Die vorliegende Split-Veröffentlichung zwischen dem kanadischen Projekt AKITSA und den New Yorkern PRURIENT erschien schon letztes Jahr, verdient aber aus vielerlei Gründen nicht vergessen zu werden. Warum? Vor allem aufgrund des genreübergreifenden Charakters des Albums, welches durch die extremen Imageunterschiede beider Projekte noch zusätzlichen Reiz gewinnt bzw. Stirnrunzeln verursachen dürfte. Arbeiten wir uns vom Großen zum Kleinen vor: PRURIENT ist das Noise-Industrial Projekt eines DOMINICK FERNOW, welches seit schon etwa sechs Jahren existiert. Wie bei vielen anderen Noise-Künstlern ist sein “Output” recht hoch, bisher erschienen ca. 40 Tonträger, darunter auch Kassetten, Vinyl, CDRs und Splitveröffentlichungen mit u.a. WOLF EYES HAIR POLICE und NICOLE 12. Nebenbei betreibt er auch das interessante Label HOSPITAL PROD., auf welchem u.a. auch schon CONTROLLED BLEEDING veröffentlichten (und THE NEW BLOCKADERS veröffentlichen werden). Viele zählen PRURIENT wohl auch zu der Fraktion der neueren, amerikanischen Power Electronics Projekte a la SLOGUN, CONTROL etc. Da Fernow aber das “provokative” Element weitestgehend abgeht und PRURIENT außerdem eher in anderen Hörerkreisen rezipiert wird, trifft die etwas schlichte Einordnung “Noise” die Sache wohl besser. Nun, Musik dieser Art zu beschreiben ist naturgemäß ziemlich schwierig und zumindest rezensionstechnisch auch nicht mein Gebiet, aber ich kenne nun mittlerweile recht viele der PRURIENT-Alben und kann somit sehr gut nachvollziehen, warum dieses Projekt von vielen sehr geschätzt wird. In Fernows Krach-Kakophonien liegt etwas sehr Uriges und Experimentelles. Definitiv “old school”, meist ohne Stimme und vermutlich auf analogen Gerätschaften erzeugt. Vor allem jedoch benutzt er zur Kracherzeugung das Mikrophon. Ebenfalls dürfte er häufig Klangquellen des täglichen Gebrauchs verwenden, was das Ganze etwas an THE HATERS oder an SMEGMA erinnern lässt. Auch typisch für PRURIENT ist die Einbeziehung von “Field Recordings”, z.B. Straßenlärm und Ähnlichem. Das Gesamthörgefühl erinnert stark an die Art von Krach, die man eher aus Japan gewohnt ist, etwa alte MERZBOW-Aufnahmen. Genau wie beim "Japan Noise" auch kracht, pfeifft und scheppert es an allen Ecken und Enden gleichzeitig, so dass so ein stressiges "Surround Gefühl" entsteht, so muss ein Koch leiden, der unter Beschuss gerät, während ihm alle Töpfe gleichzeitig zu explodieren drohen. Schlussendlich kann man PRURIENT als Noise für “Highbrows” bezeichnen, also solche, die WOLF EYES, DOUBLE LEOPARDS und HAIR POLICE wegen irgendwelcher SONIC YOUTH-Connections für ganz wahnsinnig wertvoll halten, aber anderes aus dem Bereich aus irgendwelchen Gründen, die sich wohl ihrer Reflexion entziehen, ganz “doof” finden. Dieser DOMINICK FERNOW ist nun aber interessanterweise ein Black Metal-Liebhaber, also suchte er sich hier AKITSA für eine Split aus. Neben der Split Veröffentlichung zwischen IN SLAUGHTER NATIVES und der spanischen Death Metal Band VOICE OF HATE, die auch 2005 erschien, ist dies hier die erste Metal/Industrial Split, die mir bekannt ist, wer weiß, vielleicht löst das ja einen interessanten Trend aus. AKITSA stammen aus Quebec, Kanada, “singen” daher angeblich ihre absolut unverständlichen Texte auf Französisch. Ebenso angeblich sind diese “nationalistisch”, im Sinne einer Unabhängigkeit der französisch sprechenden Region um Quebec von Kanada. Verschrieben haben sich AKITSA hier, wie auch auf ihren sämtlichen anderen Veröffentlichungen dem ultraprimitiven, extremst minimalistischem Black Metal mit fies schrillem Kreischgesang, alles im