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Maik L.
DARKWOOD: Ins dunkle Land
Genre: Neofolk
Verlag: HeidenVolk
Erscheinungsdatum:
2009
Medium: CD
Preis: ~12,00 €
Kaufen bei:
Neofolk.de
Kategorie: Rezension
Erstellt: 05.01.2010
Wörter: 886
Artikelbewertung:
positiv:70% negativ:30%
Ein entpersonalisierter, monumentaler Trauergestus beherrscht das Cover: Vor dem Hintergrund eines verdunkelten Himmels hebt sich eine soldatische Figurengruppe ab, deren Haltung der christlichen Pietà-Pathosformel entlehnt ist. Die gesichtslosen, von schwerem Staub überzogen Statuen, wirken seltsam unwirklich: „Ins dunkle Land“ führt in ein ästhetisches Schattenreich entleerter Geschichte und entlebter Existenz, gegen das es aufbegehrt und welches es zugleich ausweitet. Was auf der einen Seite und naheliegenderweise als prätentiöse Mischung aus Kitsch und Tod bezeichnet werden kann, wirkt bei genauerem Hinsehen als Fährte, welche tief in das ästhetische Faszinosum DARKWOODs führt. „Ins dunkle Land“ beginnt mit militantem Getöse und pompösen Trommeln – „Schattenfahrt“ eröffnet eine dramatische Perspektive auf das folgende Geschehen, verspricht ebenso Action wie Tragödie. Dass die darauf folgenden Songs diese Martialität nicht im Mindesten einlösen, stellt die erste überraschende Wendung des Albums dar. Stattdessen entfalten zunächst englischsprachige Songs wie „Caucasian Tales“ oder „Like Chatter“ eine eher melancholisch, ja nostalgisch wirkende Welt, welche am ehesten in der Metapher der Landschaft visualisierbar erscheint. Zuweilen geradezu kraftlos oder schlaff, doch vor allem entwirklicht und nebulös wird das erste Drittel des Albums von Harmonie und Stimmungslyrik beherrscht, beinahe immer auf Perkussion und weitere Zutaten verzichtend. Henryk Vogels Stimme hält sich zurück, erzählt und begleitet die Lieder geradezu wohltuend, zärtlich. Vorsichtig gesetzt wirken auch die Texte: „the birch in the garden bent down with its branches shivering“ heißt es da beispielsweise, überleitend zum Wissen um „shattered dreams and hidden lies and hidden fears“. In solcherlei Stimmungsbildern überlagern sich Natur, Historie und Biographisch-Privates, verbindet das Lyrische Ich zunächst Heterogenes zu einer melancholisch-nostalgisch eingefärbten Seelenlandschaft. Höhepunkt dieses ersten Drittels ist sicherlich das bezaubernde „Break Of Dawn“, dessen Erinnerungsbildern, die wie der Rest des Albums zwischen Kindheitsbildern, Weltkriegspathos und Naturromantik changieren, eine herbstliche, traum- wie märchenhafte Dimension eigen ist. Das wirkt manchmal flüchtig, doch immer eigentümlich beruhigend, abgemildert, von Sehnsucht und Erinnerung durchwirkt. Zart und märchenhaft, eigentümlich entlebt und entleibt wirken auf seltsame Weise auch die begleitenden Bilder im Booklet. Es handelt sich offenbar um mit kleinen englischen, epitaph-ähnlichen Textzeilen versehene Bilder aus dem zweiten Weltkrieg. Zu sehen sind Soldatenkonvois und Kinder, Monumentalarchitektur und soldatische Figuren. Auch hier scheint, wie in den Texten, alles Konkrete, Geschichtliche der Szenen abgestreift und abstrahiert. Der Zweite Weltkrieg ist inszeniert als vorweltliches, ins Existenzielle gewundenes Bilderreservoir, welches ins Unbestimmte der Stimmung überführt erscheint. So verdichtet sich in der begleitenden Lektüre des Booklets der Eindruck einer Seelenlandschaft, welche eine leer gewordene Welt und ein leer gewordenes Ich mit Bild- und Textfragmenten aus dem kollektiven Gedächtnis des 19. und 20. Jahrhunderts verbindet bzw. konfrontiert. Abgetünchte Farben, abgemilderte Farbwerte geben „Ins dunkle Land“ eine Note von Trost in der Nostalgie: Der historische Rückgriff lindert die leere Gegenwart. Henryk Vogel zitiert wie auch auf früheren Alben immer wieder die Metaphernkomplexe des Soldatischen, des politischen Existenzialismus und einer mythischen (oder mythisch