Der Montag Im Volkspalast standen montags KAMMER SIEBEN, GOLGATHA, APOPTOSE, JESUS & THE GURUS und DERNIERE VOLONTE auf dem Programm. Da diesmal der Verkaufsstand nicht einmal im schönen Konzertsaal aufgebaut war, konnte ich die Darbietungen noch weniger verfolgen als am Tag zuvor. Doch immerhin schaute ich mir alles ein paar Minuten an.
Aus einem unbestimmten Grund heraus, befürchtete ich bei KAMMER SIEBEN live das Schlimmste, als sie dann letztendlich auf der Bühne standen, war ich jedoch positiv überrascht. Der Sänger könnte zwar seinen Kleidungsstil nochmals überdenken, die Uniform hinterließ einen eher komödiantischen Eindruck auf mich, aber vielleicht ist es ja genauso auch gemeint oder er ist am Ende gar ein Fetischist? Sein Gesangsperformance war kraftvoll und gut, überhaupt klangen KAMMER SIEBEN wie auf CD, wem die also gefällt, der konnte zufrieden sein. Das Publikum schien im allgemeinen recht begeistert, weshalb die beiden Hauptverantwortlichen dahinter auch eine Vielzahl persönlicher Widmungen auf das KAMMER SIEBEN „Unfinished Memories“-Digipack an unserem Stand schreiben mussten (was sie aber sicher gerne taten). Nun folgte GOLGATHA, zunächst einmal freute ich mich ganz außerordentlich darüber, dass meine Prophezeiung Wirklichkeit wurde. Ich war aus bestimmten Gründen schon Wochen vorher sicher, dass sie an der DEATH IN JUNE-Tradition der Entpersönlichung anknüpfen würden, d.h. ihren Auftritt maskentragend durchführen würden, und siehe da, sie alle standen da mit venezianischen Masken und spielten klassischen Neofolk. Ich muss gestehen, dass in den Minuten meiner Anwesenheit kein mir bekannter Song gespielt wurde, vermutlich präsentierten sie eh viele Stücke ihres bald erscheinenden dritten Albums.
Speziell irritierte mich der Sänger, dessen Stimme stark an DAVID TIBET (CURRENT 93) erinnerte. Das hatte ich so nicht erwartet. Im Sinne eines Dubio pro reo ist so etwas auch eher Zufall, aber der Eindruck eines reinen Fan-Projektes der alten WORLD SERPENT-Family lässt sich so sicher nicht zerstreuen, auch die logische Folge dieses Eindrucks ist unvermeidlich: Das einem nämlich die Originale dann doch lieber sind. GOLGATHA bleiben ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann man sich sicher sein, dass das eigentlich Schillernde am Neofolk in GOLGATHA eine Art würdigen Nachlassverwalter gefunden hat, wenn auch aus einer reinen Fan-Perspektive heraus, und auch beim Lesen von GOLGATHA-Interviews dürfte ein gewisser geistiger Mehrwert routiniert abfallen, andererseits stecken GOLGATHA tief in einem engmaschigen, gegenseitigem Hoffierungssystem drin, was schon etwas nerven kann. Ich für mein Teil gebe gerne zu, dass mich das regelrecht ankotzt. Achtet einfach mal kritisch auf zukünftige Rezensionen, die sicherlich jetzt schon mehr oder weniger geistig vorgefasst sind, gar schon in Schubladen liegen. „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist der schlimmste Feind jeder Entwicklung, und ich hoffe, es mehren sich die Spaßbremsen. Dabei muss klar bleiben, dass GOLGATHA keineswegs ein Projekt ist, das es verdient hätte, verrissen zu werden, dafür sind sie nämlich doch zu gut, aber durch fehlendes Understatement im Umfeld und durch den bedauernswerten Umstand, dass die Neofolkszene nach wie vor so klein ist, dass jeder jeden kennt, scheint ein objektiverer Zugang völlig versperrt. Das ist das eigentlich Traurige, wenn ich als Neofolk-Rezensent einen Wunsch frei hätte, wäre das sicher der, völlig anonym zu sein und niemals Musiker kennenzulernen, einfach um sich von jedweder auch emotionaler Bindung fern zu halten und mutig zu sein. Wenn man, ich meine das nun ganz losgelöst von GOLGATHA, in der kleinen Neofolkwelt nicht einmal irgendetwas ordentlich Scheiße finden kann, ohne dass einem persönliche Motive unterstellt werden, stimmt was am System nicht, und wenn man nur die Wahl zwischen „We’re all prostitutes“ und „I’d rather be your enemy“ hat, wäre eine Wahl zu Gunsten des letzteren der ehrlichere Weg, aber solange jeder nur möglichst viele Promos abgreifen will, gibt es da auch kein Ausweg draus.
