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Roy L.
TONY WAKEFORD: Into The Woods
England is funny, but sometimes she scares me...
Kategorie: Rezension
Erstellt: 05.04.2007
Wörter: 1034
Artikelbewertung:
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In den finstren, finstren Wald führt uns Britannias zynischster Märchenonkel TONY WAKEFORD mit seinem neuen Album "Into The Woods". Der reife Herr SOL INVICTUS durchlebt momentan scheinbar eine der kreativeren Phasen, denn neben diesem und einer richtigen neuen SOL-Platte sind für das laufende Jahr auch die Nebenprojekte GREY FORCE WAKEFORD, THE TRIPLE TREE sowie eine Wiederbelebung des legendären L'ORCHESTRE NOIR unter dem Namen ORCHESTRA NOIR angekündigt. Nun wollen wir uns aber erst einmal ganz auf das frische "Solo"-Werk konzentrieren, das mehr oder weniger den auf "The Devil's Steed" eingeschlagenen, wurzelübersäten Pfad durch den britischen Forst fortzusetzen gedenkt. "Into The Woods" wird im Grunde von drei wesentlichen Komponenten zusammengehalten; es ist progressiv-experimentell, es ist erdig und folkloristisch, und es ist vor allem geisterhaft düster. Die unter dem eigenen Namen veröffentlichten Alben hatten bisher immer einen eher eigenwilligen Charakter, und wenn man unbedingt möchte, könnte man WAKEFORDs neue Gangart etwa als Dark Weird Folk oder als Schattenseite der großen, blühenden Folkrevolution der letzten Dekade bezeichnen. Jedenfalls ist vor zwei Jahren schon klar geworden, dass WAKEFORDs Faszination für Folklore und Tradition wieder mehr Zugang zur Musik gewinnt, dass die Aufnahmen wieder rauer und ungeschliffener werden und wieder mehr in wilden Wäldern als in Londoner Stadtparks ihre Heimat finden. Das ist sicher eine Entwicklung, die nicht alle lang treugebliebenen Hörer mittragen werden, und wenn WAKEFORD diese zunächst im Rahmen des Soloprojekts vollzieht, wirkt es eher wie ein vorsichtiges Ausweichen auf ein ohnehin als Experimentierbaukasten markiertes Peripheriewerk. Der Mythos des Waldes und des Eintretens in den Wald als Schwelle zu einer anderen Ebene von Raum und Zeit steht im thematischen Mittelpunkt des Albums. An der Oberfläche brodelt wieder einmal die Karikatur eines Englands, das von bigotter, inzestuöser Inselkultur geprägt ist, eine schwarzhumorige Bestandsaufnahme, die sich mit WAKEFORDs bitterem Sarkasmus verknüpft. Für ihn ist es auch eine Art Rückblick auf die Kindheit in den späten Sechzigern, eine Zeit, in der die Auswüchse der Städte bis ins Hinterland zu ebben begannen und der Mythos Wald nicht nur reell an Boden verlor, sondern auch gewissermaßen sein uraltes ‚Für-sich-Sein' einbüßte. Für den Menschen entwickelt sich eine Entfremdung vom natürlichen ‚im-Wald-Sein', die umschlägt in eine entrückende Verklärung des Waldes als düsterer, der Vergangenheit angehöriger Gegenpol zur Zivilisation, als Zuflucht für Kriminelle, Flüchtlinge, als Ort von Verbrechen und Geheimnissen. Auch die Industrialisierung kennt ihre Mythen und TONY WAKEFORD intoniert sie auf "Into The Woods" mit spukhaften Collagen, die sich mal mehr, mal weniger zu echten Liedstrukturen verdichten. Das Album beginnt nach kurzem Intro ungemütlich schräg mit "A Saint In Roseland" und dessen fast dissonanten Teppich aus Orgeln, Flöten und stürmischen Keyboardflächen, der zum Ende hin aber von altbekannten Fanfaren und schlagkräftigen Perkussionen durchbrochen wird, so dass schnell in Erinnerung gerufen wird, aus welchem Hause diese Musik stammt. SOL INVICTUS-Anklänge treten vor allem in dem eher schlichten Gitarrenspiel, dem wunderbar schiefen Gesang und der triumphalen, ‚faschistoiden' Art mancher Refrains hervor und wollte man ein paar interne Vergleichspunkte anführen, kämen am ehesten die Alben "Trees In Winter" und "The Blade" in Frage. Auch dieser dumpfe, in sich selbst versunkene Bass im Hintergrund, die Intermezzi vor der letzten Liedstrophe, die frivol dahingepfefferten Vierzeiler und das sich konzeptuell wiederholende Titelthema sind ganz WAKEFORD und auf ihre Weise unverwechselbar. Trotzdem, irgendetwas ist anders. Die