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Roy L.

SALLY DOHERTY: Edge Of Spring

a collection of songs (1995-2005)


SALLY DOHERTY: Edge Of Spring
Genre: Neo - Klassik
Verlag: Shayo
Erscheinungsdatum:
November 2006
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
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So manch einer wird sie noch von der End-Neunziger SOL INVICTUS-Phase her kennen: SALLY DOHERTY, die talentierte Sheffielderin, die für vier Studioalben WAKEFORDs schiefgesungene Kreuzreime so gut es ging mit ihrer bezaubernd weichen Stimme übertünchte und sich ansonsten aus den obskuren "Szenekreisen" eher raushielt. Doch bereits vor ihrer "wilden" Zeit mit Tony, Matt und den anderen Sonnenkönigen war sie in wenigen Liedern von KARL BLAKEs SHOCK HEADED PETERS zu hören und arbeitete zudem an ihrem klassisch instrumentierten Soloprojekt.

Bis heute sind unter ihrem eigenen Namen sieben Langspielscheiben gepresst worden, darunter auch ein eher unspektakulärer Soundtrack für eine BBC Dokumentation über Nubien und die vergleichsweise experimentelle Klanginstallation "Daughter Of The Sea". Auf den meisten ihrer Arbeiten wird sie von einer drei- bis vierköpfigen Frauenband namens THE SUMACS begleitet, die Sallys Stimme mit einer Reihe von akustischen Instrumenten untermalen. Ihre Kompositionen kamen bisher größtenteils ohne allzuviel Elektronik aus und fanden sich meist weitschweifend in der Schnittmenge von Folk, Neo-Klassik und manchmal auch Jazz wieder. Auch wenn die Alben fast ausschließlich "richtige" Lieder bieten, würde ich mich ungern darauf einlassen, hier außerdem noch den Begriff Pop oder Folk-Pop anzusetzen. Dazu sind die Stücke einfach zu streng arrangiert, zu klassisch geschichtet, zu antik instrumentiert und ermangeln der eingängigen Rhythmusstrukturen. SALLY DOHERTYs Musik ist deswegen allerdings auch nicht gerade schwierig, aber man entschlüsselt manchmal erst nach mehrmaligem Hören den Nuancenreichtum einiger Lieder. Das erhält die Spannung und lässt sie nicht so leicht ins Dudeln kommen.
Es hat aber auch viel mit Sallys Gesang zu tun, dass ihre Alben nicht der Belanglosigkeit anheim fallen. Ihre Stimme wirkt dabei fast schon erschreckend konservativ - kein Kreischen, kein infantiles Miauen, kein Ausloten von Hochfrequenzbereichen. Da ist ganz allein dieser warme Hauch, der trotz aller Leichtfüßigkeit bis aufs Äußerste ausgefüllt und voluminös in den Raum hineinreicht. Man spürt darin etwas ungemein Freundliches, Feminines, vielleicht auch latent Erotisches. Sally singt ihre Lieder wie in einem munkelhaft-nächtlichem Tanzlokal, aber ganz ohne Alkohol und Zigarettenrauch - schwierig, diesen Unterschied deutlich genug zu unterstreichen.

Verblüffend aber auch die Formenvielfalt, die von dieser Stimme belebt werden kann. Die neu-interpretierten (meist britischen) Volkslieder vom Album "Black Is The Colour" sind naturgemäß anders gesungen, und stärker durch Melancholie und Purismus besetzt als ein modernklassischer Song wie "Our Senses", der subtil umhertänzelt, ein wenig verspielt und sinnlich lockend. Ganz anders wiederum die Ethno-infizierten Werke der Frühphase, wie "I Am River", bei dem mehr Beschwörung und Mystik im Spiel ist, oder das feierlich-ernste, programmatische "Voice", in welchem jeder Satz mit adäquater Pointiertheit gesungen und von dem, in den ersten beiden Alben noch dominierenden, Klavier getragen wird. Noch einmal eine ganze Spur davon entfernt zeigt sich das 2005 vorgelegte Album "Foolish Heart", auf welchem mehr oder minder bekannte alte Jazz- und Latinohits aus den 40ern und 50ern von Sally und einem neuen Trio von Musikern re-arrangiert wurden. Hier passt sich ihre Stimme mit graziösem Spieltrieb den schier endlosen Bass-, Klavier- und Percussionimprovisationen an und macht korrespondierend natürlich einen viel "cooleren" Eindruck. Nur bei den spanischen und portugiesischen Titeln verliert sie manchmal ein wenig die Sicherheit, über die Worte und Sätze so sanft zu gleiten, wie sie es in ihrem klaren, britischen Englisch tut. Insgesamt aber präsentierte "Foolish Heart" damals eine weitere, ganz verlockende Facette dieser vielschichtigen Stimme. Das Latin/Jazz Projekt wird nun übrigens unter dem Namen LOS AMORES fortgesetzt. Ungewöhnlicher erscheinen dagegen ihre Ausflüge in populärmusikalischere Gefilde, die sie mit dem kurzlebigen, trip-hoppigen Chill-Out Projekt SUMMERISLAND unternommen hat oder auch mit der in Italien gar nicht so unbekannten Band PLANET FUNK immer noch unternimmt. In beiden Fällen verwässert und verdünnt die überwiegend elektronische Produktion ihren Gesang, der daraufhin ähnlich wie bei SOL INVICTUS endlos unterfordert wirkt. Dass die Duette von Tony und Sally oftmals nicht allzu vorteilhaft in Szene gesetzt waren, liegt im Grunde an der Inkompatibilität beider Stimmen. Die meisten Hörer von SOL INVICTUS schienen aus eben diesen Gründen von Anfang an etwas verschreckt und haben den Namen SALLY DOHERTY größtenteils zu Unrecht gemieden. 