gewordenen) Vorwelt an. Zugleich werden die Bilder, welche DARKWOOD gegen eine entzauberte Welt aufbieten in eine melancholische Ökonomie verstrickt, welche ihnen ihre konkrete historische Bestimmtheit nimmt und sie zu Sprungbrettern in die Unendlichkeit der Sehnsucht werden lässt. Sehnsucht treibt DARKWOOD im Allgemeinen und auch „Ins dunkle Land“ im Besonderen an: Sie ist unbedingt (was sich im Metaphern bzw. Symbolkomplex Feuer, Krieg, Kampf niederschlägt) und unbestimmt (was sich am ehesten in den endlos fortsetzenden Akkordfolgen wiederfinden lässt) und somit jedem Konkreten feind. Erst im zweiten Drittel der Platte treten deutlich akzentuiert bzw. prominenter Akkordeon und Streichinstrumente zum Klangbild hinzu. Forseti-bewegt wirken Lieder wie das skizzenhafte „Bunter Staub“ oder das grandiose „Flammend Morgen“. Hier ist sicherlich die größte Nähe zum Vorgänger „Notwendfeuer“ gegeben, wobei sich die Unterschiede vor allem in der Textgestaltung zeigen. Es fehlen: die jugendbewegte Bundeslyrik, der Gang ins Archaische bzw. Soldatische, selbst die Regression in Form des unendlichen Metaphern-Wiederholungszwanges (Feuer, Kampf …) wirkt gemildert. So scheint es, als ob es nur noch Asche und kein Feuer mehr gäbe. Obwohl Vogel sich ab hier stimmlich und lyrisch mehr zutraut, herrschen bei aller Bewegtheit doch Trauer und Abschied weiter vor. Im dritten Teil des Albums wird der Sound rhythmischer, basslastig, beinahe tanzbar – meine erste Assoziation waren „Allerseelen“. Obwohl es sich nicht um den stärksten oder eindrücklichsten Part handelt, ist doch die Entwicklung von sehnsuchtsvollen Balladen über getriebene Neofolknummern zum Rhythmus ewiger Wiederkehr, in dem Szenarien schwarzer Romantik aufblitzen, ebenso nachvollziehbar wie gelungen. Doch auch an gruseliges B-Movie-Horrorkino oder Gruftielyrik kann man denken. „Stolz stehende Scharen“ und „Blutsteine“ sorgen für Stimmung oder Amüsement – mal funktionierts, mal nicht. Fazit: DARKWOODs „Ins dunkle Land“ ist ein heterogenes Album und auch wer „Notwendfeuer“ mochte, wird nicht unbedingt ein Freund des ganzen neuen Tonträgers werden. Den Rezensenten hat das Album in gewisser Weise überrascht, manchmal begeistert, manchmal verwundert. Doch das ficht Lieder wie "Like Chatter", "Break Of Dawn", "Bunter Staub" und "Flammend Morgen", die ebenso skizzenhaft wie vollendet, ebenso offen wie in sich geschlossen, kurz: großartig sind, nicht im Geringsten an. DARKWOOD wirken auf ihn weiterhin als eine der wenigen ernstzunehmenden, englisch- und deutschsprachigen Neofolkbands, wenn nicht gar als letzte und einzige. Sicher – viel weiter scheint der, der Ahnen eingedenkende, vom Sturm des zwanzigsten Jahrhunderts bewegte Kosmos Darkwoods nicht ausbaubar – doch gerade die leichteren, nicht monumentalen, eher staubartigen Momente scheinen mir in ihrer Zurückgehaltenheit kraftvoll, zukunftsträchtiger als der inzwischen umfassend prostituierte Monumentalkitsch der Martial Industrial etc. Szene. In diesem Sinne: Glückwunsch zum Album und einer so zwielichtigen Ästhetik.
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Verweise zum Artikel:
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Zusammenfassung
Abgetünchte Farben, abgemilderte Farbwerte lassen die Lieder auf "Ins dunkle Land" zu Sprungbrettern in die Unendlichkeit der Sehnsucht werden und geben dem Album eine Note nostalgischen Trosts.
Positiv aufgefallen
Umfangreiches Booklet
Wunderbar produziert
Die Stimme!
Anspieltipps:
Like Chatter, Break of Dawn, Bunter Staub, Flammend Morgen
Negativ aufgefallen
Wieder kein Vinyl - unverständlich!
Inhalt
1. Schattenfahrt
2. Caucasian Tales
3. Like Chatter
4. Break Of Dawn
5. Nothing Left To Lose
6. Trauermantel
7. Bunter Staub
8. Flammend Morgen
9. Rancourt
10. Schattenmal
11. Schieferkreuze
12. Grillenspiel
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