klassischen und sinfonischen Tendenzen, dieser ganze bürgerliche Kulturkitsch, der den sterilen Alben "In The Rain", "Cupid And Death" und vor allem "Thrones" mehr geschadet als genützt hat, wird nun vollkommen ausgeblendet. Zurück bleibt ein rohes Gerüst, das mit viel Wildwuchs, Erde und archaischen Zaubern ausgefüllt und belebt wird. Die Stücke wirken sämtlich wie traditionelles Liedgut, in eine experimentellere Tonart übersetzt und in ihrer mystischen Dunkelheit intensiviert. Sie wandern teilweise schon auf den dichtbemoosten Pfaden von IN GOWAN RING, haben dabei aber den eher verrückt schlenkrigen Gang der schwierigen HAWTHORN- und THE WARDROBE-Alben und meistens ist der Wald, in den sie eindringen, so finster, dass der Ausflug zur Geisterfahrt mutiert. Das britische Blut kehrt dann wieder, die gruselige Atmosphäre des alten "Wicker Man"-Streifens glüht hindurch, übertragen auf ein kleinkariertes Suburbia-Schnittmuster. Dann blühen unter den Wildblumen auch ein paar verdächtige Pilze. Diese leicht verzerrt sägende Synthieorgel, die sich in das eher trockene Fleisch von "A Small Town In Germany" beißt, erinnert nicht wenig an die Analogorgien eines GREG WEEKS. Auch das Titellied ergibt sich psychedelisch durchsetzten Passagen, wie man sie aus dem SOL INVICTUS-Umfeld bisher noch nicht kannte. Am interessantesten scheinen jedoch die ruhigen Stücke "Lightning Strikes", "In The Woods" und "Take The Steps", die mit ihrem kosmisch abgedrifteten Zupfen an den Gitarren- und Basssaiten, dem ätherischen Verwirrspiel der Flöten und dem zögerlichen Tastenanschlag des Klaviers, das in eine natürliche Klanglandschaft aus Streichern und Keyboards verwoben ist, eine saftiggrüne Kulisse von weitverzweigtem Geäst und tiefen Seen hervorzaubern. Das ganze scheint sich auch mehr an die Hörerschaft experimenteller, atmosphärischer Folkprojekte wie XENIS EMPUTAE TRAVELLING BAND, THE NORTH SEA, RAMESES III oder bisweilen sogar FURSAXA zu richten. Ausschlaggebend ist dafür vor allem diese starke visuelle Komponente der Drone-Folk-Kompositionen, die Bilder schaffen, in denen die Flöten von Gastmusiker GUY HARRIES (ORCHESTRA NOIR, THE POW ENSEMBLE) den Farbton bestimmen. Einzelne Farbtupfer werden dagegen von anderen Gastauftritten gesetzt. Die Stimme von AMBER ASYLUM-Sängerin KRIS FORCE, die mit WAKEFORD und NICK GREY bereits an Aufnahmen zu dem gemeinsamen Projekt GREY FORCE WAKEFORD arbeitete, hat etwas angenehm Ungekünsteltes, Sanftes, aber sie scheint für das Album insgesamt eher hintergründig und nicht so essentiell wie der urige Bardensang von ANDREW KING zu sein, der den Liedern, in denen er auftritt, den Weg in jene erdig traditionelle Richtung ebnet, die ohnehin von der Musik eingeschlagen sein will. Mit "Into The Woods" beginnt für WAKEFORD letztendlich wieder eine neue Phase seines Schaffens. Das Album markiert den großen Rückzug zum nährenden Mythos des Waldes, der zur Zeit von vielen Künstlern unternommen wird, nur bei den meisten von weniger dunklen und zynischen Klängen begleitet wird. Es ist sicher nicht das alles verändernde Großereignis seiner Karriere, aber immerhin nach knapp dreißig Jahren Musikgeschichte WAKEFORDs erstes echtes Folk-Album, bei dem es auch scheint, er sei endlich in seinem künstlerischen Heimathafen angelangt, und das sollte uns schon einen Beifall wert sein.
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Verweise zum Artikel:
» Tursa
» Sol Invictus @ MySpace
» Dark Vinyl
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Zusammenfassung
Wakefords Rückkehr zum Wald ist düster, experimentell und vor allem archaisch-folkig. Mit britischem Zynismus und psychedelischen Anklängen entwirft er ein schwieriges, erdiges Konzeptalbum. Sicher nicht das Großereignis seiner Karriere, aber nach knapp 30 Jahren Wakefords erstes echtes Folkalbum.
Inhalt
The Woods
A Saint In Roseland
Lightning Strikes
In The Woods
Into The Woods
A Small Town In Germany
Down The Road Slowly
The London Hanged
The Hangman's Son
Take The Steps
The Devil Went A-Travelling
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