, CHANGES und SANGRE CAVALLUM. Einige sehr traditionell wirkende Folkelemente sind bis dato auch schon aufgetaucht, die irische Fiddel zum Beispiel, was wiederum erklären würde, weshalb Bands wie die DUBLINERS oder die INCREDIBLE STRING BAND in den myspace- und facebook-Profilen von LASHER KEEN als Freunde auftauchen.
"Skinned Bones" (03) klingt nach Alpinfolk, wozu Akkordeon und mysteriöse, lebendige field recordings beitragen. Das Duett zwischen Mann und Frau ist außergewöhnlich, sowohl wegen des Tonumfangs als auch wegen der Intensität, immer angetrieben von einer inneren, urigen, heidnischen Wucht ("there is no god ..."). In "Nest Of Eggs" (04) erzählen LASHER KEEN die wohl schönste Geschichte des Albums, die eines Vogels, der mit einem gebrochenen Flügel zur Welt kommt. Wieder ein Mann-Frau-Duett, dieses Mal mit Banjo, Singender Säge und knochiger Percussion. Nun erscheint mir "Wither" wie ein riesiger Wald, wo kein Baum dem anderen gleicht und alte, weise Tiere leben.
"Black Skye Blue Raven" (06) überrascht mit nahezu fröhlicher Beschwingtheit, wie ein Sonnenstrahl auf einer Lichtung, pfeifend und mit flotter Akustikgitarre. Die trillernde Männerstimme erinnert hier bemerkenswert an DAVID TIBET. "Der Feuertroll" (07) wiederum bildet dazu den Kontrapunkt: Einzige Untermalung bleibt die Trommel, im Hintergrund schieben sich Tiere durchs Unterholz, die Stimme klingt denn auch eher tierisch als menschlich. Hier ist eine starke Verbindung zu STURMPERCHT fühlbar. "Ich bin ein schwarzer Baum. Meine Äste sprechen zum Raben, der meine Samen frisst." Einige deutsche Textpassagen wie in "Animal" (08) verleihen "Wither" zusätzlich einen urigen Schimmer. Ansonsten ist dieser Track eine 'fairy folk'-Ballade mit Trollchor. Die elfminütige Mini-Folkoper zum Schluss (11) vereint viele der Elemente des Albums, verklingt angemessen mit einem Rabenschrei.

Frisch und rau in seiner Analogheit kommt "Wither" daher, naturverbunden zum Riechen und Anfassen. "Wood Metal for Scandinavian Tree Troll Folk", so stand es auf der hübschen Postkarte zur Release-Party in Nevada City. Auch die Bezeichnung 'Urfolk' habe ich irgendwo gelesen, die in meiner Wahrnehmung immer häufiger den alten 'Neofolk' er- oder fortsetzt. Die Umschreibungen passen, aber das Album ist noch viel mehr. Weil hier alles – inklusive der zauberhaften Optik – ineinander fließt, eine immense Tiefe ergibt, sind diese 77 Minuten ein wahres Kunstwerk von grenzenloser Haltbarkeit. Unbedingte Empfehlung!!

Zuletzt haben LASHER KEEN übrigens "Possessed By The Forest Queen" veröffentlicht, eine 'offizielle' 10inch, also mit Label: PESANTA (USA) hat sich den Urfolk sogar auf die Startseite geschrieben. Hier geht es zum Shop.

Rückseite von "Wither"

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» LASHER KEEN @ myspace
» LASHER KEEN @ facebook

Themenbezogene Newsmeldungen:
» LASHER KEEN und ÀRNICA in concert

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Zusammenfassung
US-Trio mit umwerfendem Urfolk. Frisch und rau in seiner Analogheit, naturverbunden zum Riechen und Anfassen. Weil hier alles (auch optisch) ineinander fließt, eine immense Tiefe ergibt, sind diese 77 Minuten ein wahres Kunstwerk von grenzenloser Haltbarkeit. Unbedingte Empfehlung!!

Inhalt
01 Follow The Arrow
02 Coven Of The Witch's Knife
03 Skinned Bones
04 Nest Of Eggs
05 Dead Valley Linving Stream
06 Black Skye Blue Raven
07 Der Feuertroll
08 Animal
09 Every Curse Lifted
10 Red Thread & Rowan Tree
11 Alles Vogelherz
12 Two Serpents
13 Spirit Flesh
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