Dieses Versäumnis kann inzwischen mit der vom Schweizer Qualitätslabel SHAYO veröffentlichten Sammlung "Edge Of Spring" korrigiert werden. Auf nämlicher CD findet sich eine ordentlich proportionierte Auswahl aus den fünf regulären SALLY DOHERTY & THE SUMACS-Alben. Von "Foolish Heart" und "Daughter Of The Sea" ist dabei nichts enthalten, was sich im Grunde musikalisch auch schlecht zum gebotenen Liedgut hätte stellen lassen können. Die hier präsentierten Stücke sind ebenso mit Bedacht gewählt und so angenehme und eingängige Titel wie "This Is What She Said", "The Endless Night", das verführerische "Our Senses"  und das bittertraurige "Black Is The Colour" sollten einen sanften Einstieg bieten. Den "Wicker Man Song" sucht man jedoch vergebens, aber der ist NATURE & ORGANISATION damals ohnehin besser gelungen. Etwas weniger vom 2000er Album "On The Outside" und dafür mehr von den heute ausverkauften ersten beiden Veröffentlichungen hätte man sich allerdings gewünscht. Auch der Fluss, die Dynamik dieser Compilation entbehrt etwas der dichten Atmosphäre der Alben, weil sie insgesamt zu ruhig ausgefallen ist und in manchen Passagen nicht die zwingende Konsequenz eines Konzeptwerks besitzt. Angereichert wurde diese "Best of" noch mit drei unveröffentlichten Stücken, die sich eher nach Outtakes als nach neuen Aufnahmen anhören und bis auf das gänsehauterregend schwermütige "The Shore" ein wenig in der Menge untergehen, obschon das portugiesisch gesungene "O Caminho" als einziger Titel den schwungvoll lockeren Latin/Jazz Rhythmus des "Foolish Heart"-Albums, leider nur etwas weniger vom Sitzschemel reißend, in die ansonsten sehr klassisch-melancholisch gehaltene Auswahl wehen lässt.

Gestalterisch überzeugen SHAYO hier auf der ganzen Linie. "Edge Of Spring" kommt in mattweißem DigiPak, durchgehend mit glänzendem grünen Blumenmuster bedruckt, und irgendwie passt das auch wunderbar zu Sallys erfrischend blühender, romantischen Art. Sowohl Musik und Gesang erscheinen sehr wohlgeformt und beruhigend, etwas, worauf man sich entspannt einlassen kann. Wenn man diese Stimme seit Jahren kennt und zeitweise über mehrere Wochen im Ohr hat, kann man sich bei ihr richtig heimisch fühlen. Ich denke, dass viele Neofolker dieses Gefühl von ROSE McDOWELL oder DAVID TIBET her kennen dürften und wünsche dieser Compilation und der Künstlerin, dass es einem Manchen mit SALLY DOHERTY bald auch so ergehen mag.


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Sally Doherty
» Sally Doherty @ MySpace
» Shayo

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» Sally Doherty Quartet :: Foolish Heart

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» SALLY DOHERTY auf dem Electron Festival in Genf

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Zusammenfassung
SALLY DOHERTYs warme, weiche Stimme ist eine der angenehmsten Erscheinungen, die jemals die Neofolkwelt tangierten. Die vorliegende Auswahl aus dem Hause SHAYO zeigt sich da repräsentativ und einstiegsgerecht, ist atmosphärisch aber nicht mit der Komponiertheit ihrer einzelnen Alben zu vergleichen.

Inhalt
This Is What She Said
The Shore
La Llorona
Gold
Mourning I
O Caminho
Our Senses
Low Lowlands Of Holland
The Endless Night
Some Never Know
Lagan Love
I Am River
An Open Boat
Silver
Black Is The Colour
Voice
One Voice I

68 min

Shayo 008 | DigiPak
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