APOPTOSE folgten im Anschluss, sie boten das gleiche Programm wie schon letztes Jahr, und zwar eine Live-Darbietung des „Blutopfer“-Albums mit Hilfe des Fanfarenzugs Leipzigs. „Blutopfer“ beschäftigte sich bekanntlich mit der Trommelprozession, die alljährlich in der Karwoche in Calanda, Spanien, stattfindet. Auf dem besagten Album hört man Feldaufnahmen dieser Trommelprozession, wie das auch Jahre zuvor schon VAGINA DENTATA ORGAN und CROMAGNON aufgriffen, in Leipzig übernahm der Fanfarenzug das imposante Dauertrommeln. APOPTOSE lieferten ein beeindruckendes Konzert ab, zu den geistigen Hintergründen der Trommelprozession siehe den Bericht im aktuellen ZWIELICHT # 2. JESUS & THE GURUS folgten im Anschluss, was ich für drei, vier Minuten sah, war der absolute Mumpitz, irgendwo zwischen RAMMSTEIN, SISTERS OF MERCY, UMBRA ET IMAGO, Nazi-Schick und albernem Posing, was zur Hölle hat so ein Projekt bei dem Programm drumherum verloren? Nicht einmal CDs oder meinetwegen Merchandise gab es von den GURUS zu verkaufen. Allerdings verpasste ich, wie mir grad eine NONPOP-Kollegin mitteilte, einige müde SM-Einlagen zweier Damen, die sich zu den „Künstlern“ auf die Bühne gesellten. DERNIERE VOLONTE war nun für viele (besonders für junge Frauen) der Höhepunkt des Abends, für mich war das der sechste oder siebte DERNIERE VOLONTE-Auftritt, dem ich (zeitweise) beiwohnen durfte. Sänger GEOFFROY D. überlässt das Trommeln mittlerweile völlig seinem Partner PIERRE bzw. dem mitlaufenden DAT und kann sich daher ganz auf den Gesang und auf die Animation des willigen Publikums konzentrieren. Das Ergebnis ist somit reiner Pop, der sicherlich Neidern oder sonstigen Verächtern gleich mehrere Steilvorlagen zum hemmungslosen Lästern liefert. Ich halte mich da jetzt mal vornehm zurück, möchte aber nicht verschweigen, dass ich mir schon ins Fäustchen lachen würde, sollte die DV-Erfolgskurve weiterhin steil nach oben führen, um vielleicht dann irgendwo in den Regionen von WUMPSCUT oder VNV NATION zu enden. Weiter so Monsieur! „Hyper Hyper“ mit DRIEU LA ROCHELLE!
Das WGT neigte sich dem Ende zu, mein „3-Tage Chef“ STEPHAN POCKRANDT ließ sich im Anschluss noch spontan überreden, bis spät in die Nacht für zahlreiche hartgesottene Neofolker ein DJ-Programm zusammenzustellen. Das Ganze war allerdings so spontan, dass ihm nur rund 30-Tonträger zur Verfügung standen, somit hangelte sich die Playlist von Gassenhauer zu Gassenhauer (DEATH IN JUNE, CURRENT 93, BLOOD AXIS usw.), doch schien es den Anwesenden zu gefallen. Irgendwann kam dann in Gestalt des WGT-Pressesprechers Cornelius die DJ-Ablösung und wir verzogen uns. Höhepunkt des WGT war sicher DAME MEDIOLANENSI, dicht gefolgt von APOPTOSE und LUX INTERNA. Dem Mummenschanz bin ich auch nächstes Jahr nicht abgeneigt.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » WAVE GOTIK TREFFEN » CAMERATA MEDIOLANENSE @Myspace » APOPTOSE @Myspace Themenbezogene Artikel: » 21. Wave-Gotik-Treffen 2012 (WGT) » 20. Wave Gotik Treffen 2011 (WGT) » PETER MURPHY auf dem 18. WGT » WGT 2007 Bericht III » WGT 2007 Bericht II Themenbezogene Newsmeldungen: » 18. Wave Gotik Treffen in Leipzig
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ich hatte bis zum auftritt von golgotha nicht mal annähernd was von denen gehört. ich fand die einfach nur klasse. genauso derniere volonte: mein höhepunkt des WGTs.