Michael We.
ODA RELICTA: Holy AllianceIm Namen der heiligen unteilbaren Dreieinigkeit!
Genre: Marschmusik
Verlag: Twilight... Erscheinungsdatum: Februar 2010 Medium: CD Preis: ~13,00 € Kaufen bei: EQM Art. I: Entsprechend den Worten der heiligen Schrift, die alle Menschen sich wie Brüder zu betrachten heißen, werden die drei kontrahierenden Monarchen vereint bleiben durch die Bande einer wahren und unauflöslichen Brüderlichkeit, indem sie sich als Landleute betrachten; sie werden sich bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte Beistand und Hilfe gewähren; indem sie ihren Untertanen und Herren gegenüber sich als Familienväter betrachten, werden sie diese in demselben Geiste von Brüderlichkeit regieren, von dem sie erfüllt sind, um Religion, Frieden und Gerechtigkeit zu schirmen. Auszug aus dem Allianzvertrag zwischen dem Kaiser von Rußland Alexander I., dem Kaiser von Österreich Franz II. und dem König von Preußen Friedrich Wilhelm III. (documentArchiv.de [Hrsg.]) Im Jahr 1815 gründeten die oben genannten Monarchen die für das neue Werk von ODA RELICTA titelgebende 'Heilige Allianz'. Ziel des Bündnisses, welchem in den folgenden Jahren fast alle europäischen Monarchien beitraten, war die Aufrechterhaltung der politischen Ordnung, als deren Fundament die christliche Religion bekräftigt werden sollte. Gegen die nationalen Bestrebungen der Völker gingen die Herrscher deshalb zum Teil mit massiver Militärpräsenz vor. Was also, wie auch oben im ersten (von insgesamt drei) Artikeln des Allianzvertrages zitiert – nach 'Frieden' und 'Gerechtigkeit' klang, bedeutete für die Menschen, die unter monarchistischer Herrschaft lebten, in dieser Zeit oft genau das Gegenteil. Kein Wunder, dass deshalb militärische Marschmusik im Vordergrund des neuen Albums von OLEGH KOLYADA steht, so wie wir sie schon teilweise vom Erstling "The Crown & The Plough" (2007, NONPOP-Besprechung => hier) kennen. Teilweise handelt es sich sogar um dieselben Märsche, jedoch stehen sie nun fast unbearbeitet für sich. Nach den beiden liturgischen, sakralen Alben "Leper Mass" (2009, Besprechung) und "Czarstvo Dukha" (2008, Besprechung) kehrt der Ukrainer mit "Holy Alliance" somit zum Ausgangspunkt seines Projekts zurück, der musikalischen Umschreibung des Konflikts zwischen Volk und Herrscher. Zwar scheinen Märsche zunächst zu letzterem zu gehören, aber neben der Vertonung von Paraden, Drohgebärden oder ganz konkreten Kämpfen finden wir zum Beispiel auch Marschmusik, die gegen Unterdrücker im Allgemeinen oder bestimmte Herrscher im Besonderen geschrieben wurde. Die Musik stammt aus vier unterschiedlichen Quellen: OLEGH hat Aufnahmen des inzwischen aufgelösten MILITARY BRASS ORCHESTRA seiner Heimatstadt Zhytomyr verwendet, ebenso Stücke des dort ansässigen Kammerorchesters. Für den historischen, altertümlichen Klang war das ENSEMLBE OF ANCIENT MUSIC aus Kiew verantwortlich, und einige Klavierparts hat ein mit OLEGH befreundeter Pianist eingespielt. Der Mischmeister hat diese 'Ursuppe' wie immer arrangiert, ineinander und übereinander gelegt, sich dieses Mal aber mit seinen Künsten, wie schon angedeutet, ungewöhnlich zurückgehalten. Wie das Album beginnt, so endet es auch: mit einem träumerischen Moll-Klavier und einer Melodie, die ganz klar an die Komponisten des Impressionismus erinnert, und tatsächlich sind alle Pianostücke Improvisationen, die auf Originalen von CLAUDE DEBUSSY basieren. Nach dem seltenen Einsatz entspannender 'field recordings' (Wald, Vögel) und einem erneut wunderbar schwelgerischen Klavier spielt OLEGH von Vinyl einen russischen Anti-Kriegs-Song der berühmten Interpretin KLAVDIYA SHULZHENKO aus dem Jahr 1942 ein, damals geschrieben anlässlich der verheerenden Bombardierung Belgrads durch die Deutschen im Jahr zuvor. Ein sehr eindringliches russisches Stück, voller Wehklage und Weltschmerz. Gedämpfte, traurige Streicher führen zum ersten Marsch, der noch weit entfernt von seinen