Michael We.
KAYNO YESNO SLONCE: Elohim Neva SenzuIch möchte ein Bulgare sein!
Genre: Dark Ambient
Verlag: Corvus Records Vertrieb: Corvus Records Erscheinungsdatum: Januar 2007 Medium: CD Preis: ~14,00 € Kaufen bei: CORVUS RECORDS Ach, warum bin ich nicht als Bulgare auf die Welt gekommen? Nicht, dass mir dort das Essen besser schmecken würde als zuhause oder ich die Luft gesünder fände. Ich weiß nicht einmal besonders viel über das Land. Aber Menschen, die Musik machen, die auf eine so innige Weise mit der Natur verbunden ist, müssen einfach etwas Besonderes sein. Ich darf an dieser Stelle, bevor es um die zu besprechende Musik geht, ein bulgarisches Gedicht einschieben, auf das ich gestoßen bin und das die bulgarische Seele ein wenig offenbart. Es stammt von IVAN VASOV (auch WASOV oder VAZOW), dem Begründer der modernen bulgarischen Nationalliteratur (1850 bis 1921), und jeder Bulgare lernt es angeblich schon im Kindergarten auswendig. Es heißt 'Ich bin Bulgare'. Den deutschen Inhalt habe ich mir aus einigen schlechten Übersetzungen im Internet zusammengeklaubt. Waschechte Bulgaren, die dies lesen, bitte ich um Verzeihung.
Ich bin Bulgare. Ich liebe Unsere grünen Gebirge. Die größte Freude ist für mich, 'Bulgare' genannt zu werden. Ich bin ein freier Bulgare, Ich lebe in einer freien Heimat. Ich liebe, ehre und ersehne Alles Bulgarische und Heimatliche. Ich bin Bulgare und wachse auf In großen Tagen, in ruhmreicher Zeit. Ich bin ein Sohn des wunderbaren Landes, Ich bin ein Sohn des Heldenstamms. Eine von mehreren Bands, die mit ihrer Mischung aus Folklore und Moderne die Schönheit und Geschichte ihres Landes preisen, ist KAYNO YESNO SLONCE. Das ist Altbulgarisch, ebenso wie die meisten der Texte auf der Platte. Auf Deutsch bedeutet der Bandname ungefähr 'hell strahlende Sonne'. Genau genommen handelt es sich eigentlich gar nicht um eine Band, sondern um VESELIN MITOV, einen bulgarischen Musiker, der einige Freunde um sich versammelt, die wiederum in anderen bulgarischen Projekten mitarbeiten. MITOV spielt den 'gaida', den bulgarischen Dudelsack, und die 'kaval', das Nationalinstrument Bulgariens, eine fast ein Meter lange Hirtenflöte, beides klassische Instrumente der bulgarischen Folklore. Er schreibt die Musik und arbeitet bei der Ausführung mit SHTONY KUKUDEV und KALIN YORDANOV zusammen, Musiker und Sänger bei der bulgarischen Formation IRFAN, sowie einigen Mitgliedern von VATAFF PROJECT (die bulgarische Folkelemente mit elektronischer Musik mischen). MITOV selbst hat mit der im Jahr 2000 gegründeten Band ISIHIA noch ein zweites Projekt, welches bulgarische Folklore mit christlichen Kirchenliedern aus dem 14. Jahrhundert zusammenbringt, der Zeit, in der die Osmanen bis nach Bulgarien vordrangen und dort Kriege führten. Die Arbeit von KAYNO YESNO SLONCE - und eigentlich auch von allen anderen östlichen Folkbands - ist schwierig zu beschreiben, denn sie entzieht sich unserem westlichen Verständnis von Musik, das auf klar strukturierten Songs, Melodien, Refrains und auf ein Ende nach spätestens vier Minuten baut. 'Elohim Neva Senzu' braucht deshalb vielleicht einige Anläufe, aber dann entfaltet sich das Album um so mehr. Es ist folkloristischer als sein Vorgänger, das Debutalbum von KAYNO YESNO SLONCE aus dem Jahr 2004 ('Chakrak'). Die Dark Ambient-Anteile sind weniger geworden, die murmelnden Chöre verschwunden, nur einige leise Synthesizerteppiche im Hintergrund sind noch übrig geblieben. Dazu Percussion, die erwähnten bulgarischen Instrumente, eine Art Gitarre, ein großes Spektrum an Glocken und die Stimmen der verschiedenen Sänger, wie immer bei Balkan-Folklore mit einem klagenden Unterton. Die Lieder haben einen erzählenden Duktus, dehnen sich, schwellen an und ab, verweilen bei einem Ton, um dann plötzlich wieder zu beschleunigen. Um es noch einmal ganz nüchtern zu versuchen: Traditionelle bulgarische Musik mit einigen Dark Ambient-Synthesizern und Naturgeräuschen. Ich stelle mir immer vor, dass VESELIN MITOV beim Singen auf einem riesigen, bewaldeten Berg steht und von einem Plateau aus sein Land überblickt, so wie es vor einigen Jahrhunderten aussah. Grün, majestätisch und schwankend zwischen Krieg und Frieden. 'Elohim Neva Senzu' ist wie ein Stein einer alten Burg, den man anfasst und von dem man glaubt, dass er Geschichten erzählt, wenn man ihn nur lange genug berührt. Die Windgeräusche, die MITOV tatsächlich in bulgarischen Bergen und Feldern aufgenommen hat und die manche Titel einleiten oder untermalen, verstärken dieses... urtümliche, historische, freie Gefühl. Ich verstehe kein Wort von den Texten auf der CD, aber ich glaube zu spüren, dass es um Tragödien, Kämpfe, Freiheit, Heidentum, Heldentum, Furcht, Trauer, Mystik und vor allem Frieden im Herzen geht. Wow. Ich sagte ja schon - die Musik ist schwer zu beschreiben. Der Labelchef von CORVUS RECORDS, EMIL SAPAREVSKI, bezeichnet sie übrigens als 'Gebet', eine auch für nichtreligiöse Menschen nachvollziehbare Idee. 'Elohim Neva Senzu' ist ein außergewöhnliches Album. Es wird mich in den kommenden Monaten ganz sicher begleiten und beschäftigen.
Michael We. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Label von IRFAN mit vielen Infos » CORVUS-Porträt auf NONPOP
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Zusammenfassung
Bewusstseinserweiterndes Album aus Bulgarien. Klassische Folklore-Instrumente paaren sich mit einigen modernen Sounds. Muss vielleicht ein paar Mal durchgehört werden, entfaltet dann aber seine Wucht.
Inhalt
01 Ветре
02 Изначало 03 Да Не би Майчо Карала 04 Камъне, бели Камъне 05 Щар Планина 06 Белия 07 Сос Ма Караш Майчинко 08 Първом 09 Дошеро 10 Ветре 2 Част |