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Michael We.
ANTIGEN SHIFT: The Way Of The North
Überraschend gemäßigtes Konzeptalbum ('Eis und Schnee')
Kategorie: Rezension
Erstellt: 28.02.2007
Wörter: 652
Artikelbewertung:
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Manche CDs lassen mich ratlos zurück. Ich weiß auch nach mehrmaligem Hören nicht, ob ich sie gut finden soll. 'The Way Of The North' fällt in diese Kategorie, das zweite lange Album von ANTIGEN SHIFT und die sechste Veröffentlichung seit dem Entstehungsjahr 2000 insgesamt. Vielleicht liegt es daran, dass ich die aktuelle Platte keinem Genre zuordnen kann, das ich kenne, obwohl es gerade bei elektronischer Musik nahezu unendlich viele davon gibt. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich eigentlich eine CD erwartet hätte, die mehr nach Industrial und weniger tanzbar klingt, denn die vorherigen Veröffentlichungen des kanadischen Projekts waren allesamt lärmiger, härter und unberechenbarer. Zu diesem Eindruck passt auch der Labelwechsel: Kamen die bisherigen Platten bei Labeln unter, die sich eher um experimentelle Elektronik kümmern (FROZEN EMPIRE MEDIA, New York und SPECTRE, Belgien), erschien 'The Way Of The North' bei den Berlinern von AD NOISEAM, die unter anderem für Drum'n'Bass und Downtempo stehen. Offenbar wollte der Kanadier NICK THERIAULT, Kopf hinter ANTIGEN SHIFT, seinem Projekt eine neue Richtung geben. Die aktuelle CD ist ein 'Konzeptalbum', eine Hommage an den Norden, das Ewige Eis. Zusammengehalten wird es von einem elektronischen Percussion-Rhythmus, der tatsächlich an Drum'n'Bass oder Trip Hop erinnert. Er variiert von Song zu Song, verändert seine Präsenz und macht oft anderen Elementen (Noise, Ambient) Platz, bleibt aber immer das bestimmende Bauteil. Darunter versuchen an- und abschwellende Melodien und Sounds, die eisige Atmosphäre zu kreieren: Stürme, das Knirschen und Brechen von Eis, Wasser. Das klappt hervorragend zum Beispiel im Opener, dem Titeltrack. Der Rhythmus, der sich immer wieder verschiebt, harmoniert mit den Tönen und Geräuschen, die an das Sich-Aneinander-Reiben von Eis erinnern, und dem tiefen, weiten Ambient im Hintergrund. Das funktioniert ebenfalls bei meinem persönlichen Favoriten, 'Verglas' (Track 3). Erst dezente Soundlandschaften, die mich auf den 'Norden' einstimmen, dann die treibenden Beats, die immer wieder von einzelnen, schleifenden, kühlen Echos von Tönen unterbrochen werden. Müsste ich einen Flug oder eine Fahrt durch die Arktis vertonen, würde ich es genau so versuchen. Leider existieren auch weniger elegante Beispiele, 'Tundra' (Track 8) etwa, das bis zum ersten Drittel einfach nur nach einem der schwächeren Stücke des Albums klingt, dann aber recht unmotiviert in einen Piano-Part, später in einen Jungle-Teil überblendet, um wieder mit ein paar Piano-Tönen zu enden. Da geht mir auch mit viel Mühe die emotionale Verbindung zum Konzept des Albums verloren. Samples wie auf 'Implicit Structures', dem ersten Vollzeit-Album von ANTIGEN SHIFT, fehlen hier übrigens ganz. In guten Momenten (die häufiger sind als die schwachen) fließt die Musik geradezu aus dem Lautsprecher, und die tiefen Basstöne (viel weniger brutal als früher) bringen sogar den Oberkörper eines bekennenden Nicht-Tänzers zum Wippen. Alles ist bis auf das letzte Echo hervorragend abgemischt, kein Ton erscheint zu leise oder laut. Manche Parts erinnern aber leider an eine zusammengelötete Mischung aus MASSIVE ATTACK, GOLDIE und Drummachine, und das tac-a-tac-a-tac-a-tac strengt dann an. Die Thematik 'Schnee und Eis' reicht nicht ganz aus, um die Gegensätze dieser Platte immer zusammen zu halten. Für alle Fans der härteren, noisigeren und weniger poppigen Musik, die ANTIGEN SHIFT bisher gemacht haben, besteht aber Hoffnung. Wie der Name schon sagt - ANTIGEN SHIFT ist ein medizinisches Phänomen, das den Austausch genetischer Information zwischen zwei Virusarten bezeichnet, so dass neue Virenvarianten entstehen - legt es NICK THERIAULT offenbar auf Veränderungen an. Nach dem Auftritt beim Maschinenfest in Krefeld im vergangenen Oktober und ein paar Auftritten in Kanada hat er sich angeblich an ein neues Album gemacht. Und die Kreativität in der sprudelnden kanadischen Elektro-Szene (mit zum Beispiel FRACTURED, S:CAGE oder ISZOLOSCOPE), in der sich THERIAULT bewegt, ist sicher groß genug, um dem kommenden Album vielleicht wieder einen ganz anderen Dreh zu geben. Ach ja, das Genre-Problem könnte ich noch lösen, indem ich ganz einfach ein neues erfinde: Wie wäre es mit 'Postindustrial-Noisetechno' oder 'Brutalambient'? Klingt doch ganz gut... Genau wie 'The Way Of The North'.
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Verweise zum Artikel:
» AD NOISEAM
» SPECTRE
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Zusammenfassung
Elektronisches Konzeptalbum, das sich dem Thema 'Eis' widmet. Begeistert in seinen besten Momenten mit klaren Beats und kühlem Ambient. Klingt manchmal aber auch nach gewöhnlichem Jungle und verabschiedet sich dann vom Thema. NICK THERIAULT hat schon bewiesen, dass er es noch besser kann.
Inhalt
01. The Way Of The North
02. As Flies To Careless Boys We Are To Gods
03. Verglas
04. Peacekeeper
05. Black Ocean Burial
06. L'Horizon
07. Refuge
08. Toppling Drunk Into The River While Trying To Embrace The Moon
09. Tundra
10. Fimbul Winter
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