Nanu, so alt ist
MATT HOWDEN doch noch gar nicht, dass man von 'Altersmilde' oder gar 'Alterswerk' sprechen könnte? Liegt es eventuell an seiner reifen Geige, dass "Star Wood Brick Firmament" so ... nachsichtig, so weise klingt? Etwas ist auf jeden Fall mit dem Sound von SIEBEN, dem Hauptprojekt des Sheffielder Musikers, geschehen. Wut und Ärger, ehemals häufig durch das schrille, geloopte Streichinstrument kanalisiert, sind verschwunden. Dagegen wird die Stimme von HOWDEN scheinbar mit zunehmender Albenzahl besser, so dass Nummer neun zu den Höhepunkten seiner Karriere gehört.
Ganz so überraschend ist das neue, freundlichere Kleid natürlich nicht; eine Änderung deutete sich schon auf den letzten beiden HOWDEN-Veröffentlichungen an. "The Matter Of Britain" (
NONPOP-Besprechung) gab der Lyrik des Vaters Raum, MATT nahm sich zurück, unterstützte die ohnehin intime Stimmung. Auch das bis dato letzte SIEBEN-Album "As They Should Sound" (
NONPOP-Besprechung) strahlte Besonnenheit aus; die Überarbeitung wichtiger Songs der mehr als zehnjährigen Laufbahn konzentrierte sich auf das Wesentliche und machte alle Stücke besser.
Gleich der Opener des neuen Albums ("Minack Theatre") scheint hinauf zu den Sternen zu steigen: HOWDENs klare Stimme, dazu kaum hörbare Trommeln im Hintergrund und mehrere, aber ebenfalls leise Geigenspuren ergießen sich wie warme Wogen über den Hörer. So klingt ein Mann voller Tatendrang, der momentan mit sich und der Welt im Reinen ist. Verträumt, manchmal nachdenklich und auch melancholisch, aber nicht aggressiv. Das für HOWDEN so typische Instrument wird kaum geloopt, windet sich stattdessen mit Fernweh durch beinahe orientalische Melodien, verwinkelte Gassen in fremden Städten.
So schwelgerisch, romantisch eben wie der "Star" im Titel sind weite Teile der CD. Eine moderne, flotte und rhythmische Perkussion trägt viele Songs, sorgt für luftige Atmosphäre und immer wieder ansteigende Intensität. An manchen Stellen sind diese sich permanent in Bewegung befindenden Trommeln aufgrund ihrer Eindringlichkeit fast rituell zu nennen. Aber selbst dramatischere Songs wie "We Wait For Them", auch textlich mysteriös und bedrohlich, werden lediglich etwas schneller, etwas dunkler, ohne ins düstere, grüblerische Drama abzugleiten. Traurigere Stücke (wie "Donald") umgibt eine verwehte, wolkige Stimmung. Entsprechend nachdenklich, nostalgisch sinniert MATT HOWDEN, wenn es um Vergangenes geht (wie in "Long Live The Post Romantic Empire").
Auch textlich ist eine Verschiebung zu beobachten. "Star Wood Brick Firmament" dreht sich nicht mehr um einen Themenkomplex, sondern beinhaltet viele verschiedene, durcheinandergewürfelte Beobachtungen und Erlebnisse von HOWDEN. Zwei Lieder ("Donald" und "Crowhurst") sind dem Amateursegler DONALD CROWHURST gewidmet, der beim legendären "
Sunday Times Golden Globe Race" ums Leben kam. In "Minack Theatre" geht es um das
bekannte Freilufttheater in Cornwall, in dem HOWDEN gerne einmal auftreten würde. Und "Long Live The Post Romantic Empire" betrauert das Ende des gleichnamigen Labels (
POST ROMANTIC EMPIRE), welches – als letztes Projekt – das Lyrikbuch von HOWDEN und seinem Vater veröffentlichte.
Etwas schwächer als der Rest sind lediglich die beiden 'Remixe' am Ende, namentlich von der geheimnisvollen
DARK-HEARTED überarbeitet. Zum einen "There", dessen Originalversion es gar nicht aufs Album geschafft hat, weil HOWDEN von der Neuabmischung so begeistert war; ein dezenter Ausflug ins Elektro-Fach mit Vocoderstimme. Auch "We Wait" (in Anlehnung an "We Wait For Them") mit Drumbeats und verfremdeten Vocals verliert im Gegensatz zum eindringlichen, handgemachten Original.
Egal, denn insgesamt erfreut der unglaublich wärmende, einhüllende Klang, entstanden wieder einmal im eigenen SIEBEN-Studio. Die Lieder atmen, haben Charakter wie ein guter Rotwein und werden nicht überlagert von Geigenloops. HOWDENs ruhige, kraftvolle Stimme erinnert an
PATRICK LEAGAS oder NEIL HANNON von
DIVINE COMEDY. Kaufen!! Der Mann hat es verdient.