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Michael We.

ETHAN ROSE: Oaks

Ein musealer Schöpfungsakt


ETHAN ROSE: Oaks
Genre: Ambient
Verlag: Baskaru
Erscheinungsdatum:
Januar 2009
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
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Dieser Artikel wurde mit Musikbeispielen in der NONPOP-Hörschau Nr. 19 vertont!

ETHAN ROSE ist ein junger Künstler aus Portland (Oregon) mit einer Leidenschaft für alte Musikautomaten. Töne dieser mechanischen, selbstspielenden Instrumente bilden die Basis für seine bisherigen beiden Vollzeitalben "Ceiling Songs" (2006) und "Spinning Pieces" (2007, beide LOCUST MUSIC). Neu zusammengesetzt und am Rechner bearbeitet ergeben sie Ambient-Flächen von beeindruckender Schönheit, denn ROSE gelingt ein seltener Spagat: Er macht sowohl das historische, staubige Ambiente hörbar, welches die Automaten haben; ein Klang wie das Rasseln einer alten Lunge beim Erzählen von Geschichten. Er betont aber ebenfalls den modernen Aspekt. Die Bearbeitung durch den Computer legt sich wie eine neue, schützende und warme Decke über das Alte. "New Olden Days", sagt ETHAN dazu. Diese faszinierende Mischung führte dazu, dass sich in den vergangenen Jahren einige Filmemacher für seine sanfte Ambientmusik interessierten. Zunächst vertonte er verschiedene Kurzfilme befreundeter Regisseure aus Portland, außerdem sind seine Klänge in "Paranoid Park" zu hören, dem hochgelobten Film von GUS VAN SANT aus dem Jahr 2007.
Klanginstallationen, die das Multitalent mit dem poetischen Nachnamen für Galerien entwirft und ausstellt, drehen sich ebenfalls um mechanische Instrumente. So etwa das "Player Piano", ein 82jähriges automatisches Klavier, das bei offenem Korpus mit Noten von einer manipulierten und sich fortwährend wiederholenden Papierrolle gefüttert wird. Musique concrète für Musikautomaten, sozusagen. Einige Videos von seinen Kunstwerken sind auf der Homepage von ETHAN ROSE zu sehen.

Die CD-Release-Party für "Oaks" feierte der US-Amerikaner vor wenigen Tagen auf einer Rollschuhbahn, dem "Oaks Park Roller Rink". Verwunderlich nur auf den ersten Blick, denn einige Meter über der Lauffläche prangt das Herzstück des dritten Albums von ETHAN: eine 'Mighty Wurlitzer'. (Bilder aktuell → hier und historisch → hier.) Das riesige Ungetüm aus dem Jahr 1926 stand ursprünglich im "Broadway Theater" in der Innenstadt von Portland und untermalte, ganz der ursprünglichen Funktion solcher Kinoorgeln entsprechend, mit seinen 1.242 Pfeifen Stummfilme. In den "Oaks Park" wanderte die 'Mighty' 1955, nach ihrer Ausmusterung, aus praktischen Gründen: Dort war genug Platz für das vierstöckige Instrument und seinen voluminösen Klang. In den vergangenen Jahren wurde die Wurlitzer-Orgel unter tatkräftiger Mithilfe von ETHAN ROSE liebevoll restauriert. Die meisten Tasten, Pfeifen und Effektregister konnten wieder hergestellt werden, wie auf "Oaks" zu entdecken ist.
Der erwartungsvolle Hörer sollte sich nun allerdings nicht auf eine Art Orgelkonzert einstellen. ETHAN hat – wie bei den Vorgängeralben auch – die Sounds gehörig bearbeitet und dabei Ambient in Superzeitlupe entstehen lassen. Dessen daunenweicher Klang erinnert an ein Rhodes Piano, das melancholische Musik zu einer Zeichentrickserie der 1970er spielt. "Oaks" ist wie ein blubbernder Topf Suppe an einem kalten Tag: Gleichmäßig köchelt das wärmende Gebräu vor sich hin, man möchte die Hände danach ausstrecken, und ab und zu steigt geräuschvoll eine Blase nach oben. Man hört die Töne förmlich in den Orgelpfeifen auffliegen und, ganz oben angekommen, in den Himmel abheben. Dicke, dünne, schnelle, langsame, bunte, durchsichtige, aber immer durch ihren Charakter noch mit dem Instrument verbunden.
Vergleiche zu den musikalischen Strukturen einschlägiger Isländer kommen in den Sinn, SIGUR RÓS natürlich oder HILDUR GUDNADOTTIR, die Ambient-Cellistin (NONPOP-Besprechung → hier). Verträumt, introvertiert und freundlich ist der Klangteppich von ETHAN ROSE, zwischendurch versehen mit wie improvisiert wirkenden Zufallsmelodien. Manchmal fällt die Unterscheidung der einzelnen Passagen auf "Oaks" ein wenig schwer, zugegeben. Oder andersherum: Es schleichen sich Ähnlichkeiten ein. Egal!! Hier zählt die gute Tat des Mannes aus Portland, das Sammeln, Bewahren und Strukturieren solcher klanglichen Einzigartigkeiten. Dieses historische Hör-Museum in zeitgemäßem Gewand ist perfekt dafür geeignet, um nach einem anstrengenden Tag eine – was für ein modernes Wort – Sounddusche zu nehmen, in den Klängen der alten Wurlitzer zu baden und sie zu genießen.

Übrigens: Wer sich für das Thema Musikautomaten interessiert, kann sich die Seiten des Deutschen Musikautomatenmuseums in Bruchsal (bei Karlsruhe) ansehen. Einige Exponate sind dort per Klick abspielbar, darunter eine Salonorgel, welche für den Speisesaal der Titanic vorgesehen war – aber nicht rechtzeitig fertig wurde.


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ROSE @myspace
» ROSE @ last.fm
» ROSE-Interview


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Zusammenfassung
Mit diesem Album vollbringt der Mann aus Portland eine gute Tat: Er sammelt und bewahrt die Klänge einer riesigen, alten Kinoorgel von Wurlitzer aus dem Jahr 1926. Durch behutsame
Bearbeitung macht er daraus freundlichen, warmen Ambient in Superzeitlupe. Ein Soundbad zum Entschleunigen.

Inhalt
* karu 14

1 On Wheels Rotating (04:07)
2 Rising Waters (04:13)
3 Grand Marcher (04:31)
4 The Floor Released (06:46)
5 Fortunate (03:25)
6 Scenes From When (04:25)
7 Mighty Mighty (04:00)
8 Bottom (06:24)
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