alles dominierenden Kollegen im weiteren Verlauf ist, noch nicht so mächtig, dafür aber – wie auch einige andere militärische Abschnitte – fast fröhlich, eher wie eine Revueshow oder bunte Fähnchenparade klingend. (Leider am Ende ausgeblendet, wie überhaupt manchmal der Eindruck von bruchstückhaften 'Fragmenten' aus dem Nachlass des BRASS ORCHESTRA entsteht.) Einer der Märsche aus den Reihen der Anti-Hitler-Koalition zu Ehren eines russischen Kampfpiloten leitet über zu einem der ersten Höhepunkte, welcher auch als Vinylsingle ausgekoppelt wird: "V-Day!", die ODA RELICTA-Version eines der wohl berühmtesten russischen Lieder, welches mit Marschrhythmen und schmetternden Vocals an den Sieg der Russen im Zweiten Weltkrieg erinnert. DAVID TUKHMANOV hat es 1975 für einen russischen Wettbewerb zum 30sten Jahrestag des Sieges komponiert. Das Besondere daran auf "Holy Alliance": Ein Gastauftritt von DEV (WHILE ANGELS WATCH), der mit seiner immer trunken wirkenden, schmetternden und tiefen Stimme ganz hervorragend den Gesang übernimmt und die ungläubige Siegesstimmung der Heimkehrenden hervorragend trifft. Das KIEW ENSEMLBE OF ANCIENT MUSIC rundet diesen ersten Teil von "Holy Alliance" mit einem folkloristischen Einschub aus Flöte, Laute und Leier ab; aus den beschriebenen Bestandteilen besteht auch der Rest des Albums. Separat erwähnen möchte ich trotzdem noch zwei Stücke: Zum einen "The Crown & The Plough" (9), bekannt vom gleichnamigen ersten Album, hier aber in voller Länge ausgespielt. Ich nenne das Stück den 'Monstermarsch', denn er hat so viel Stolz, so viel Pathos und Energie, dass er alles aus dem Weg bläst; anschließend ist die Luft rein und klar. In "Ars Militaria Pt III: Golden Crossword!" (13) beweist OLEGH wieder einmal sein millimetergenaues Gespür für Musik: Streicher (die mich frappierend an die "Winnetou"-Filme denken lassen), Bläser und alte Instrumente wachsen zusammen und ergeben in ihrer Einheit ein starkes Soundtrack-Gefühl. Als ursprüngliche Quelle für die Musik wird im Booklet übrigens das Finale von "Doktor Schiwago" genannt. "Holy Alliance" braucht einen Tick länger als die anderen Werke von ODA RELICTA, um zu zünden. Möglicherweise liegt das an der Vorarbeit, die hier zu leisten ist, denn ohne zum Beispiel ein paar Sätze über die 'Heilige Allianz' gelesen zu haben, verbreitet die CD nur das halbe Flair. Viele der Märsche sind in ihrer Wucht sehr beeindruckend und mitreißend, wenn auch zum Teil aus "The Crown ..." bereits bekannt. Sie machen den Hauptteil des Albums und damit auch die martialisch-heroische Atmosphäre aus, zu der die zahlreichen Bezüge auf den Zweiten Weltkrieg oder andere Kriege und Konflikte beitragen. Wenn der Ukrainer seine Mischkunst spielen lässt, wächst das Ganze zu einem Soundtrack zwischen Krieg und Frieden, Monarchie und Republikanern heran. Wieder einmal eine starke Arbeit von OLEGH KOLYADA. Vermutlich weil es das erste Werk seiner Art war, gefällt mir "The Crown & The Plough" aber noch eine Nuance besser. Welches Verhältnis OLEGH KOLYADA übrigens selbst zum Thema 'Monarchie' hat, könnt Ihr im NONPOP-Interview nachlesen.
Michael We. für nonpop.de
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Zusammenfassung
Das Album braucht etwas Vorarbeit: Mindestens ein paar Sätze über die 'Heilige Allianz' sind vonnöten. Dann verbreitet die CD ihr Flair zwischen Krieg und Frieden, Monarchie und Republikanern. Märsche machen den Hauptteil aus und sorgen wuchtig für die martialisch-heroische Atmosphäre.
Inhalt
lim. 500
01. Holy Alliance Introitus 02. Ars Militaria Pt I: Homewards 03. Victory Will Be Yesterday 04. Slava Patria! 05. V-Day! feat. DEV 06. A Dance Of Life (to Georgia) 07. Royal Blood 08. Ars Militaria Pt II: Allies, to Arms! 09. The Crown & The Plough 10. The Departed, The Immortal 11. Tomorrow Was The War 12. Pan-Slavonic March 13. Ars Militaria Pt III: Golden Crossword! 14. Years Memorial 15. Holy Alliance Outroitus |