Der NONPOP-Vorgänger LICHTTAUFE steht in einer speziellen Beziehung zu THE LINDBERGH BABY, diesem noch neuen und unbekannten Projekt aus dem BLOOD AXIS-Umfeld. Als wir 2005 BLOOD AXIS zum FLAMMENZAUBER einluden, suchten ANNABEL LEE, MICHAEL MOYNIHAN und BOB FERBRACHE (u.a. Ex-HUMAN HEAD TRANSPLANT, 16 HORSEPOWER) zunächst einmal vernünftige Mitstreiter, um überhaupt aufzutreten zu können. Der Mensch, der zuerst zum Trommeln angeheuert wurde, erwies sich als unzuverlässig, so dass man ihm mitteilen musste, ohne ihn nach Deutschland aufbrechen zu wollen (das alte SPINAL TAP-Problem, wie man uns mitteilte). Gefunden wurde als Ersatz u.a. SCOTT BRODERICK, ein gemütlicher Mensch mit langer, blonder Löwenmähne, der nun trommeln sollte und mit dem man auch schon vorher mal lokal in Vermont ein bisschen musizierte. Dieser BRODERICK habe sogar kürzlich ein eigenes „Singer-Songwriter“-Projekt ins Leben gerufen, bei dem er nicht trommle, sondern sänge und Gitarren spiele. Es sei möglich, dass sie die Songs, die bisher fertig seien, im Vorprogramm von BLOOD AXIS auch dem deutschen Publikum präsentieren würden. Ohne die Musik zu kennen, war ich damals von dem Namen THE LINDBERGH BABY ganz beflügelt, der natürlich auf den Atlantiküberflieger CHARLES LINDBERGH (1902-1974) und die Entführung seines Sohnes verweist. Der Fall diente AGATHA CHRISTIE als Vorlage für ihren Krimi „Mord im Orient-Express“ (1934), die realen Umstände sind aber bis heute nicht ganz geklärt und wie heute im „Fall Madeleine“ gibt es die Vermutung, dass die Lindberghs selbst beteiligt waren. In New York debütierte THE LINDBERGH BABY dann kurz vor der Abreise zu uns. Ihr Auftritt beim Flammenzauber ist mir nicht mehr recht im Gedächtnis, doch weiß ich noch, dass sie wohl gut ankamen und die etwa zehn zum Verkauf angebotenen CD-Rs mit zwei Songs drauf (In New York wurden auch welche verkauft, Limitierung insgesamt weiß ich nicht.) und völlig ohne Booklet oder weitere Informationen, waren auch binnen Sekunden weg. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es natürlich nicht THE LINDBERGH BABY wegen LICHTTAUFE gibt, doch waren wir sicher ein für das Projekt stabilisierender Motivationsschub. Über zwei Jahre nach ihrem Deutschlandauftritt liegt nun das Debütalbum vor, mit an Bord neben BRODERICK (Gesang, Gitarre), ANNABEL LEE (Geige), MOYNIHAN (Bodhran, Akkordeon) noch ein HERR KAMMERER an der Gitarre und AMBER RAE, eine Dame, die ab und an in den Gesang miteinstimmt. Die Band, das scheint es nämlich mittlerweile zu sein, kein „Projekt“, beschreibt ihre Musik als „psychoaktive Folklore“, das ist eine recht gut gewählte Bezeichnung, aber bevor man dies nun etwa im Sinne einiger „irrer" Japaner nun für extrem verloren drogeninduziert hält, ist es ratsam, zunächst doch bei einer so simplen Schubladisierung wie „Country-Folk-Rock“ zu bleiben. Überdeutlich orientiert man sich nun bei THE LINDBERGH BABY eher an Country-Musik und Americana-Folk als an europäischer Folklore oder gar „Neofolk“, das heißt eben diese diversen GLITTERHOUSE-Projekte wie WOVEN HAND, LILIUM oder auch durchaus JOHNNY CASH, ist aber weitaus weniger bedrückend, schwer oder religiös beladen wie diese, sondern eigentlich schon im Easy-Listening-Bereich drin. Dazu passend auch die lockeren, weltlichen, aber dennoch mysteriösen Texte, Reflexionen eines Yankees auf seine Umwelt, Herkunft und Familienwerte. Apocalyptic-Country-Shoegaze wäre eigentlich eine passende Kategorie. Zur relaxten Atmosphäre trägt vor allem BRODERICKs Stimme bei, die etwas über den Dingen schwebt und gehörig viel an „ist mir eigentlich alles egal“ transportiert, so gesungen mit Cowboyhut tief im Gesicht in der Mittagssonne. Dennoch, ihre „psychoaktive Folklore“ kann nicht als fröhlich-positiv beschrieben werden, eher wirkt alles ziemlich unwirklich, wie die erste Musik einiger Überlebender nach der ultimativen Katastrophe in einem toten Land oder wie eine Gruppe gefährlicher Outcasts – „The world ended 3000 years ago, don't you know that yet?