Dieses italienische Folkprojekt mit dem doch sehr faden und etwas phantasiearmen Namen ist ein gutes Beispiel für ein Musikprojekt, welches eigentlich sämtlichen „Neofolk“-Definitionsversuchen zufolge Teil dieser Netzwerkwelt sein müsste, es aber aus irgendwelchen Gründen nicht ist und folglich selbst unter italienischen „Neofolkern“ recht unbekannt ist, obwohl gerade dieser Käuferkreis hier tatsächlich etwas zu verpassen droht. NIHIL PROJECT verstehen sich als „offenes Kollektiv“ und laden andere Musiker und Poeten herzlich ein, bei ihnen mitzumusizieren. Auf ihrer Myspace-Seite ist festgehalten, wer diesen Einladungen bisher gefolgt ist, darunter der sehr interessante Experimentalmusiker CLAUDIO ROCCHI, der zumindest in Italien sehr bekannte Popmusiker ANDREA CHIMENTI, der schon sowohl mit DAVID SYLVAIN als auch mit IANVA kollaborierte, desweiteren der Thelemiten-Rocker STEVE SYLVESTER (DEATH SS) und SEDAYNE (der auch Teil des alten Ritual-Grabschänder-Industrialprojekts METGUMBNERBONE war). Durchaus alles sehr gewinnbringend eklektisch also! Wichtig ist zunächst einmal: NIHIL PROJECT klingen nicht im Geringsten italienisch, also eine Entwarnung an alle Liebhaber von AIN SOPH, INNER GLORY, SPIRITUAL FRONT & Co. Schon das Cover, welches das Straßenschild eines typischen Irish-Pubs zeigt, deutet klar darauf hin, dass die Vorbilder dieses Projekts klar in England oder eben in irischen und angelsächsischen Folktraditionen zu sehen sind, ohne es allzu authentisch zu wagen. Ihre Art Folk ist also buchstäblich recht „neo“ und zumindest bei den ersten drei Songs so beschaffen, dass gerade so auch noch Grufties und Black Metaller im Rüschenhemd dran andocken könnten. Vorbilder würde ich beim "Wicker Man"-Soundtrack, Canterbury Psychedelia/Folk definitiv TRAFFIC, COMUS, ein bisschen PAUL ROLAND und viel GONG vermuten. Los geht’s mit einem Art Medley bestehend aus „Unquiet Grave“ und dem bekannten traditional „Twa Corbies“ (u.a. interpretiert von SOL INVICTUS und den Identitätsfolkern von TERRE DI MEZZO). Ihre Art des folkloristischen Musizierens ist hier ganz nah an den diversen WERKRAUM/LADY MORPHIA-Doppelkompositionen (u.a. zu finden auf den Samplern „Looking For Europe“ und „Flammenzauber II“). In diesem Stil geht’s dann noch drei Lieder weiter, mal erinnern NIHIL PROJEKT hier wiederum stark an neuere WERKRAUM, dann wiederum mehr an SONNE HAGAL. Immer ist man dabei etwas verspielt mit kleinen Trompetchen, Querflöte, Violinen, Glockenspiel, diversen elektronischen Elementen, aber eben nicht so, dass wirklich ein hippieskes „Weird Folk“-Gefühl aufkommt. Ein wenig liegt hier wohl der Hase im Pfeffer, man hat desöfteren das Gefühl, dass NIHIL PROJECT konventioneller klingen, als sie das wollten oder gar von sich selbst annehmen. Nichtsdestotrotz fängt „Plough Plays“ sehr stark an, die ersten vier Stücke sind einfach meisterlicher, farbenfroher, frischer, spontan wirkender und sehr dionysischer Neofolk. Danach verflacht das Ganze ein wenig, vor allem weil NIHIL PROJECT zusehends die Akustikgitarre einpacken und mit einigen elektronischen Effekten, die psychedelisch zu sein beabsichtigen, aber eher gewollt klingen, überzeugen wollen. Dazu wird dann rituell getrommelt, im Hintergrund geschrien, gelacht und geklatscht oder gar in bester BEACH BOYS-Manier „bahbahbah“ gesungen. Insgesamt soll das wohl der ultimative Trip sein, bei mir will das nicht recht zünden, warum weiß ich nicht, vermutlich weil Sänger ANTONELLO CRESTI sich diesem "Phantasieausbruch" nicht anpasst und weiterhin so unlocker versucht schön zu singen, als ob eine DIETER BOHLEN-Jury vor ihm säße. Dabei ist er eigentlich ein recht guter Sänger, irgendwo zwischen STEVE WINWOOD (TRAFFIC) und AXEL FRANK (WERKRAUM). Fazit: NIHIL PROJECT wären richtig toll, wenn sie diese Experimentier-Attitüde etwas runterfahren und ihre wahren Stärken in den Vordergrund stellen könnten, die eher im eingängigen, nichtsdestotrotz verspieltem (Neo)Folk liegen, was ja nun nicht heißt, dass man nur den „Untergang des Abendlandes“ oder „Runen“ besingen darf, obgleich Themen dieser Art dem Folk eine gewisse Schwere bescheren würden, die man bei NIHIL PROJECT vor allem deshalb vermisst, weil man das Gefühl nicht los wird, dass ihnen diese Attitüde eigentlich viel besser stehen würde. Es würde auch schlicht heißen, mehr auf den Pop-Punkt zu kommen und nicht so zu tun als ob man der Wahnsinns-Freestyle-Improvisator wäre. Nichtsdestotrotz sind NIHIL PROJEKT gerade für die Neofolkszene ein zu entdeckendes Projekt, das speziell Anhänger des AHNSTERN-Labels, SONNE HAGAL und WERKRAUM-Hörer interessieren sollte. Die Tatsache, dass man bei WHOVEN WHEAT WHISPERS veröffentlicht, sollte auch nochmals Hinweis genug auf eine gewisse Qualität sein.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » NIHIL PROJECT » NIHIL PROJECT Myspace
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Zusammenfassung
Italienisches Zwei-Mann Folk Projekt; die ersten drei Songs bieten sehr guten, phantasiereichen (Neo)-Folk, der an TRAFFIC und im Neofolk-Bereich an WERKRAUM erinnert, später vergraben sie sich zu sehr in einer Acid-Free Folk Psychedelia-Attitüde.
Inhalt
TRACKLIST:
1) Unquiet Grave/Twa Corbies 2) Days of Yore 3) Weaving Wheat 4) The River 5) Hobby Horse 6) On Bennachie (A Field Trip) 7) Sataday People 8) Tissington Hall Well 9) Aloha Song 10) The Infinite 11) How Many Times 12) (Un)quiet Grave #2 Normales Jewel Case mit zwei Seiten Booklet. |