Midtempo angesiedelt. Im Grunde hört man nur allersimpelstes Schlagzeug, Rhythmusgitarre und einen Sänger, der sich die Galle aus dem Leib schreit. All das ist mit Sicherheit nach der ersten Schlagzeug- bzw. E-Gitarren-Übstunde problemlos zu bewerkstelligen. Das Ganze ist natürlich nicht neu, seit VON, BURZUM, DAWNFALL und ILDJARN ist diese Art von bewusstem Primitiv-Black Metal geradezu zu einem eigenen Subgenre mutiert, aber man muss zugeben, dass Primitivität selten so konsequent ausgelebt wurde, wie bei AKITSA, zumal das “Träumerische”, das zumindest BURZUM noch auszeichnete, hier völlig fehlt, bei AKITSA ist alles auf eine aufreizende Weise nur “Gerüst”. Faszinierend bei AKITSA ist auch, dass das Hörgefühl nicht wirklich “Metal” ist, obwohl ihr Black Metal ziemlich “groovt” und sogar was von völlig verfremdeten AC/DC hat. Als Vergleich könnte man allenfalls die alte italienische Kultband BRISEN und die erste (ziemlich unanhörbare) BARATHRUM CD "Hailstorm" (1995) heranziehen. Zu hören sind sie auf dieser Split mit zwei für sie typischen Midtempo-Nummern. Die erste, “Terre Eternelle”, beginnt sogar mit ein paar Experimental-Industrial Einsprengseln, wohl zu Ehren ihrer Partner auf dieser CD, und auch das standesgemäße "spooky"-Intro fehlt nicht. Ansonsten empfehle ich von AKITSA noch ihr Album “Goetie” (2001), da teilweise mit leichtem Oi-Einschlag, “Aube De La Misantrophie” (2005), “Best Of” ihrer Demos, sowie ihr frisch auf CHRISTHUNT (Zufallstreffer eines ganz minderwertigen Labels) erschienenes Album “La Grande Infamie”, hier ist auch ein langes Stück im “Funeral Doom”-Stil zu hören. PRURIENT beschließen die Split mit ihrem 30-Minuten-Beitrag “Fossil”. Dieser vereinigt nochmal alles, was PRURIENT auszeichnet und ist für Noise- und PRURIENT- Verhältnisse sogar richtiggehend ruhig, entspannend und atmosphärisch. Immer wieder tauchen aus dem Off Fetzen klassischer, sakraler Musik auf, vermutlich ARVO PÄRT (ich vermute, es ist das göttliche “Cantus In Memory Of Benjamin Britten”). Durch die Aufnahmetechnik gelingt es PRURIENT, diese Musik so erklingen zu lassen, als käme dies aus dem Nachbarzimmer oder von der anderen Straßenseite, nebst Verkehrslärm, während am eigentlichen Ort des Geschehens es nur tieftönend böse grollt und rumort. Gerade dieses Stück erinnert recht stark an NAVICON TORTURE TECHNOLOGIES und sogar IRM, wenn mir auch die Produktion hier viel besser gefällt, da sie nicht so klinisch und aalglatt ist. Trotz der 30 Minuten kommt kein einziges Mal Langeweile auf…und in den letzten Minuten wird auch anständig “Fuck” und “Kill” oder so etwas gebrüllt, so dass vielleicht auch ein “Cultural Terrorist” zufrieden ist. Ich habe mehrere Monate gebraucht, um mit dieser Veröffentlichung warm zu werden, speziell AKITSA war mir zu aufreizend “nur Gerüst”. Nun aber, nach dieser langen Aufwärmzeit ist diese Split-CD wirklich faszinierend und für jeden zu empfehlen, der beim “historischen” Brückenschlag zwischen Industrial und Black Metal “dabei sein” will. Im Booklet sind die poetisch misanthropen Texte (pro Quebec) von AKITSA abgedruckt, wie auch der von PRURIENT (obwohl es eigentlich gar keinen gibt). Interessant noch dies hier: DOMINICK FERNOW stellt seine "Lieblingsblackmetalbands" vor!
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » AKITSA » PRURIENT
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Zusammenfassung
2 x Primitiver Black Metal von AKITSA + 30 Minuten
Experimental Noise von PRURIENT Inhalt
1. Akitsa - Terre Éternelle 14:53
2. Akitsa - Goétie 05:34 3. Prurient - Fossil 30:09 Spielzeit: 50:36 Normales Jewel Case |