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Claudia K.
FALSE MIRROR: North
Expedition ins Nichts
Kategorie: Rezension
Erstellt: 25.01.2008
Wörter: 560
Artikelbewertung:
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Eis, die dritte – Ausläufer der weißen, kristallinen Masse kommen uns dieses Mal aus dem bayerischen Augsburg, Sitz des jungen Labels THONAR RECORDS entgegen. Bereits im November wurde dort mit „North“ das zweite Album des Ulmer Ambientprojekts FALSE MIRROR veröffentlicht. Nach dem von Traumbildern und -stimmungen inspirierten Debut „Chronostatic Scenes“, erschienen im Mai 2007, geht es auf dem neuen Werk von TOBIAS HORNBERGER, der neben FALSE MIRROR noch hinter dem musikalischen Output von DNS und GRAS steckt, kälter zu. Thematisch standen die ersten Polarexpeditionen Pate, analog zu denen das Album sich als „arktische Expedition ins Nichts“ versteht. Der Tonerzeugung dienen nordatlantische Feldaufnahmen und mit Gitarre, Akkordeon, Glocken und sogar Mundharmonika eine Anzahl akustischer Instrumente, die bis zur Unkenntlichkeit mit Effekten belegt und verzerrt werden. Einen speziellen Auftritt hat zudem Wintersturm KYRILL, der Anfang 2007 landesweit für Verwüstungen und in Berlin für Schäden an Neubauten sorgte, indem er dem Prestigeobjekt Hauptbahnhof einen Zacken aus der Glas-und-Stahl-Krone brach.
Aus fünf langen Tracks besteht das Album. Eröffnet wird die Polarreise mit „Ice Drift“, einem fast siebzehnminütigen Eistreiben in kalten musikalischen Farben, in das sich – oder ist es nur die Phantasie - so etwas wie das Knacken und Knirschen von Eisschollen und Packeisströmen mischt: Ein kalt-trockenes Raspeln und Schaben, und vielleicht so etwas wie ein verzerrtes Gluckern, wenn Eisberge im Wasser versinken. Mit „12 bft“ (Beaufort, abgekürzt bft, Stärke der Windgeschwindigkeit nach der zwölfstufigen Skala von SIR FRANCIS BEAUFORT aus dem Jahr 1806) bricht anschließend die Orkanhölle auf dem Eis los: dröhnende, donnernde Verzerrungen, Windgeräusche, Tosen und Brausen, rotierende Mahlströme, die sich zusammenziehen, zusammenschrauben – und schließlich, begleitet von hellem Flüstern und Wispern, auslaufen. Stimmen? Verzerrte Geräusche? Der Wind? Es ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Mit „Novaya Zemlya“ geht es weiter, benannt nach der russischen Halbinsel die bekannt ist a) für ihre arktischen Temperaturen mit Stürmen und reichlichen Niederschlägen, b) für ihre Vergangenheit als Testgebiet für sowjetische Kernwaffen und c) aufgrund ihrer Bedeutung für die österreichische Nordpolexpedition von JULIUS PAYER und CARL WEYPRECHT, die mit ihrer Besatzung 1872 vom Packeis eingeschlossen wurden, bei -50 Grad im Eismeer überwinterten und schließlich von Schiffen aufgenommen wurden, die vor Nowaja Semlja lagen. Knistern, Knacken, Wassergeräusche und helle Eisklänge - wie in einer Mischung von Eishöhle und Unterwasseraufnahme, Vorstoß in eine glazial schimmernde Höhlenwelt mit eisig glitzernden Domen und Hallen, oder Tauchgang im Eismeer. Langsame, offenbar von Hand geschlagene Trommeln kommen hinzu, ein Hauch von SKADI, deren Höllenflüsse nicht weit zu sein scheinen, geysirartiges Zischen, auf- und abschwellende Vibrationen. In verschwommenen Visionen mündet schließlich die Polarreise, eisig läutende und klingelnde Fata Morgana-Erscheinungen in einer kalten Wüste, angekommen im Nichts.
So, oder ähnlich, der innere Film zu „North“. Und es funktioniert tatsächlich: Wo die allermeisten der zahllosen Ambientprojekt-Produkte, die durch unsere Anlagen filtern, bestenfalls ein müdes Filmchen erzeugen, gibt es bei FALSE MIRROR Kino. Ein Klangtüftler ist hier am Werk: Abwechslungsreiche und vielschichtige Strukturen zwischen Ambient und Drone laden zum aufmerksamen Zuhören ein, zum laut hören. Volltönende Klanglandschaften, ein in Musik gegossenes Tagebuch einer Polarreise durch Eis, Sturm, Kälte, Erschöpfung und beginnende Entrückung: unterschwelliges Dröhnen, ein grandioses Rauschen, Donnern, Strömen, Strudeln, Sirren, Läuten und Brausen, Murmeln, Kratzen, Knirschen und Wispern und Mahlen. Eisiges Licht, verstörende Naturgewalten, und zum Schluss O-Ton: KYRILL. Fazit: Genau so muss das sein; hier stimmt tatsächlich einmal alles, bis hin zum handgemalten, eigenartig violetten Artwork von SYLVIA RIESTER.
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Verweise zum Artikel:
» Thonar Records
» False Mirror
» Thonar Records Myspace
» False Mirror Myspace
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» RAPOON: Time Frost
» NETHERWORLD: Mørketid
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Zusammenfassung
Auf seiner zweiten Veröffentlichung "North" unternimmt TOBIAS HORNBERGER eine Reise in den hohen Norden: In Teilen dronelastiger Ambient mit Special Guest.
Inhalt
01. Drift Ice
02. 12 Bft
03. Novaya Zemlya
04. Tracepath
05. Blurred Visions
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