“, SUN RA; "We are all dust"?, "Tol Cormpt Norz Norz Norz"?; "All pigs must die"? Nicht alle der acht Songs sind vollkommen gelungen, das Album fängt mit den ersten drei Stücken sogar für mein Geschmack etwas zu sehr über den Dingen schwebend, zu „dröge“ an – andere werden das möglicherweise für besonders „psychoaktiv“ halten. Das folgende „Northern Skies“, ist dann aber mit schöner Geigenbegleitung und ätherischer MAZZY STAR-artiger Stimme (nur eben von einem Mann) ein erster Hit. Der ist dann auch von seiner Art so, dass er zum Repertoire von FIRE + ICE gut passen könnte. Sowieso könnte etwas wie LINDBERGH BABY entstehen, wenn sich MAZZY STAR und FIRE + ICE kreuzen. Höhepunkt von „Hoodwinked“ ist jedoch zweifellos „Cassilda’s Song“, der Song basiert auf der Geschichtssammlung „Der König in Gelb“ (1895) von ROBERT W. CHAMBERS (1865-1933) und wird atmosphärisch begleitet mit der Rezitation des 17. henochischen Schlüssels, vorgelesen von ROBERT A. LANG, dem Repräsentanten der CHURCH OF SATAN in Kanada, wie immer bei der Sprache der Engel klingt das bezaubernd! "Satan" taucht sonst jedoch nirgends in den Lyrics auf, doch ist er stets präsent. Das Bandsymbol ist das alchemistische Symbol für Sulphur (Schwefel), welches Dr. LAVEY in seiner "Satanic Bible" bekannt machte (und das vermutlich schlicht für "Lebenskraft" stehen soll) und auch von KING DIAMOND (MERCYFUL FATE) benutzt wird. Im anschließenden „Media Boss“ spricht MOYNIHAN „eins, zwei, drei, vier“ und dann folgt ein doch recht stimmungshebender flotter „Americana-Folk-Punk“-Song, klingt nahezu wie eine RAMONES-WOVEN HAND-Session. Sehr gut. Fazit: „Hoodwinked“ ist kein Grund total auszurasten, aber das Album lohnt sich, bietet eine originelle Mischung aus bekannten Zitaten und dürfte aufgrund der stilistischen Bandbreite die Fans aller bisher genannten Projekte ansprechen. Ebenso könnten aufgrund ähnlicher „Vibes“ Liebhaber solcher Projekte wie THOMAS NÖLA, DAVID E. WILLIAMS, LUFTWAFFE (wobei THE LINDBERGH BABY besser sind), ja sogar THE CRANES mal reinhören. Leider ist die Spielzeit knapp bemessen und bis zum ersten, wirklichen Höhepunkt dauert es ein bisschen. Einmal mehr lobens- und erwähnenswert auch hier die warme, kräftige Produktion von BOB FERBRACHE, die so eigen und vertraut ist, dass man sie, egal ob es sich um 16 HORSEPOWER oder um BLOOD AXIS handelt, immer direkt wiedererkennt. Von THE LINDBERGH BABY erhoffe ich mir nun, dass sie nicht auf jedem x-beliebigen BLEIBURG & Konsorten-Sampler mitspielen, aber eigentlich ist hier die „Gefahr“ eher gegeben, dass sie in jenes andere Zeitkontinuum entschwinden, in welches auch BLOOD AXIS entrückt sind. Und eigentlich passt das auch gut zur Musik. p.s. auf der CD ist als Hinweis die Homepage: www.lindberghbaby.com angegeben! The year is one! - Hail, Adrian! p.p.s. Stimmt gar nicht, es steht www.thelindberghbaby.com dort, habe mich verguckt.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » THE LINDBERGH BABY Themenbezogene Artikel: » Konzertrückblick Flammenzauber 5
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Zusammenfassung
Psychoaktive Country-Folklore mit Mitgliedern von BLOOD AXIS und Shoegaze-Einfluss. Musik wie nach einem Sturm.
Inhalt
1. Othala
2. Family Song 3. 13 Stars 4. Northern Skies 5. Fortune 6. Cassilda's Song 7. Media Boss 8. Painted Roses Leider nur 30 Minuten Spielzeit. Digipack |
Hallo NF,
Ja, eigentlich hast Du recht, 30 Minuten ist normal. Es ist mehr so, daß ich auf keinen Fall das Album "zu positiv" besprechen wollte. Es ist ja leider in der "Neofolkszene" gang und gebe, daß man sich gegenseitig stützt ("Kameradschaft" ), das stört mich ziemlich und deshalb lieber kritischer. Für mich gibt es auf dem Album 3 sehr gelungene Songs (Northern Skies, Cassilda's Song und Media Boss) der Rest ist auch gut, aber eben nicht ganz so. Der Hinweis mit den 30 Minuten, sollte zeigen, daß es bei der Spielzeit eben "nur" 3 Lieder gibt, die Spitzenklasse sind.
Dennoch ein sehr gutes und originelles Debüt!
Dreißig Minuten Spiellänge ist doch überhaupt kein Problem. Alte Analogalben schaffens auch kaum über vierzig Minuten. Und das war bis dahin Konzept. Eine Vinylausgabe wäre fein. Ich bin begeistert von den Clips, die gerade auf MySpace hören konnte. Gestöbert in den Kommentaren: Mr. Slaughter: "The album sounds so damn good. Very catchy, very sing along." , Tesco USA: "I've been Hoodwinked - love it!"